Martin, ich wünsche dir, dass du trotz dem, was du bisher erlebt hast, nicht den Mut und die Hoffnung verlierst, dich zukünftig wieder auf eine Beziehung einzulassen. Liebe kann große Wunden schlagen und doch kann man ohne sie nicht wirklich leben. Manchmal natürlich sind Verletzungen so groß, dass man regelrecht verbittert und sich zurückzieht und Mauern baut. Das ist klarerweise auch nicht die "Lösung".
Nicht nur die individuellen Erfahrungen selbst können prägen - auch die Art und Weise WIE man liebt, spielt eine große Rolle. Oder besser WEN.
Ich habe lange überlegt, ob ich die Karten auf den Tisch legen soll, eigentlich schon beim "Warum zerbrechen Beziehungen"-Thread. Nun habe ich mich aber DAFÜR entschieden, weil ich seit einigen Wochen schon wieder in einem neuen "Selbstfindungsprozess" bin und mit Offenheit und Ehrlichkeit am besten fahre - was auch die positive Resonanz bestätigt.
Ob jetzt im realen Leben (da natürlich am häufigsten), oder auch hier im Forum und spontaner noch im Chat: Ich komme oft in eine Situation, wo ich "drumherumreden" oder sogar lügen müsste, wenn es um private Angelegenheiten geht. Natürlich geht's im Chat nicht immer um intime Sachen, aber schon bei simpel-harmlosen "Gesprächsthemen" wie "Welcher Typ Mann gefällt dir eigentlich?" fängt es im Grunde an - und hört bei mir auf.
Langer Vorrede kurzer Sinn:
In meinem Liebes- bzw. Beziehungsleben gibt es nur Frauen. Heißt also, ich bin lesbisch.
Was für einige von euch jetzt ziemlich überraschend sein mag, ist für andere gerade nur die Bestätigung für Spekulationen (weiß nicht, ob es je welche gab, ist mir aber auch nicht wichtig). Andere wiederum - das müssten etwas 6 oder 7 aktive Forenmitglieder sein - wissen es zum Teil schon lange.
Mir ist schon bewusst, dass es etwas sehr Privates ist, was ich jetzt preisgebe, aber ich lebe nun in den vergangenen 7-8 Wochen schon so
out, dass ich es anders gar nicht mehr haben möchte. Natürlich ist es andererseits keine große Sache, da Homosexualität kein reines Tabu-Thema mehr ist, aber andererseits bin ich dennoch keine, die mit einem Plakat herumläuft: "Seht her, ich stehe auf Frauen!"
Worum es mir geht: Ich möchte genauso selbstverständlich über mich und meine Art zu leben und lieben reden können, wie ihr alle es könnt. Klar hat mich niemand daran gehindert bis jetzt, aber es ist IMMER ein Ringen mit sich selbst, wieviel man preisgibt, wenn man über Beziehungen und Eifersucht im Forum schreibt und im Chat redet. In irgendeiner Form verleugne ich mich ja selbst, wenn ich von meiner "Ex-Beziehung" im Allgemeinen rede oder im Chat über die Vorzüge oder Nachteile von Männern schäkere. Im Alltag bin ich genug mit Heterosexualität "konfrontiert", kann aber dennoch Möglichkeiten für mich schaffen, genauso gesehen und gehört zu werden.
Um jedoch wieder zum Thema Beziehungen an sich zurückzukommen:
Dass ich irgendwie "anders" fühlte, merkte ich schon im zarten Kindesalter, aber so richtig relevant wurde es dann, als ich in die Pubertät kam. Ich merkte, dass Mädchen einfach was anderes in mir auslösen als Jungs es tun. In die Zwickmühle geriet ich dadurch aber auch, und da alle nun anfingen mehr oder weniger mit Jungen zu "gehen", suchte auch ich mir Alibifreunde. Auch war ich der Ansicht, dass es sich um eine vorübergehende Phase handelte. - Nun, es war keine Phase, und mit ca. 16 Jahren begann ich mächtig darunter zu leiden, dass ich mich entweder erfolglos in Mädchen verliebte oder mich für keinen Jungen bzw. Mann richtig erwärmen konnte. Meinen letzten festen Freund hatte ich mit 16 Jahren, und als ich merkte, dass ich mich nicht mit Gewalt zwingen kann, ihn zu lieben, schoss ich ihn auf verletzende Weise ab.
Mit 17 Jahren war ich innerlich so zerrüttet und zweifelte so stark an mir selbst und meiner Veranlagung, die immer mehr "gehört" werden wollte, dass ich einen körperlichen Zusammenbruch erlitt. Hinzu kam ja, dass ich nie jemandem gesagt hatte, was mit mir los war. Was ich für mich selbst nicht akzeptieren konnte, würde ja jemand anderer noch weniger akzeptieren - so dachte ich damals, also hielt ich den Mund. Hinzufügen möchte ich, dass wir uns damals zwar schon in den 90ern befanden (1990), aber Schwule und Lesben z.B. in den Medien bei weitem nicht so stark vorkamen wie heute. Vor allem Lesben waren "unsichtbarer" als sie es heute sind.
Als nun also bei den ärztlichen Untersuchungen rauskam, dass meine Herzbeschwerden psychischen Ursprungs waren, rückte ich raus mit der Wahrheit. Damit kam leider noch nicht die große Erleichterung und in den folgenden Monaten wurde ich von Panikattacken teilweise ganz schön arg gebeutelt. Hinzu kam, dass meine Mutter anfangs riesige Probleme mit meiner Offenbarung hatte. Sie gab sich teilweise auch selbst die Schuld und fragte sich (und mich), was sie in der Erziehung falsch gemacht habe. Auch war sie - weil bisher mit dem Thema so gut wie nie konfrontiert - der fixen Meinung, dass mich eine Psychotherapie wieder auf den rechten Weg bringen konnte. Ich möchte übrigens erwähnen, dass es 1990 zumindest noch theoretisch die Möglichkeit einer sogenannte Aversionstherapie mit Elektroschocks gab, die auch bei Homosexuellen angewandt wurde. Soweit kam es natürlich nie, und außerdem wusste ich - trotz aller Probleme die ich mit mir selbst hatte - dass ich doch nicht anders (also hetero) sein wollte. Wenn ich versucht hätte, mit Gewalt gegen meine Veranlagung anzukämpfen, wäre DAS "wider die Natur" gewesen. Soviel war mir schon damals klar.
Die Psychotherapie gab es dennoch, aber letztlich nur in der Art und Weise, mit mir selbst ins reine zu kommen und um die Panikattacken zu überwinden. Auch meine Mutter (mein Vater hatte nie ein Problem damit) kam nach einiger Zeit langsam damit klar. Klar, Enkelkinder werden von mir nicht zu erwarten sein, aber da gibt's ja noch meine Schwester.

