Das deutsche Stephen King Forum
Terror im Namen Gottes - Druckversion

+- Das deutsche Stephen King Forum (https://forum.stephen-king.de)
+-- Forum: Nicht-King-Themen (https://forum.stephen-king.de/forumdisplay.php?fid=5)
+--- Forum: Sonstiges (https://forum.stephen-king.de/forumdisplay.php?fid=18)
+--- Thema: Terror im Namen Gottes (/showthread.php?tid=1050)

Seiten: 1 2


Terror im Namen Gottes - Laurin - 09.05.2004

Nadeln im Kopf


Er löste beim Fahrer eine Fahrkarte und ließ sich mit dem nachfolgenden Strom von Fahrgästen in den Bus treiben.
Einen Sitzplatz zu ergattern, war völlig aussichtslos.
Es war Markttag und er war froh, einen einigermaßen guten Stehplatz abzubekommen.
Eigentlich war ihm das auch völlig egal.
Er musste nur heute mit dem Bus fahren.
Morgen, wenn sein Auto wieder repariert war, konnte hier seinetwegen der Bus aus den Nähten platzen.

Seine Stimmung war nicht die Beste. Er wusste das, er war heute ganz mies drauf. Es lag nicht an seinem kaputten Auto und auch nicht am Gedrängel im Bus.
Es lag am Schlaf, den er zuwenig hatte und wenn er schlief, dann waren seine Träume erfüllt von Chaos und Wahnsinn, von Hass und Hetze.

Auch heute war er wieder im Angstschweiß erwacht. Er hatte mit lautem Schrei die Decke von sich geworfen und viele Minuten seine Angst in die Dunkelheit geschrieen, in die dunkle Einsamkeit seines Zimmers und seiner Wohnung, in die möblierte Leere.
Seine Frau hatte ihn schon vor einer Ewigkeit verlassen – und den Sohn mitgenommen.
Er war ihr dankbar dafür. Sein Wahnsinn sollte nicht auch noch sie zerstören.

Der Busfahrer schloss die Türen und gab Gas.
Das Fahrzeug schwang sich aus seiner Haltebucht in den tosenden Verkehr der Großstadt.
Irgendwann würde sich an der nächsten Haltestelle alles wiederholen.

Er klammerte sich mit einer Hand an eine Haltestange, um nicht durch die Anfahrt auf den kleinen Dicken zu stürzen, der ebenfalls Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu halten.
Die Hände tief in den Taschen seiner Kutte vergraben, machte der aber auch nicht den Versuch, sich irgendwo festzuhalten.

Er wollte ihn stützen, doch die entrüsteten Blicke des Dicken hielten ihn zurück.
Es war ihm recht.
Er hatte auch nicht unbedingt das Bedürfnis, diesen schwitzenden und übelriechenden Kerl anzufassen. Eher wollte er aus seiner anrüchigen Umgebung verschwinden.
Davon konnte er aber nur träumen.
Der Bus war überfüllt und die Bewegung sehr eingeschränkt.
Die meisten Fahrgäste wollten zum Markt und der Rest wahrscheinlich zur Arbeit – soweit vorhanden.
Eine Mutter hatte Mühe ihre Zwillinge zu beruhigen, die lauthals ihren Eigensinn bekundeten. Sie hatten wohl keinen Bock auf den Kindergarten.
Oma und Opa von Irgendwo hielten es für notwendig, ihre Hühner im Käfig mitzunehmen.
Irgendwie, trotz seiner miesen Laune, fand er sie sympathisch.
Wie sie dasaßen, in ihren einfachen Klamotten, die Käfige mit den Hühnern auf den Schoß gepresst und einem bescheidenen Lächeln auf den Lippen.

Zwei jugendliche Glatzen im Söldneroutlook hatten es natürlich auf eine Sitzgelegenheit geschafft. Wie auch immer, sie saßen.
Sicher, er war auch nicht der Feinste im Anstand und hatte schon manchem Opa sein Alter vor die Nase gehalten, doch heute hätte er diese Hilfsnazis gern von ihren Plätzen vertrieben, um selbst seine müden Knochen auszuruhen.
Ratz batz, eins auf die Neonazinase, und sie würden wie Elfen springen.
Er sah, wie sie ihn angrinsten und zeigte, gewagt, den Stinkfinger, bevor er sich wieder zu dem kleinen Dicken drehte. In der Enge konnten sie kaum auf seine Provokation reagieren.

