09.05.2004, 22:10
Nadeln im Kopf
Er löste beim Fahrer eine Fahrkarte und ließ sich mit dem nachfolgenden Strom von Fahrgästen in den Bus treiben.
Einen Sitzplatz zu ergattern, war völlig aussichtslos.
Es war Markttag und er war froh, einen einigermaßen guten Stehplatz abzubekommen.
Eigentlich war ihm das auch völlig egal.
Er musste nur heute mit dem Bus fahren.
Morgen, wenn sein Auto wieder repariert war, konnte hier seinetwegen der Bus aus den Nähten platzen.
Seine Stimmung war nicht die Beste. Er wusste das, er war heute ganz mies drauf. Es lag nicht an seinem kaputten Auto und auch nicht am Gedrängel im Bus.
Es lag am Schlaf, den er zuwenig hatte und wenn er schlief, dann waren seine Träume erfüllt von Chaos und Wahnsinn, von Hass und Hetze.
Auch heute war er wieder im Angstschweiß erwacht. Er hatte mit lautem Schrei die Decke von sich geworfen und viele Minuten seine Angst in die Dunkelheit geschrieen, in die dunkle Einsamkeit seines Zimmers und seiner Wohnung, in die möblierte Leere.
Seine Frau hatte ihn schon vor einer Ewigkeit verlassen – und den Sohn mitgenommen.
Er war ihr dankbar dafür. Sein Wahnsinn sollte nicht auch noch sie zerstören.
Der Busfahrer schloss die Türen und gab Gas.
Das Fahrzeug schwang sich aus seiner Haltebucht in den tosenden Verkehr der Großstadt.
Irgendwann würde sich an der nächsten Haltestelle alles wiederholen.
Er klammerte sich mit einer Hand an eine Haltestange, um nicht durch die Anfahrt auf den kleinen Dicken zu stürzen, der ebenfalls Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu halten.
Die Hände tief in den Taschen seiner Kutte vergraben, machte der aber auch nicht den Versuch, sich irgendwo festzuhalten.
Er wollte ihn stützen, doch die entrüsteten Blicke des Dicken hielten ihn zurück.
Es war ihm recht.
Er hatte auch nicht unbedingt das Bedürfnis, diesen schwitzenden und übelriechenden Kerl anzufassen. Eher wollte er aus seiner anrüchigen Umgebung verschwinden.
Davon konnte er aber nur träumen.
Der Bus war überfüllt und die Bewegung sehr eingeschränkt.
Die meisten Fahrgäste wollten zum Markt und der Rest wahrscheinlich zur Arbeit – soweit vorhanden.
Eine Mutter hatte Mühe ihre Zwillinge zu beruhigen, die lauthals ihren Eigensinn bekundeten. Sie hatten wohl keinen Bock auf den Kindergarten.
Oma und Opa von Irgendwo hielten es für notwendig, ihre Hühner im Käfig mitzunehmen.
Irgendwie, trotz seiner miesen Laune, fand er sie sympathisch.
Wie sie dasaßen, in ihren einfachen Klamotten, die Käfige mit den Hühnern auf den Schoß gepresst und einem bescheidenen Lächeln auf den Lippen.
Zwei jugendliche Glatzen im Söldneroutlook hatten es natürlich auf eine Sitzgelegenheit geschafft. Wie auch immer, sie saßen.
Sicher, er war auch nicht der Feinste im Anstand und hatte schon manchem Opa sein Alter vor die Nase gehalten, doch heute hätte er diese Hilfsnazis gern von ihren Plätzen vertrieben, um selbst seine müden Knochen auszuruhen.
Ratz batz, eins auf die Neonazinase, und sie würden wie Elfen springen.
Er sah, wie sie ihn angrinsten und zeigte, gewagt, den Stinkfinger, bevor er sich wieder zu dem kleinen Dicken drehte. In der Enge konnten sie kaum auf seine Provokation reagieren.
Der Gestank des Dicken widerte ihn an.
