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Todesstrafe
#31
Rush schrieb:Außerdem halte ich eine lebenslange, wirklich lebenslange Haftstrafe für sehr viel schlimmer für den Täter, als den Tod, der ihn eigentlich erlöst.

Dem könnte ich bedingungslos zustimmen, wenn es sich in D bei Haftstrafen auch tatsächlich um STRAFE handeln würde.
Meine Frau arbeitet im geschlossenen Maßregelvollzug.
Dort sitzen Leute, die Menschen aufs übelste zusammengeschlagen haben, ihre Freundin in den Bauch getreten haben, bis das Kind abging .... usw.
Und mit was die sich so den lieben langen Tag beschäftigen, hat in keinster Weise was mit Strafe zu tun.
Gruß Marv
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#32
den angehörigen gehts nach der ermordung des täters auch nicht besser. ist ja erwiesen.
und zudem ist ja auch erwiesen, daß die todesstrafe keine abschreckende wirkung hat.
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#33
Noch dazu wurde in den Staaten, in denen die Todesstrafe abgeschafft wurde, keine Steigerung der Kriminalitätsrate festgestellt.

stephy schrieb:ganz so ist es nicht. im ersten fall mit den drogenabhängigen (ich kenne so einen fall aus meiner verwandtschaft) spielt der familiäre hintergrund eine massiv große rolle. es passiert nicht jedem, aber es kann passieren, daß jemand nicht so psychisch gefestigt ist, um gewisse schicksalsschläge wie prügel, mißbrauch etc. wegzustecken. und oft fehlt auch das geld für therapien, denn nicht alle werden vom staat bezahlt. abrutschen kann dann mit dem falschen freundeskreis schneller als man denkt passieren. oft merkt man selbst nicht, in welchen freundeskreis man reinrutscht, weil man voller sorgen und probleme ist... und dann ist man irgendwann ein junkie. von wegen freie entscheidung.

hasch nimmt man vielleicht, um cool zu sein, aber bei drogenabhängigen gehe ich jetzt einfach mal von heroinsüchtigen aus. und heroin nehmen tun süchtige in der regel, um ihre sorgen zu verdrängen, um sich gut zu fühlen. das hat so gut wie immer einen kaputten hintergrund.
wieso sollte man also einen menschen, der drogensüchtig ist, und einen raubmord begeht (der ja auch oft im affekt geschieht, z.b. die lady hat einfach die handtasche nicht losgelassen...), zum tode verurteilen? dieser mensch hat ein eindeutiges therapierbares problem!

Wie du oben nachlesen kannst, bin ich GEGEN die Todesstrafe.
Trotzdem sollten sie wenigstens so lange weggesperrt werden, bis sie die Sucht kontrollieren können.
Und Mitleid habe ich trotzdem keine, es gibt genug Kinder, die trotz sozialschwacher Umgebung nicht zu Drogen greifen und Freunde kann man sich bekanntlich auch selbst aussuchen.
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#34
Also erstmal möchte ich anmerken, dass mir die Diskussion hier bisher ausgezeichnet gefällt. Dickes Lob an alle Beteiligten. Es gibt kaum einen Beitrag, dem ich nicht auf der ein oder anderen Ebene zustimmen würde. Genau das zeigt aber die Ambivalenz des Themas. Mir ist es schlicht und ergreifend nicht möglich, einen 100% Standpunkt für oder gegen die Todesstrafe zu vertreten. Jeder, der dies kann, muss sich entweder ausführlichst mit der Thematik beschäftigt haben, oder aber er hat sich noch nicht ausführlich genug damit befasst. (Aber wer hat das schon? Megacool ) Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass das Ganze, wie jede philosophische Diskussion, letztendlich einer Katze gleicht, die sich selbst in den Schwanz beißt. Objektiv betrachtet, gibt es keine richtige oder falsche Meinung. Man kann nur einen subjektiven Standpunkt beziehen, den man sich selbst und anderen gegenüber vertreten können sollte.

Tendenziell bin ich gegen die Todesstrafe. Sagen wir mal zu 90%, vielleicht auch 95 Prozent. Bücher wie Grishams „Die Kammer“ (ich schließe mich der Empfehlung der schwarzen 13 an ;-) ) und natürlich „The Green Mile“ (wundert mich, dass das Buch hier noch keine Erwähnung fand Lookaround ) haben wahrscheinlich nicht unbeträchlich zu dieser Meinung beigetragen. Was mich aber beschäftigt sind die verbleibenden 5%.

Dass es in Deuschland keine Todesstrafe gibt, finde ich richtig und daran soll sich auch nichts ändern. Dass in einigen amerikanischen Bundesstaaten die Todesstrafe noch praktiziert wird, führt bei mir nur zu Kopfschütteln. Erst jüngst die Hinrichtung von Tookie Williams in Kalifornien, ist für mich ein offensichtlicher Beweis der Sinnlosigkeit dieser Handlung. Einen Täter, der offensichtlich bereut und darüber hinaus nun auch noch Aufklärungsarbeit leistet und Kinderbücher schreibt, hinzurichten, ist zweifelsohne ein Verbrechen. Mit einer lebenslangen Haft hätte in diesem speziellen Falle sicher wesentlich mehr Wirkung erzielt werden können.

Gio schrieb:Wobei man sich eigentlich fragen müsste, ob überhaupt irgendein Mensch auf der Erde das Recht haben sollte, zu bestrafen - oder ob das nicht eher in den Kompetenzbereich Gottes, der Natur, des Schicksals, oder wem auch immer gehört.