Heute jedenfalls kommt meine Mutter sehr gut mit meinem Lesbischsein klar.
Um das Ganze mal abzukürzen: Ich lernte zu akzeptieren, wie ich bin und heute macht es mir längst keine Probleme mehr. Auch die Panik ging weg, wenngleich ich auch heute noch noch sehr sporadisch (also ganz selten) Anflüge von Angst verspüre (das hat dann aber nichts mehr mit dieser Sache zu tun, sondern liegt an emotionaler Überforderung, Stress usw.)
Meine erste Freundin hatte ich mit 19 Jahren, und da wusste ich dann endgültig, dass es
wirklich das ist, was ich will. Ich schwebte auf Wolke 7 und ging wegen ihr auch in ein anderes Bundesland, aber leider hielt es nicht besonders lange. Na ja, dennoch: die erste Liebe vergisst man nicht (und auch für sie war ich die erste).
In all den Jahren habe ich mal kürzere, mal längere Beziehungen gehabt. Allerdings verliebe ich mich nicht so leicht. Einmal war ich mit einer Frau zusammen, die 12 Jahre älter war als ich. Meine längste Partnerschaft war die letzte und dauerte über 5 1/2 Jahre. Das Ende kam letzten März und war für mich ein wichtiger Prozess (der im oben erwähnten Thread ja nachzulesen ist). Verletzt wurde auch ich viel, aber ich habe mich immer wieder aufgerappelt. Die Partnersuche gestaltet sich generell nicht als ganz so einfach, aber aktiv "auf die Suche" begebe ich mich ohnehin nicht.
Bei mir hat der Entschluss zu studieren vor einem Jahr viel Neues ausgelöst. So einiges kam dabei in die Gänge. Vor allem was meine Offenheit betrifft. Ich war noch nie so ehrlich in dem, was ich tat oder sagte, und daraus resultierte auch viel positives Feedback. Ich merke es an mir selbst: Auch wenn ich manchmal auf gut österreichisch den Nipf hängenlasse (also mal nicht gut drauf bin), so ist meine Grundstimmung doch um einiges besser geworden. Ich habe zum Beispiel in den vergangenen 9 Monaten mehr gelacht als in 3 Jahren zuvor. (Habe ich in einem anderen Thread schon mal erwähnt.)
Ich habe gleichermaßen schwullesbische Bekanntschaften wie "normale". Nahezu alle meiner heterosexuellen Freunde und Freundinnen (soviele sind's ja nun auch nicht) wissen über mich Bescheid, und das ist neu. Im Gegensatz zu früher mache ich um die Tatsachen kein Geheimnis mehr - die Gründe stehen ja oben.
So, nun wisst ihr's.

Und auch wenn Forum und Chat nicht den wesentlichen Bestandteil meines Lebens ausmachen (obwohl ich ja sehr oft hier bin

), so möchte ich auch hier nicht länger um den heißen Brei herumreden. Wer's nicht akzeptieren kann oder für den (oder die) das jetzt ein zu "großer Brocken" ist - O.K., damit kann ich zurechtkommen. Wenn ihr damit gut klarkommt, freut es mich.
In jedem Fall aber: Danke für's Lesen.

weet
(Pappenstiel war's ja keiner, und ich denke, ich habe meinen persönlichen Beitragslängen-Rekord mal wieder gebrochen. :mrgreen