Der Gestank des Dicken widerte ihn an.
Seine Gesichtszüge waren von Angst und Panik geprägt und in dicken Tropfen ran der Schweiß von seiner Stirn und perlte auf seine Kutte.
Die Hände hielt er immer noch in den Taschen verborgen.

Er verspürte sie wieder, die Stiche in seinem Kopf – wie von tausend Nadeln. Ein Schleier legte sich über seine Augen.
Die Farben verschwanden und seine Umgebung war in schemenhaftes schwarz-weiß getaucht.
Am Tag war ihm dies noch nie passiert.
Sofort erfasste ihn Panik. Sein Puls schoss hoch und er hätte am liebsten losgeschrieen. Doch sein Hals war wie zugeschnürt.
Er rang mit sich und den aufkeimenden Angstqualen.

Er sah den Dicken, in seinem Schweiß und seiner Kutte, in deren Taschen seine Hände verborgen waren. Er sah ihn wie auf einer schlechten schwarz – weiß Fotografie.

Was macht der Dicke bloß mit den Händen in den Taschen? Schoss es ihm durch den Kopf.
Die Neonazis waren vergessen, doch nicht Oma und Opa und die Mutter mit ihren Zwillingen und die anderen Fahrgäste.

Er ließ seine Augen durch den Bus schweifen.
Fast zeitlupenhaft erfassten sie die schwarz – weißen Gesichter der Fahrgäste.
Einige tuschelten miteinander oder lachten verhalten, aber im allgemeinen sah er den Alltagsernst.
Die Gesichter von Menschen die versuchten, ihr Leben zu meistern. Das ganz normale Leben.
Die Nadeln in seinem Kopf marterten ihn erneut.

Wieder sah er den Dicken in seinem Schweiß, der aus allen Poren floss, wie Nitroglyzerin aus einer überlagerten Dynamitstange.
Er sah den Dicken und dessen Hände waren tief in den Taschen seiner Kutte verborgen.

Die Zwillinge lachten lauthals. Mama hatte wohl doch einen Witz getroffen.
Oma und Opa betrachteten interessiert die Gegend, während die Hühner zufrieden im Käfig saßen.
Einzig die Glatzen motzten vor sich hin.
Doch es nahm sie kaum einer wahr, da der Alkohol ihre Glaubenssprüche verlallen ließ.

Er sah dem dicken kleinen Mann ins Gesicht, in seine glasigen Augen und wand sich erschrocken ab.
Wieder marterten ihn die Nadeln, ein Stakkato schwarz – weißer Blitze erschien vor seinen Augen, und schlagartig wurde ihm die Gefahr bewusst.
All seine Alpträume schienen sich heute zu manifestieren.

„ Wir haben eine Bombe im Bus“ rief er und erfasste fast gleichzeitig die Hände des Dicken.
Er drehte sie auf dessen Rücken und umklammerte den Körper mit seinen Armen.
Der Dicke wand sich wie eine Schlange und entwickelte erstaunliche Kräfte.
Darauf war er nicht gefasst. So viel Gegenwehr hatte er nicht erwartet.
Es half nichts, er musste standhalten.

Der Busfahrer hatte die Gefahr erkannt und gehalten, so dass sich alle Fahrgäste ins Freie retten konnten.
Er sah, wie sie in grenzenloser Furcht flohen, um möglichst viel Abstand vom Bus zu gewinnen.
Er sah Oma und Opa mit ihren Hühnern und die Mutter mit ihren Zwillingen und all die anderen fremden Leute.
Immer noch hielt er den Dicken in der Klammer und kämpfte mit dessen aberwitzigen Wahnsinn und der Kraft, die so ein Irrer entwickeln konnte.
Er wusste nicht wieso er immer noch so viel Power aufbrachte.
Vielleicht war es seine miese Laune, seine Wut auf den Dicken oder das Martyrium der Nadeln in seinem Kopf.

Irgendwann vernahm er die Sirenen der Polizei.
Er schöpfte Hoffnung auf baldige Hilfe.
Vielleicht zu früh – lockerte er die Umklammerung.

Die Detonation zeriss die Stille eines Erdentages.


- Baerzi - 09.05.2004

Möchte 1000 Worte sagen wie ´mich das alle bewegt, doch nichts kann ausdrücken was ich fühle, was die Menschen fühlen, die das täglich miterleben müssen und es scheint nie´mehr ein Ende zu nehmen...