Seine Gesichtszüge waren von Angst und Panik geprägt und in dicken Tropfen ran der Schweiß von seiner Stirn und perlte auf seine Kutte.
Die Hände hielt er immer noch in den Taschen verborgen.
Er verspürte sie wieder, die Stiche in seinem Kopf – wie von tausend Nadeln. Ein Schleier legte sich über seine Augen.
Die Farben verschwanden und seine Umgebung war in schemenhaftes schwarz-weiß getaucht.
Am Tag war ihm dies noch nie passiert.
Sofort erfasste ihn Panik. Sein Puls schoss hoch und er hätte am liebsten losgeschrieen. Doch sein Hals war wie zugeschnürt.
Er rang mit sich und den aufkeimenden Angstqualen.
Er sah den Dicken, in seinem Schweiß und seiner Kutte, in deren Taschen seine Hände verborgen waren. Er sah ihn wie auf einer schlechten schwarz – weiß Fotografie.
Was macht der Dicke bloß mit den Händen in den Taschen? Schoss es ihm durch den Kopf.
Die Neonazis waren vergessen, doch nicht Oma und Opa und die Mutter mit ihren Zwillingen und die anderen Fahrgäste.
Er ließ seine Augen durch den Bus schweifen.
Fast zeitlupenhaft erfassten sie die schwarz – weißen Gesichter der Fahrgäste.
Einige tuschelten miteinander oder lachten verhalten, aber im allgemeinen sah er den Alltagsernst.
Die Gesichter von Menschen die versuchten, ihr Leben zu meistern. Das ganz normale Leben.
Die Nadeln in seinem Kopf marterten ihn erneut.
Wieder sah er den Dicken in seinem Schweiß, der aus allen Poren floss, wie Nitroglyzerin aus einer überlagerten Dynamitstange.
Er sah den Dicken und dessen Hände waren tief in den Taschen seiner Kutte verborgen.
Die Zwillinge lachten lauthals. Mama hatte wohl doch einen Witz getroffen.
Oma und Opa betrachteten interessiert die Gegend, während die Hühner zufrieden im Käfig saßen.
Einzig die Glatzen motzten vor sich hin.
Doch es nahm sie kaum einer wahr, da der Alkohol ihre Glaubenssprüche verlallen ließ.
Er sah dem dicken kleinen Mann ins Gesicht, in seine glasigen Augen und wand sich erschrocken ab.
Wieder marterten ihn die Nadeln, ein Stakkato schwarz – weißer Blitze erschien vor seinen Augen, und schlagartig wurde ihm die Gefahr bewusst.
All seine Alpträume schienen sich heute zu manifestieren.
„ Wir haben eine Bombe im Bus“ rief er und erfasste fast gleichzeitig die Hände des Dicken.
Er drehte sie auf dessen Rücken und umklammerte den Körper mit seinen Armen.
Der Dicke wand sich wie eine Schlange und entwickelte erstaunliche Kräfte.
Darauf war er nicht gefasst. So viel Gegenwehr hatte er nicht erwartet.
Es half nichts, er musste standhalten.
Der Busfahrer hatte die Gefahr erkannt und gehalten, so dass sich alle Fahrgäste ins Freie retten konnten.
Er sah, wie sie in grenzenloser Furcht flohen, um möglichst viel Abstand vom Bus zu gewinnen.
Er sah Oma und Opa mit ihren Hühnern und die Mutter mit ihren Zwillingen und all die anderen fremden Leute.
Immer noch hielt er den Dicken in der Klammer und kämpfte mit dessen aberwitzigen Wahnsinn und der Kraft, die so ein Irrer entwickeln konnte.
Er wusste nicht wieso er immer noch so viel Power aufbrachte.
Vielleicht war es seine miese Laune, seine Wut auf den Dicken oder das Martyrium der Nadeln in seinem Kopf.
Irgendwann vernahm er die Sirenen der Polizei.
Er schöpfte Hoffnung auf baldige Hilfe.
Vielleicht zu früh – lockerte er die Umklammerung.