Gio, nicht dass mir die Vorstellung missfiele, aber das würde dann auch implizieren, dass ein Verbrechen in den Kompetenzbereich Gottes, der Natur oder des Schicksals fiele. Dann müsste man jedes Verbrechen als göttlich (oder vom Schicksal) gewollt betrachten und dürfte nicht aufmucken. (Praktisch: Gottes Wege sind unergründlich und alle gehen glücklich nach Hause? :aehm ) Dann spielt auch die Unterscheidung zwischen Bestrafung des Täters und Schutz der Mitmenschen keine Rolle. Wenn die Bestrafung eines Täters ein Eingriff in die „göttliche Gerechtigkeit“ wäre, dann wäre die Isolation vielleicht ein Eingriff in den „göttlichen Willen“. Gleichzeitig müßte man aber die menschliche Fähigkeit, moralisch zu richten auf göttlichen oder etc. Ursprung zurückführen und dann wäre ja wieder alles im Lot. Also, wie gesagt, eine Katze, die sich in den Schwanz beißt. (Mal ganz davon abgesehen, dass diese Spekulationen eine „göttliche“ Entität vorraussetzen, aber das ist ein anderers Thema.)

Eine etwas befremdliche Begründung, gegen die Todesstrafe zu sein, ist, dass lebenslange Haft für den Täter viel schlimmer ist als eine Hinrichtung. Thema Hussein
tiff´any schrieb:durch den tod seiner söhne und der verbreitung der bilder der toten (die übrigens immer noch von einer amerikanischen seite angeboten werden, samt obduktion) ist er einer demütigung ausgesetzt, die die todesaussicht übertrifft. stellt man sich mit dem verbrecher nicht auf gleiche stufe, wenn man ihn hinrichtet?
Stellt man sich nicht noch eine Stufe darunter, wenn man ihn solchen Demütigungen aussetzt? Sind diejenigen, die wollen, dass sich ein Mensch für den restlichen Teil seines Lebens mit einer nicht wieder gut zu machenden Last herumschlägt und darunter leidet nicht schlimmer als jene die nur seinen Tod wünschen. Lebenslange Qual auf der einen und kurzer Prozeß auf der anderen Seite? Was ist besser? Ich will diese Frage nicht beantworten und niemand sollte mit einer Antwort leicht bei der Hand sein. Dass jemand den restlichen Teil seines Lebens mit einer Schuld klarkommen und Reue empfinden muss/soll, um mit sich selbst ins Reine zu kommen oder sich der Auswirkungen seines Tuns bewusst zu werden, kann eine größere und schmerzvollere Bürde sein als eine Hinrichtung. (Gut, ist jetzt nur ne Vermutung! Urgs ) Was ich im Zusammenhang mit Hinrichtungen wesentlich schlimmer als den eigentlichen Vollzug finde, ist die Wartezeiten, denen sich Häftlinge in den USA (z.B.) ausgesetzt sehen. Die Vorstellung, in einem Gefängnis zu sitzen und die Tage, Wochen, Monate oder Jahre exakt zählen zu können, die einem noch verbleiben, finde ich entsetzlich.

Nun zu den verbleibenden fünf Prozent.
Gio schrieb:
Die schwarze 13 schrieb:Zum Thema Menschenrechte will ich sagen, das für mich ein Mörder/Vergewaltiger mit der Ausübung seiner Tat das Recht auf die Menschenrechte verwirkt hat und der Aspekt Menschenrechte ist somit auch nicht der Grund für mich gegen die Todesstrafe zu sein.
Versteh nicht, wie Menschenrechte verfallen können. Eben dafür, dass sie immer und für alle gelten, wurden sie doch gemacht
In klitzekleineren Massstab (Oh Gott, drei s aufeinmal Nonono2 ) muss ich der schwarzen 13 zustimmen. Die Menschenrechte gehen nicht über alles. Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, Hitler hätte den zweiten Weltkrieg überlebt und es hätte auch nicht sowas wie die Nürnberger Prozesse oder ähnliches gegeben.
*Geraldo* schrieb:
Die Schwarze 13 schrieb:Sie sollten auch in keinster Weise irgendwelche Annehmlichkeiten wie TV, Bücher, Internet oder Briefkontakt (außer zu ihrer Familie) genießen dürfen, da sie es 1. nicht verdient haben und zweitens so nur den Steuerzahler belasten.
Das sehe anders. Die Täter sollten verstehen lernen, warum sie diese Strafe zu verbüßen haben. Nicht um sie zu resozialisieren, sondern um sie Reue spüren zu lassen. Bücher sind mehr als bloße Annehmlichkeit.
Hätte jemand wie Hitler es verdient, auch nur noch einen glücklichen Moment zu haben? Und sei es beim Lesen eines Buches? Alles in mir schreit Nein!
Nehmen wir mal an, die Todespiloten des 11. September hätten irgendwie die Maschinen vor den Einschlägen ins WTC verlassen können. Per Schleudersitz vielleicht oder mit einem Fallschirm. (Ich weiß selbst, dass das völliger Quatsch ist, aber es geht hier nicht um die Möglichkeit als solche sondern nur um das „Was-wäre-wenn?“). Nehmen wir weiter an, die Piloten seien hinterher gefangen genommen worden. Hätte sie es verdient am Leben zu bleiben. Glaubt jemand allen Ernstes, die hätten irgendwann Reue empfunden? Hätte Hitler nach zwanzig Jahren im Knast Reue empfunden? Und wenn ja, wer sagt, dass sie der Tat wegen bereuen? Wer sagt, dass sie nicht vielmehr bereuen, weil sie ihre Freiheit eingebüsst haben? Bereuen die Leute im Gefängnis die Tat oder nur den Umstand, dass sie wegen der Tat ihr Leben hinter Gittern zu bringen müssen? Eigentlich könnten sie doch sonst auch in Freiheit bereuen, oder spielt der Ort dabei ein Rolle?
Und genau da wären wir bei den fünf Prozent. Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne zu moralisieren, würde ich bei den erwähnten Subjekten für die Todesstrafe plädieren. Aber wo ist dann die untere Grenze? Ist Hitlers Verbrechen Schlimmer als das der Todespiloten? Intuitiv würde ich sagen ja und das an der Zahl der Opfer fest machen. Aber ab wann ist die Todesstrafe dann angebracht? Ab 3000 Opfern? Mehr oder weniger? Besondere Grausamkeit der Tat? Das alles sind Fragen, die ich mir stellen aber nicht beantworten kann. Worin liegt der Unterschied ob ein Kind von einem Perversen geschändet und getötet wird oder ob Tausende durch zu Explosionsgeschossen zweckentfremdete Flugzeuge getötet werden. Es ändern nichts am Tod des Einzelnen und nichts an der Trauer der Angehörigen!
In solchen Fällen, die ganz klar die Ausnahme sind, (und auch in Bezug auf die oft erwähnte Kinderschänderproblematik) bin bzw. wäre ich für die Todesstrafe. Und genau aus diesem Grund und weil ich nicht die Definitionsparameter für solche Ausnahmefälle angeben kann, kann ich kein entschiedener Gegner der Todesstrafe sein.