- Bonkers - 11.05.2004

Es ist erschreckend wie stark das Vertrauen von diesen Selbstmördern zu ihrer Religion ist. Vorallem das Morden von Unschuldigen ist verachtenswert... Angry

Aber dennoch. Würde ich in der Art erzogen werden wie manch Attentäter würde ich genauso handeln, da diese Menschen an das GLAUBEN was sie tun und den ganzen Rest - wie Tot, Zerstörung und Leid - aus den Gedanken verbannen können.


- BadHannes - 11.05.2004

naja, wer sagt uns, dass diese leute unrecht haben, mit dem was sie tun?
wenn es wirklich so was wie gott gibt, warum soll dann diesem ding (nennt es/ihn wie ihr wollt)
nicht gefallen, dass der mensch sich so langsam gegenseitig vernichtet?
wenn die welt von gott erschaffen wurde – was ja von den ganzen religionfutzies behauptet wird – und somit die erde dann könnte doch so einem gott diese selbstmordattentatdingsbumsdreck gefallen oder nicht? denn der mensch macht die erde langsam aber sicher kaputt, blöd wie er ist.
und da liegt für mich schon die ganze kacke im sand bei dem ganzen religionszeugs...
wie bonkers schon erwähnte: wenn wir da drüben aufgewachsen wären, würden wir an den gleichen mist glauben und wären davon überzeugt das richtige zu tun.
für mich liegen die christen genau so falsch mit ihrem glauben wie die ganzen turbanfritzen.
aber jeder soll an das glauben was er bla bla laber pffffffffffrzzz...


- Gio - 11.05.2004

Der Unterschied ist, dass sich das Christentum als reine Religion betrachtet und keinen Einfluss (mehr) auf die Politik oder die Mitmenschen hat. Jeder soll glauben können, was er will. Solange dieser glauben allerdings zu mehr führt, als dass er die jeweilige Person SELBER beeinträchtigt, ist er für mich "unrecht". Von mir aus kann sich ein Gläubiger Tag und nacht einsperren, auf nem Baum leben oder jeden Morgen seine Hecke bepissen, falls er denkt, es sei gottgewollt. Halleluja.
Geht alles in Ordnung, solange er es eben in seinem eigenen Bereich tut. Meint er allerdings, ich müsste das auch tun, und versucht, micht aktiv dazu zu bringen, bzw. irgendwie gravierend Einfluss auf mich und mein Leben zu nehmen, geht das zu weit. Somit kann ich deren Glaubensausübung, wie jeden andere sich so auswirkende auch, ganz egal von welchen Standpunkt, als Unrecht darstellen.


- Baerzi - 11.05.2004

Für mich hat das alles nichts wirklich mit richtigen Glauben zu tun, denn egal welche RTeligion, jeder Glaube spricht von Liebe und Frieden und Toleranz, wenn da nicht immer diese Menschen wären....

Es gibt da ein paar Vollidioten, die diesen oder jenen Glauben zu Ihrem Vorteil ausnützen damit sie an die Macht kommen. Glaubt ihr das irgendeiner von denen jemesl mit einer Boimbe unter der Jacke in den Bus steigen würde? Die lachen sich doch nur eins was für Idioten da rumlaufen die sie beeinflussen können.

Ich stimme da Bonkers ganz zu, wenn wir dort wären wer weiß wies uns ginge, denn die sind von Kinder an so aufgezogen worden und das was dort passiert ist schon längst ein Teufelskreis.....


- Laurin - 11.05.2004

So ein Bombengürtelträger ist zwar durch seinen religiösen Wahn, durch Beeinflussung seiner Ausbilder oder sogar durch Drogen geistig abgestumpft worden, aber deswegen kann ich ihn nicht von seiner Schuld befreien.
Sicher, die eigentlichen Schuldigen sind die Drahtzieher die unter dem Deckmantel einer Religion ihre eigenen Ziele verfolgen.
Schrecklich ist dabei, dass so viele Unschuldige ihr Leben lassen müssen und selbst vor Frauen und Kindern kein halt gemacht wird.
Wenn es ihnen schon um göttliche Ehren geht, sollten sie sich auf freiem Feld treffen um sich da gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.
Doch hier siegt die Feigheit über Gottesliebe und man zieht die Hinterlist vor. Es ist auch einfacher einen Bus mit Wehrlosen in die Luft zu sprengen als sich einen bewaffneten Gegner zu stellen.
Meinetwegen kann jeder seinen Gott haben und ihm huldigen, aber er soll bitte seinen Nachbarn auch seinen Glauben lassen.
Asdf Asdf Asdf


- Baerzi - 12.05.2004

Ich finde so schlimm, dass diese Menschen als Märtyrer gefeiert werden, und das obwohl sie zig Menschen mit in den Tod gerissen haben.