Die Detonation zeriss die Stille eines Erdentages.
Er löste beim Fahrer eine Fahrkarte und ließ sich mit dem nachfolgenden Strom von Fahrgästen in den Bus treiben.
Einen Sitzplatz zu ergattern, war völlig aussichtslos.
Es war Markttag und er war froh, einen einigermaßen guten Stehplatz abzubekommen.
Eigentlich war ihm das auch völlig egal.
Er musste nur heute mit dem Bus fahren.
Morgen, wenn sein Auto wieder repariert war, konnte hier seinetwegen der Bus aus den Nähten platzen.
Seine Stimmung war nicht die Beste. Er wusste das, er war heute ganz mies drauf. Es lag nicht an seinem kaputten Auto und auch nicht am Gedrängel im Bus.
Es lag am Schlaf, den er zuwenig hatte und wenn er schlief, dann waren seine Träume erfüllt von Chaos und Wahnsinn, von Hass und Hetze.
Auch heute war er wieder im Angstschweiß erwacht. Er hatte mit lautem Schrei die Decke von sich geworfen und viele Minuten seine Angst in die Dunkelheit geschrieen, in die dunkle Einsamkeit seines Zimmers und seiner Wohnung, in die möblierte Leere.
Seine Frau hatte ihn schon vor einer Ewigkeit verlassen – und den Sohn mitgenommen.
Er war ihr dankbar dafür. Sein Wahnsinn sollte nicht auch noch sie zerstören.
Der Busfahrer schloss die Türen und gab Gas.
Das Fahrzeug schwang sich aus seiner Haltebucht in den tosenden Verkehr der Großstadt.
Irgendwann würde sich an der nächsten Haltestelle alles wiederholen.
Er klammerte sich mit einer Hand an eine Haltestange, um nicht durch die Anfahrt auf den kleinen Dicken zu stürzen, der ebenfalls Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu halten.
Die Hände tief in den Taschen seiner Kutte vergraben, machte der aber auch nicht den Versuch, sich irgendwo festzuhalten.
Er wollte ihn stützen, doch die entrüsteten Blicke des Dicken hielten ihn zurück.
Es war ihm recht.
Er hatte auch nicht unbedingt das Bedürfnis, diesen schwitzenden und übelriechenden Kerl anzufassen. Eher wollte er aus seiner anrüchigen Umgebung verschwinden.
Davon konnte er aber nur träumen.
Der Bus war überfüllt und die Bewegung sehr eingeschränkt.
Die meisten Fahrgäste wollten zum Markt und der Rest wahrscheinlich zur Arbeit – soweit vorhanden.
Eine Mutter hatte Mühe ihre Zwillinge zu beruhigen, die lauthals ihren Eigensinn bekundeten. Sie hatten wohl keinen Bock auf den Kindergarten.
Oma und Opa von Irgendwo hielten es für notwendig, ihre Hühner im Käfig mitzunehmen.
Irgendwie, trotz seiner miesen Laune, fand er sie sympathisch.
Wie sie dasaßen, in ihren einfachen Klamotten, die Käfige mit den Hühnern auf den Schoß gepresst und einem bescheidenen Lächeln auf den Lippen.
Zwei jugendliche Glatzen im Söldneroutlook hatten es natürlich auf eine Sitzgelegenheit geschafft. Wie auch immer, sie saßen.
Sicher, er war auch nicht der Feinste im Anstand und hatte schon manchem Opa sein Alter vor die Nase gehalten, doch heute hätte er diese Hilfsnazis gern von ihren Plätzen vertrieben, um selbst seine müden Knochen auszuruhen.
Ratz batz, eins auf die Neonazinase, und sie würden wie Elfen springen.
Er sah, wie sie ihn angrinsten und zeigte, gewagt, den Stinkfinger, bevor er sich wieder zu dem kleinen Dicken drehte. In der Enge konnten sie kaum auf seine Provokation reagieren.
Der Gestank des Dicken widerte ihn an.