EDIT: Ernstes Thema und doch muss ich lachen. Die erwähnte Katze sollte sich eigentlich nicht in den "Zauberstab" beißen (Katzen sind ja weiblich und haben gar keinen), sondern in den Bürzel, Anhang, Tierschwanz, wie auch immer. :rofl:
Gelöste King-Quiz Fragen: 38 (60 min)
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#35
biberrulez schrieb:Hätte jemand wie Hitler es verdient, auch nur noch einen glücklichen Moment zu haben? Und sei es beim Lesen eines Buches? Alles in mir schreit Nein!

Hitler und andere von Dir aufgeführte Personen sind natürlich Extrembeispiele aber ich verstehe worauf Du hinaus willst. Beispiele die mir durch den Kopf schwirren sind z.B. ehemalige RAF-Mitglieder, die aus politisch ideologischen Motiven heraus gemordet und sich in der Haft intensiv mit ihren Taten befasst haben. Peter-Jürgen Book z.B. hat während seiner 17jährigen Haft sehr viel gelesen (und auch geschrieben) und sieht nicht zuletzt durch die Literatur viele Dinge grundlegend anders. Was die RAF angeht, so forderten damals nicht wenige ebenfalls die Todesstrafe.

Natürlich würde auch ich einem Hitler, Stalin, Mao oder sonstigem Massenmörder keinen glücklichen Moment mehr gönnen. Bei dem von Dir beschriebenen Grad zwischen dagegen und dafür ist es wahrlich sehr schwer -wenn nicht sogar unmöglich- sich festzulegen.

Allgemein möchte ich jedem, der sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, folgende Dokumentation(en) ans Herz legen:

http://www.amazon.de/Paradise-Lost-Chil ... UTF8&s=dvd

Die Filmemacher planen übrigens zur Zeit eine weitere Dokumentation über die in Todeszellen einsitzenden jungen Menschen zu drehen.
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#36
ich finde, dass die ts nicht wirkungsvoll ist! der effekt der bekehrung sollte ja darin liegen, dass man es NEXTESMAL besser macht und nicht dann tot ist!

in amiland gehen auch viele gossentauben freiwillig in knast, indem sie ne mittelschwere straftat begehen, um dann dorf für lau essen und n bett zu bekommen. das zeigt doch ganz deutlich, dass freiheitsberaubung in den meisten fällen sinnlos ist.

vielmehr sollte man das problem an der wurzel behandeln (apropos: falls ich s vergesse, erinnert mich jemand dran das ich am 7.12. zum zahnarzt muss? sage euch meinen dank!) zb durch mehr investition in die bildung! wer eine gute bildung hat, wird feststellen, dass der legale weg des kapitalerwerbs doch der bessere ist!

britney spears: "ich bin für die todesstrafe. denn durch eine harte strafe, lernt der täter, dass er es nächstes mal besser machen soll!" (wie immer das auch gehen mag...ich glaub zumindest nicht an leben nach dem tod...)

lange tage angenehme nächte!
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#37
Ich bin aus denselben Gründen die Ginny schon auf Seite 1 erwähnt hat gegen die Todesstrafe.
Das man allerdings Verbrecher sobald sie Reuhe zeigen freilassen soll kann ich nicht verstehen. Erstens wird man nicht von einem Tag auf den anderen ein neuer Mensch, man kann sich vielleicht langsam verändern, aber ein neuer Mensch wird man nicht. Zweitens geht es nunmal um Bestrafung und meiner Meinung nach geht es auch um Gerechtigkeit! Wie Biber auch schon erwähnt hat: Wenn der Mensch dazu befähigt ist Verbrechen zu begehen, dann ist er auch dazu befähigt gerecht zu handeln und zu erkennen, was Gerechtigkeit ist. Und meines erachtens ist es nur Recht und billig, dass man für seine Verbrechen geradestehen muss und auch bestraft wird, ganz unabhängig davon , ob man die Tat nach ein paar Monaten bedauert oder nicht.
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#38
Danke, biber. Endlich ein bisschen Pepp :mrgreen:

Zitat:Tendenziell bin ich gegen die Todesstrafe. Sagen wir mal zu 90%, vielleicht auch 95 Prozent

Was ins reine Deutsch gesprochen doch eigentlich "pro Todesstrafe" bedeutet, oder?
Durch Deine Erläuterung geht für mich hervor, dass du diese 95 Prozent nicht auf die Standhaftigkeit deiner Meinung beziehst, sondern auf die Täter, bei denen keine Todesstrafe angewendet werden soll. Bedeutet, sie ist nicht obligat, sondern eine alternative Strafmaßnahme bei Mord. Sie wird nicht zwangsläufig angewendet, aber in Einzelfällen.
Genau so läuft es in Amerika. Nicht jeder Mörder wird automatisch hingerichtet, man kann begnadigt werden, man kann lebenslänglich bekommen etc. Entscheidend sind wohl auch hierbei Faktoren wie Zurechnungsfähigkeit, Schwere der Tat usw.