Märtyrer sind für ihren Glauben gestorben und zwar, wegen ihrem Glauben, weil man Sie gefoltert und bis zum Tode gequält hat, weil sie ihrem Glauben nicht entsagen wollten - ohne das dabei irgendjemand anderem zu Schaden gekommen ist!


Wie kann man nur was verherrlichen, wo so viele Menschen getötet werden???????????????????????????????????????


- skasperl - 12.05.2004

das problem der religion beginnt mit ihrer mehrzahl. sobald es von etwas so bedeutendem wie 'religion' mehrere nebeneinander gibt, kommt es zu problemen, weil jede/r seine/ihre als die einzig wahre durchsetzen will. einige machen es durch ausgrenzung, andere durch krieg (kreuzzüge waren durchaus auch ein mittel für christen!).

ich glaube nicht an gott, an keinen. aber sollten die menschen, die an irgendeinen gott glauben, nicht kapieren, dass er/sie sicher nicht zum morden aufruft, wird das wohl kein ende nehmen!

-skasperl


- vreni - 12.05.2004

nun ja, aber bei den kreuzzügen standen die religiösen motive doch eher an zweiter oder dritter stelle - eigentlich. ansonsten ist das christentum eine sehr tolerante religion (geworden). ebenso wie der islam übrigens. obwohl das islamische recht muslime über nicht-muslime stellt, was privat-recht angeht, genießen auch diese schutz und freiheit auch der religion. fundamentalisten der übelsten sorte wird es allerdings immer geben und zwar in jeder religion. darum denke ich auch, dass ein krieg gegen den terror zu nichts führt, als zu mehr terror.
Zitat:Märtyrer sind für ihren Glauben gestorben
darum werden attentäter auch gefeiert. für einige muslime ist die politik der westlichen welt nun mal auch ein kampf gegen ihre religion. es zeigt sich auch häufig, dass werte und normen, die für muslime von enormer wichtigkeit sind, von den "zivilisierten westlern" mit füßen getreten, als barbarisch verurteilt werden. ich denke, dass würde keinem von uns gefallen, was natürlich nicht heißen soll, dass man sich mit anschlägen dagegen wehren sollte.


- Bonkers - 12.05.2004

Aus diesem Grund wäre es wichtig POLITIK und RELIGION zu trennen!


- Baerzi - 12.05.2004

vreni schrieb:
Zitat:Märtyrer sind für ihren Glauben gestorben
darum werden attentäter auch gefeiert.

JA, aber wie ich weiterschrieb, töten diese niemanden, sondern sind selbst die, die getötet werden.

Zitat:es zeigt sich auch häufig, dass werte und normen, die für muslime von enormer wichtigkeit sind, von den "zivilisierten westlern" mit füßen getreten, als barbarisch verurteilt werden. ich denke, dass würde keinem von uns gefallen

Keiner zeigt Toleranz, weder west- noch ost, weder Christ, noch Moslem noch sonstwer. In Frieden sollten wir miteinander leben, nicht uns bekämpfen und gegenseitig irgendetwas aufzwingen wollen.


- Laurin - 13.05.2004

Frieden haben wir seit Anbeginn der Menschheit nicht.
Zum Miteinander werden wir so nicht finden, zumindest nicht mit all diesem Götterwirrwarr
Also zum Teufel mit den Göttern.


- Baerzi - 13.05.2004

Ich schrieb : SOLLTEN nicht das wirs seit Anbeginn haben
und beim Frieden in der eigenen Familie sollte es anfangen und da kann sich sicher jeder hier mal Gedanken darüber machen (mich eingeschlossen)


- böser Wolf - 13.05.2004

Laurin schrieb:Frieden haben wir seit Anbeginn der Menschheit nicht.
Zum Miteinander werden wir so nicht finden, zumindest nicht mit all diesem Götterwirrwarr
Also zum Teufel mit den Göttern.

...ähh ... Laurin nur mal als hinweis ... Juden, Christen, und Moslems haben den gleichen Gott !!! ... was die Religionen trennt ist die anerkennung bestimmter propheten ... zb ... die juden glauben nicht das Jesus der mesias war ( die warten immer noch auf den Mesias ) , aber die moslems glauben an Jesus aber nicht an die unbefleckte Empfängnis und das er Gottes Sohn war , desweiteren haben sie als letzten, engültigen Propheten Mohamed ...der aber wieder von den beiden anderen Religionen nicht als Prophet anerkannt wird ...