Seine Gesichtszüge waren von Angst und Panik geprägt und in dicken Tropfen ran der Schweiß von seiner Stirn und perlte auf seine Kutte.
Die Hände hielt er immer noch in den Taschen verborgen.
Er verspürte sie wieder, die Stiche in seinem Kopf – wie von tausend Nadeln. Ein Schleier legte sich über seine Augen.
Die Farben verschwanden und seine Umgebung war in schemenhaftes schwarz-weiß getaucht.
Am Tag war ihm dies noch nie passiert.
Sofort erfasste ihn Panik. Sein Puls schoss hoch und er hätte am liebsten losgeschrieen. Doch sein Hals war wie zugeschnürt.
Er rang mit sich und den aufkeimenden Angstqualen.
Er sah den Dicken, in seinem Schweiß und seiner Kutte, in deren Taschen seine Hände verborgen waren. Er sah ihn wie auf einer schlechten schwarz – weiß Fotografie.
Was macht der Dicke bloß mit den Händen in den Taschen? Schoss es ihm durch den Kopf.
Die Neonazis waren vergessen, doch nicht Oma und Opa und die Mutter mit ihren Zwillingen und die anderen Fahrgäste.
Er ließ seine Augen durch den Bus schweifen.
Fast zeitlupenhaft erfassten sie die schwarz – weißen Gesichter der Fahrgäste.
Einige tuschelten miteinander oder lachten verhalten, aber im allgemeinen sah er den Alltagsernst.
Die Gesichter von Menschen die versuchten, ihr Leben zu meistern. Das ganz normale Leben.
Die Nadeln in seinem Kopf marterten ihn erneut.
Wieder sah er den Dicken in seinem Schweiß, der aus allen Poren floss, wie Nitroglyzerin aus einer überlagerten Dynamitstange.
Er sah den Dicken und dessen Hände waren tief in den Taschen seiner Kutte verborgen.
Die Zwillinge lachten lauthals. Mama hatte wohl doch einen Witz getroffen.
Oma und Opa betrachteten interessiert die Gegend, während die Hühner zufrieden im Käfig saßen.
Einzig die Glatzen motzten vor sich hin.
Doch es nahm sie kaum einer wahr, da der Alkohol ihre Glaubenssprüche verlallen ließ.
Er sah dem dicken kleinen Mann ins Gesicht, in seine glasigen Augen und wand sich erschrocken ab.
Wieder marterten ihn die Nadeln, ein Stakkato schwarz – weißer Blitze erschien vor seinen Augen, und schlagartig wurde ihm die Gefahr bewusst.
All seine Alpträume schienen sich heute zu manifestieren.
„ Wir haben eine Bombe im Bus“ rief er und erfasste fast gleichzeitig die Hände des Dicken.
Er drehte sie auf dessen Rücken und umklammerte den Körper mit seinen Armen.
Der Dicke wand sich wie eine Schlange und entwickelte erstaunliche Kräfte.
Darauf war er nicht gefasst. So viel Gegenwehr hatte er nicht erwartet.
Es half nichts, er musste standhalten.
Der Busfahrer hatte die Gefahr erkannt und gehalten, so dass sich alle Fahrgäste ins Freie retten konnten.
Er sah, wie sie in grenzenloser Furcht flohen, um möglichst viel Abstand vom Bus zu gewinnen.
Er sah Oma und Opa mit ihren Hühnern und die Mutter mit ihren Zwillingen und all die anderen fremden Leute.
Immer noch hielt er den Dicken in der Klammer und kämpfte mit dessen aberwitzigen Wahnsinn und der Kraft, die so ein Irrer entwickeln konnte.
Er wusste nicht wieso er immer noch so viel Power aufbrachte.
Vielleicht war es seine miese Laune, seine Wut auf den Dicken oder das Martyrium der Nadeln in seinem Kopf.
Irgendwann vernahm er die Sirenen der Polizei.
Er schöpfte Hoffnung auf baldige Hilfe.
Vielleicht zu früh – lockerte er die Umklammerung.
Die Detonation zeriss die Stille eines Erdentages.