Zitat:und natürlich „The Green Mile“ (wundert mich, dass das Buch hier noch keine Erwähnung fand )

Wobei "The Green Mile" für mich nicht unbedingt ein beispielhaftes Buch gegen die Todesstrafe ist - Es geht um ein mögliches Fehlurteil, also menschliches Versagen, und nicht um die Sache selber: Todesstrafe bei Mord. Somit kritisiert es für mich mehr die (fehlerhafte) Umsetzung als die dahinterliegende Ethik.
Abgesehen davon SPOILER richtet Coffey (hab keine Ahnung, wie er geschrieben wird) selber durch seine "göttliche Gabe" den wahren Mörder, der daraufhin stirbt - also doch wieder Tod als gerechte Bestrafung. War von King wohl nicht so gemeint, entreißt dem Standpunkt des Buches bei der Thematik aber den Boden unter den Füßen.

Zitat:Gio, nicht dass mir die Vorstellung missfiele, aber das würde dann auch implizieren, dass ein Verbrechen in den Kompetenzbereich Gottes, der Natur oder des Schicksals fiele. Dann müsste man jedes Verbrechen als göttlich (oder vom Schicksal) gewollt betrachten und dürfte nicht aufmucken.

Ne du, falscher Gedankengang Confusedweet

Da werden grad völlig verschiedene Sachen in einen Topf geworfen. Und mit Religion verpanscht. Gerade diese will ich raushalten, da es hier um Justiz geht. Und ein Gericht darf nicht nach religiösen Motiven urteilen.

Zuersteinmal: Was definierst du als Gerechtigkeit?
Können wir nicht grundlegend festhalten, dass das Leben in all seinen Facetten ungerecht ist? Im Kreislauf der Natur gibt es kein "richtig" und "falsch", kein "gut" und kein "böse", keine Moral. Es ist vom Leben ungerecht, dass eine herzensgute und bis zur Aufopferung liebende Mutter in Afghanistan ihr 3-jähriges (und somit in sogut wie allen Bereichen unschuldiges) Kind bei einem Bombenangriff verliert, während KZ-Arzt Mengele Jahrelang bestialische Versuche ausüben durfte, und erst beim Schwimmen in Brasilien im Alter von 68 Jahren an etwas barmherzigen wie einem Schlaganfall starb, ohne dass er sich je hatte für seine Tat verantworten müssen. Selbiges spielt sich überall auf der Welt ab. Auch bei unpolitischen Themen. Krankheit. Unfall.
Doch jeder Mensch hat einen Gerichtigkeitssinn, etwas ganz wunderbares, dass zu so etwas wie Moral, Ethik und damit auch zu Achtung, Respekt und Gleichberechtigung führt.
Dieser Gerechtigkeitssinn sagt sich verständlicher Weise, dass soetwas nicht angehen kann. Und deshalb sucht man eine Gegenkraft.
Da gibt es dann bei den Juden, Christen und Muslime das Paradigma Himmel/Hölle. Da oben, nach dem Tod, wird dann Gerechtigkeit kommen. Da wird Leid zurückgegeben, und unbegründetes Leid/gute Taten mit dem ewigem Glück belohnt. Die Hindus glauben, dass man dafür im nächsten Leben in eine niedrige Kaste geboren wird und allein dadurch schon bestraft ist (was zu der Abartigkeit führt, dass jeder Mensch einer niedrigeren Schicht schon von Geburt an als etwas weniger lebenswertes betrachtet wird, weil er ja vedient hat, arm zu sein), und die Buddhisten glauben, dass man sich damit vom Nirvana entfernt (aber wenigstens nicht bestraft wird).
Nun gibt es dann noch einige Atheisten, die meinen, ihrer eigene Nicht-Religion trotz allem einen religiösen Stempel aufdrücken zu müssen, und da es keine bestrafende Hölle gibt, muss man sie eben selber auf der Erde herbeizaubern. Alle anderen Religionen können sich dabei freuen, denn was Gott nach dem Tod zu tun pflegt, kann doch im irdischen Sein nicht falsch sein.

Für mich ist der Gedanke an Gerechtigkeit, die man SELBER durch Vergeltung ausüben will, entweder:
- emotional, weil man sich als Betroffener benachteiligt fühlt und nach subjektivem Empfinden Gerechtigkeit schafft (führt zur Selbstjustiz)
- oder ideologisch, weil man fälschlicher Weise RELIGIÖSE ASPEKTE in etwas völlig unreligiöses wie ein Gericht einfließen lässt. Jeder, der sich anmaßt, zu bestrafen, "Leid" zu verteilen, "Gerechtigkeit" auf der Welt zu schaffen (nicht, in dem er etwas Gutes tut, sondern, indem er bestraft), handelt nach seinen eigenen Überzeugungen von einer "übergeordneten Gerechtigkeit", und diese entspricht nunmal nicht dem neutralen Lauf der Natur, sondern einer selbst aufgestellten Weltsystematik. Man erfindet sein eigenes Weltbild, in dem - Achtung! - auf eine schlechte Tat auch etwas schmerzliches als Revanchierung folgen muss, damit die "richtige" Ordnung herrscht.
Das ist Fanatismus.
Das ist das Himmel-Hölle-Prinzip als Miniaturmodell.
Es ist der eigene Gedanke an eine "überirdische" Gerechtigkeit, die auch im irdischen angestrebt werden muss. Damit legitimiert man Folter und Hinrichtungen. Damit legitimiert man jede Grausamkeit, im kleinen wie im großen. Der Gedanke ans Bestrafen ist aufs tiefste verbunden mit Ideologie.

Natürlich ist dieser "Fanatismus" verständlich, aber er hat so rein garnichts mit den Kompetenzen einer staatliche eingesetzten Institution zu tun. Diese darf nicht den Allmächtigen spielen. Jeder, der sich aufschwingt, anderen Leid zuzufügen, um das kleine Himmel-und-Hölle-Spiel auch auf Erden zu spielen, handelt NICHT rational, NICHT emotionslos, NICHT unparteiisch, NICHT unpersönlich, NICHT objektiv. Er tut genau das Gegenteil und will seinen Glauben, wie der überirdische Hase zu laufen hat, über die Welt bringen. Genauso wie marodierende Christen bei den Kreuzügen, nur dass diese nicht so scheinheilig waren, ihre ideologische Intention zu verbergen.
Eigentlich sollte man aber weit genug sein, um sich mit Gesetzbüchern in einem Land, das Religion und Staat trennt, nicht mehr als Mini-Jahwe behaupten zu wollen.

Nocheinmal: Die persönlichen Vorstellungen davon, was eine gerechte STRAFE ist, hat sich absolut niemand herauszunehmen. Strafen dienen EINZIG UND ALLEIN dem Zweck zu erziehen, NIEMALS, zu richten. Strafen machen den Menschen deutlich, dass die Konsequenz aus einer Tat so unangenehm ist, dass sie sie lieber nicht begehen, und somit die gesellschaftliche Struktur, oder die Freiheit (oder das Leben) anderer nicht gefährden. Alles, was aber die eigenen Bauchschmerzen wegen den Bösen Menschen in der Welt beruhigen soll und diese Gerechtigkeitsquatschtitulierung beinhaltet, sind nichts anderes als Rachegelüste - sei es, dass man sie nun persönlich ausübt, oder der Staat.

Und man kann mir nicht erzählen, dass die Strafe, getötet zu werden,ein erzieherischer Auftrag ist, denn der Täter mag dann zwar Asche oder Sarginhalt sein, aber garantiert nicht gut erzogen.

Um es ganz objektiv zu halten: Es gibt keine "bösen Menschen". Nur böse Verhaltensweisen, die es einzudämmen gilt. Etwas so misanthropisches wie die Hölle ("zuführen von Leid, wer es verdient"), die auf einem ignoranten Schwarzweißschema stuft, kann nicht in einem Rechtsstaat regieren. Sowas gab es mal... die ersten schriftlichen Gesetze nach Hammurapi waren die zehn Gebote, später galt die Bibel als Richtmaß. Und es mag alles äußerst fortschrittlich gewesen sein. Trotzdem wurde immer nach dem Gedanken gerichtet, was GOTT für richtig hält. Diese Systematik beruht nun einmal auf guter Mensch - böser Mensch, belohnen - quälen. Darin ist das Element der "Vergeltung" enthalten. Die meisten Religionen bekamen, mal frei in den Raum geworfen, vor allem aufgrund dieses Elements großen Zulauf. Heute wird es nur nicht mit einem Gott drumrum verkleidet. Wäre Theologie eine Kunst, würde man das wohl "Simplizismus" nennen, oder auf die Fantasielosigkeit der Jugend zurückführen :mrgreen:

Und jetzt zu deiner Folgekette.

Zitat:Dann spielt auch die Unterscheidung zwischen Bestrafung des Täters und Schutz der Mitmenschen keine Rolle. Wenn die Bestrafung eines Täters ein Eingriff in die „göttliche Gerechtigkeit“ wäre, dann wäre die Isolation vielleicht ein Eingriff in den „göttlichen Willen“.

Weil ich mich nicht als irdischer Richter aufspielen will, muss ich alles weltliche Geschehen als unantastbaren, göttlichen Willen ansehen? Falsche Konklusion. Aus meinem Gedankengang folgen keinesfalls Anarchie, zaubernde Katzen (Tongue) Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung. Ich bin weit davon entfernt, den Lauf oder die Systematik der Natur, weil vorhanden, unbeeinflusst zu lassen. Natürlich darf man die Welt "gerechter" machen - indem man sie verbessert, indem man Leid lindert oder garnicht erst zulässt. Indem man Gutes belohnt. Nicht aber selber Leid nach gutdünken verteilt, damit bei der Schmerzdistribution ein Gleichgewicht herrscht.
Ich umschiffe den von dir beschrieben Kreislauf äußerst problemlos, indem ich einfach "Erziehung" und "Missionierung" nicht gleichsetze. Man kann nämlich strikt zwischen eigenem Weltbild und gesellschaftlichen Regeln zur friedlichen Koexistenz unterscheiden - zweiteres ist schließlich der Existenzzweck von Gesetzen.
Daraus schließe ich: Alles, was als Intentionen nicht eine "angemessene Erziehungsmaßnahme" zum Ziel hat, sondern eine "gerechte Bestrafung", ist ein Euphemismus für "Rache". Da diese zwangsläufig emotional ist, darf sie nicht von einer Instanz mit Objektivitätsanspruch ausgeführt werden. Das dürfen nur Puritaner machen. Und Christen. Und Muslime. Die alle können es mit ihrem Glauben vertreten. Die haben wenigstens Argumente.

Zitat: Die Menschenrechte gehen nicht über alles. Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, Hitler hätte den zweiten Weltkrieg überlebt und es hätte auch nicht sowas wie die Nürnberger Prozesse oder ähnliches gegeben.

Dann würde mein Bauchgefühl laut aufschreien. Dann wär ich sauer.
Und? Was hat das für eine Relevanz bei der Ausübung von Gesetzen? Diese dürfen NICHT von Emotionen bestimmt sein.
Und warum ein so fernes Beispiel nehmen? Bei dem Tod meines Kindes wäre ich noch sauerer. Ich würde sogar eine Waffe in den Gerichtsaal nehmen und dessen Mörder erschießen. Dann richte ich. Dann spiele ich Gott. Dann bin ich emotional. Das ist vollkommen legitim, weil ich menschlich bin. Und ich könnte meine Tat mit GUTEM Gewissen vertreten.
ABER:
Dann beruf ich mich auf meine EMOTIONEN. Ganz im Gegensatz zu einer Instanz. Wie sollte etwas, das emotional handelt, somit SUBJEKTIV ist, die Vollmacht haben dürfen, über das Leben anderer Menschen zu entscheiden?

Zitat:Hätte jemand wie Hitler es verdient, auch nur noch einen glücklichen Moment zu haben? Und sei es beim Lesen eines Buches? Alles in mir schreit Nein!

In mir auch. Ich nehme aber nicht meine persönlichen Rachegefühle als Maß aller Dinge :mrgreen: Wink

Zitat:Nehmen wir weiter an, die Piloten seien hinterher gefangen genommen worden. Hätte sie es verdient am Leben zu bleiben. Glaubt jemand allen Ernstes, die hätten irgendwann Reue empfunden? Hätte Hitler nach zwanzig Jahren im Knast Reue empfunden?

Das Beispiel halte ich für fehl am Platz. Hitler, Mao, Stalin... Okay. Dann weiß ich, worauf du hinauswillst, auch wenn wir geteilter Meinung wären. Aber die?
1. Ich glaube sehr wohl, dass sie Reue empfinden können
2. Ich finde durchaus, dass sie es verdient haben, am Leben zu bleiben (im Gegensatz zun Hilter & Co.)

Warum? Die Tat war religiös motiviert. Somit ging es ihnen nicht darum, anderen Menschen schaden zuzufügen. Sie dachten, sie würden richtig handeln. Allah will es so. Sie würden die Welt retten.
Jemand, der glaubt, richtig zu handeln, ist nicht böse, sondern verwirrt. Wenn dieser Glaube aus seinem Umfeld, Erziehung, Religion resultiert, wurde er anerzogen. Das wurde er definitiv, oder warum sonst waren "zufälliger Weise" alles Muslime aus dem Orient? Wer einen glauben anerzogen bekommt, dem kann man ihn auch wieder aberziehen. Diese Menschen haben nicht gefoltert. Die haben nur gemeint, dass der Zweck die Mittel heiligt, und es keine anderen Mittel gäbe. Jemand, der meint, mit dem Töten von Menschen die Welt zu verbessern, wünsche ich nicht den Tod, sondern er tut mir leid.
Was in keinem Fall bedeutet, dass ich die Rachegedanken der Opfer nicht verstehen kann oder die Tat gutheiße. Trotzdem: wie Zurechnungsfähig ist jemand, der in seinem Weltbild glaubt, das richtige zu tun, und es nicht besser weiß? Wenn ich von etwas so überzeugt bin, dass ich SELBER dafür in den Tod gehe, kann man mir eine riesige Portion Dummheit vorhalten. Und das falsche Verständnis von Moral. Aber nicht, dass ich von Grund auf ein schlechter Mensch bin.
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#39
bei Kindsmörder oder Vergewaltiger wäre ich voll führ die Totestrafe
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#40
Huijuijui... Staun ... da hat sich aber einer ausgelassen!

@ Gio
Ohne hier auf Deine gesamte Argumentationskette eingehen zu wollen, gebe ich Dir völlig recht:

Zitat:Da werden grad völlig verschiedene Sachen in einen Topf geworfen. Und mit Religion verpanscht. Gerade diese will ich raushalten, da es hier um Justiz geht. Und ein Gericht darf nicht nach religiösen Motiven urteilen.


Meiner Meinung nach ist Religion ein Faktor, der in dieser Diskussion nichts zu suchen hat; zumindest dann nichts zu suchen hat, wenn unsere Diskussion nicht völlig ausarten soll. Religionen sind ein Thema für sich.
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#41
Gio schrieb:[Zu 95% gegen die Todesstrafe bedeutet]ins reine Deutsche gesprochen doch eigentlich „pro Todesstrafe“, oder?
Ne ne ne, gionischer Winkeladvokat. :mrgreen: Wenn ein Auto noch zu 95% Benzin hat, fährt man ja auch nicht an die nächste Zapfsäule. Ins reine Deutsche bedeutet das, dass ich gegen die Todesstrafe bin. Und ich beziehe die Prozentangabe (die ja nur veranschaulichen soll) sehr wohl auf meine Standhaftigkeit in dieser Frage; und ich betone „meine“, denn diese ist eben nicht objektiv. Ich finde es absolut richtig, dass es in Deutschland keine Todesstrafe gibt und bin auch für deren Abschaffung in anderen Ländern. Nichtsdestotrotz gibt es wenige Fälle, in denen ich für sie plädieren bzw. ich sie als angemessene Strafe empfinden würde. Darin sind wir uns ja einig! Dein Beispiel zeigt es!
Gio schrieb:Bei dem Tod meines Kindes wäre ich noch saurer. Ich würde sogar eine Waffe in den Gerichtssaal nehmen und dessen Mörder erschießen.
Demzufolge trägst auch Du in Dir den Gedanken, dass für ganz bestimmte Verbrechen der Tod des Täters eine angemessene Form der Vergeltung ist, richtig? Die Frage nach der Todesstrafe müsste als geteilt werden:

1. Bin ich persönlich (aus emotionalen Gründen) der Meinung, dass bestimmte Verbrechen mit dem Tod bestraft werden sollten? JA!
2. Bin ich der Meinung, dass eine juristische, objektive Instanz durch Tod strafen darf? NEIN!

Wenn ich es nicht falsch auslege, bringt Bangor das mit seiner Aussage ziemlich exakt auf den Punkt.
Bangor schrieb:Ich besitze ein Rechtsempfinden, welches sich nur allzuleicht von meiner Gefühlswelt ablenken lässt. Es ist daher subjektiv, was für ein gerechtes Urteil schädlich wäre.
Weil man im Zweifelsfall möglicherweise für die Todesstrafe wäre, ist man vernünftigerweise grundsätzlich dagegen. Es ist menschlich, dass das persönliche Rechtsempfinden beeinflußbar ist und deswegen gibt es ja objektive Instanzen.

Und unter diesen zwei Aspekten passt auch „The Green Mile“ ins Raster. Es stimmt mit dem zweiten Punkt überein, weil es das Risiko der Hinrichtung von Unschuldigen thematisiert. Das hat freilich nichts mit der hinter der Todesstrafe liegenden Ethik zu tun; aber der Umstand, dass auch Unschuldige versehentlich hingerichtet werden könnten, scheint mir eines der geläufigsten (und auch schwerwiegendsten) Argumente gegen die Todesstrafe zu sein. (Auch innerhalb dieses Threads.)
Und „The Green Mile“ stimmt mit dem ersten Punkt überein, oder verurteilt jemand Coffeys Tat an dem wahren Mörder? Hat jemand während der Lektüre des Buches oder beim Sehen des Films gedacht: „Was tut der denn da? Das ist ja ethisch völlig unvertretbar! Coffey ist bei mir unten durch!“? Wahrscheinlich nicht und darin sehe ich einen deutlichen Beleg für den ersten Punkt.

Soweit sogut. Ich denke, wenn ich die bisherigen Beiträge richtig verstanden habe, haben wir an dieser Stelle einen Punkt der Übereinstimmung oder zumindest der (momentan?) größtmöglichen Annäherung erreicht. (Was war nochmal Suggestion? Lookaround ) Im Ernst, ich denke bis hierhin besteht Einigkeit und in Kümmelspalterei sollte es nicht ausarten. Aber es gibt freilich noch einige offene Gesichtspunkte.

Gio schrieb:Was definierst du als Gerechtigkeit? Können wir nicht grundlegend festhalten, dass das Leben in all seinen Facetten ungerecht ist?
Gerechtigkeit würde ich als eine abstrakte menschliche Vorstellung eines metaphysischen Gleichgewichts definieren. Somit ist das Leben vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet ungerecht, an sich aber einfach wie es ist. Der versinnbildlichte Inbegriff der Gerechtigkeit ist wohl die Allegorie der Justitia. Mit ihren verbundenen Augen soll sie vollkommen neutral sein und die Waage im Gleichgewicht halten. Das ist aber ein unerreichbarer Idealtypus. Du sagst völlig richtig, dass wir einen Gerechtigkeitssinn haben, doch kommt dieser ja nicht von ungefähr sondern muss als Produkt von Erziehung und Gesellschaft angesehen werden. In der Regel wird sich der Gerechtigkeitssinn eines jeden weitesgehend innerhalb eines kulturell determinierten prototypischen Rahmens bewegen.
Gio schrieb:Jeder der sich anmaßt, zu bestrafen, „Leid“ zu verteilen, „Gerechtigkeit“ auf der Welt zu schaffen […] handelt nach seinen eigenen Überzeugungen von einer „übergeordneten Gerechtigkeit“ und diese entspricht nunmal nicht dem Lauf der Natur, sondern einer selbst aufgestellten Weltsystematik. […] Die persönlichen Vorstellungen davon, was eine gerechte STRAFE ist, hat sich absolut niemand herauszunehmen.
Das ist das Musterbild, aber vollkommen unmöglich. Denn auch unsere staatlich eingesetzten Institutionen wollen schließlich Gerechtigkeit schaffen und handeln dabei nach einer selbst aufgestellten Weltsystematik. In diesem System ist Raubkopieren schwerwiegender als Schwarzfahren, und Mord schwerwiegender als Körperverletzung. Gibt es im Lauf der Natur etwas, dass dies belegt? Nein! Staatliche Institutionen handeln nicht nach „eigenen Überzeugungen“, aber nach Maßstäben, die irgendwann mehr oder weniger kollektiv (vom kulturellem Gerechtigkeitssinn ausgehend) willkürlich festgelegt wurden. Diese Maßstäbe sind die Maßstäbe einer Mehrheit, deswegen aber nicht weniger persönlich. (Aber, das meinst du dann wahrscheinlich eher, sie sind nicht emotional gefärbt.) Wenn sich niemand herausnehmen darf zu entscheiden, was eine gerechte Strafe ist, dann darf das auch eine staatliche Institution nicht, denn die setzt sich schließlich auch aus Menschen zusammen. Das ist ja der Punkt: Welche Strafen für welche Verbrechen vergeben werden, ist letztendlich willkürlich und nicht objektiv. Ein Strafmaß kann nicht objektiv sein. Mathematik ist objektiv. 2+2=4, daran kann nicht gerüttelt werden. Die Justiz versucht sich (vereinfacht ausgedrückt) dieser Objektivität durch ähnliche Formeln zu nähern: Tatbestand xy+sonstige Umstände (z.B. geistige Unzurechnungsfähigkeit)=Strafmaß z. Das ist nichts anderes als um Objektivität bemühte Willkür! Erinnern wir uns an Justitia: Liegt Mord in der einen Waagschale, dann muß auch in der anderen Waagschale Mord liegen um wieder ein Gleichgewicht zu erzielen. Also Auge um Auge, Zahn um Zahn. Aber das ist mit unserem Gerechtigkeitssinn nicht zu vereinbaren. Also müssen Äquivalente gefunden werden. Daher Vergewaltigung und Mord in der einen Waagschale, lebenslange Haft in der anderen. Ist die Waage nun im Gleichgewicht? Ich denke, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Deswegen sage ich, dass Justitia ein irrealer Idealtypus ist. Wir müssen uns mit Kompromissen zufrieden geben. Kurz gefasst: Nach deinem vorangestellten Zitat ist auch die staatliche Instanz theoretisch nicht berechtigt Urteile zu fällen. Aber ich denke, dass ich weiß was du meinst: nämlich die individuell-emotionale Gerechtigkeitsvorstellung, die sich über die institutionell geregelte hinwegsetzt, stimmts?

Gio schrieb:Strafen dienen EINZIG UND ALLEIN dem Zweck zu erziehen, NIEMALS, zu richten. Strafen machen den Menschen deutlich, dass die Konsequenz aus einer Tat so unangenehm ist, dass sie sie lieber nicht begehen.
Ne, Gio. Da gehen wir nicht konform. Es wäre schön, wenns so wäre. Stephy hats in einem ihrer Beiträge gesagt.
stephy schrieb:zudem ist ja auch erwiesen, daß die todesstrafe keine abschreckende wirkung hat
. Wenn schon die Todesstrafe nicht abschreckt, warum sollten andere („mildere“) Strafen abschrecken. Wer eine Straftat begeht, tut dies i.d.R. im Glauben ungeschoren davonzukommen oder die Konsequenzen zu tragen. Ich kaufe mir mein Straßenbahnticket nicht, weil ich Angst vor einem Bußgeld habe, sondern weil ich eine Dienstleistung in Anspruch nehme und deswegen auch dafür aufkommen muss. Mein Gerichtigkeitssinn und meine Vernunft bringen mich dazu, dies zu tun, weils einfach notwendig ist, damit das System funktioniert. Wenn mir jemandes Sachen gefallen, dann nehme ich mir diese nicht einfach, aber nicht etwa weil ich Angst vor eine Strafe habe, sondern weil mein Gerechtigkeitssinn dies als Option ablehnt. Strafen sollten wie von Dir beschrieben funktionieren, tun sie aber nicht; der menschliche Faktor steht dem entgegen.

Klar, wenn Strafen einzig und allein dem Zweck der Erziehung dienen sollen, dann ist die Todesstrafe kein adäquates Mittel. Dann muss ich mich aber auch fragen, ob lebenslange Haft ein solches ist. (Achtung, es folgt ein hinkendes Beispiel, dass aber nach. m.M. berechtigt ist. Engel2 ) Wenn ein Kind die Nachbarskatze am Schwanz zieht und von der Mutter als erzieherische Maßnahme bis an den Rest seines Lebens in den Keller gesperrt wird, kann man ja wohl auch kaum vom erzieherischen Auftrag sprechen.
Gio schrieb:Und man kann mir weißgott nicht erzählen, dass die Strafe, getötet zu werden,ein erzieherischer Auftrag ist, denn der Täter mag dann zwar Asche oder Sarginhalt sein, aber garantiert nicht gut erzogen.
Eben, und in Analogie dazu müsste ich von lebenslanger Haft dasselbe sagen, denn der Täter mag dann zwar weggesperrt, aber garantiert nicht gut erzogen sein.
Gio schrieb:Natürlich darf man die Welt "gerechter" machen - indem man sie verbessert, indem man Leid lindert oder garnicht erst zulässt. Indem man Gutes belohnt.
Was eine Verbesserung, was Leid und was Gutes ist, hängt alles von einer subjektiven Wertung ab und ist nicht im Lauf der Natur festgeschrieben. Das ist die selbstaufgestellte Weltsystematik aus der dirzufolge Fanatismus resultiert. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Objektivität ist eine Illusion.
Gio schrieb:
Zitat: Nehmen wir weiter an, die Piloten seien hinterher gefangen genommen worden. Hätte sie es verdient am Leben zu bleiben. Glaubt jemand allen Ernstes, die hätten irgendwann Reue empfunden? Hätte Hitler nach zwanzig Jahren im Knast Reue empfunden?
Das Beispiel halte ich für fehl am Platz. Hitler, Mao, Stalin... Okay. Dann weiß ich, worauf du hinauswillst, auch wenn wir geteilter Meinung wären. Aber die?
1. Ich glaube sehr wohl, dass sie Reue empfinden können
2. Ich finde durchaus, dass sie es verdient haben, am Leben zu bleiben (im Gegensatz zun Hilter & Co.)
Warum? Die Tat war religiös motiviert. Somit ging es ihnen nicht darum, anderen Menschen schaden zuzufügen. Sie dachten, sie würden richtig handeln.
Vorsicht, jetzt begeben wir uns auf ganz dünnes Eis. Terroristen geht es nicht darum, anderen Menschen zu schaden? Da kann ich nicht zustimmen. Die haben wohl nur Spaß an pyrotechnischen Effekten? Religiöse Motivation und der Glaube, richtig zu handeln sind kein Argument. Auch Hitler und Co. handelten aus der Überzeugung heraus, das Richtige zu tun. Du kannst hier nicht mit zweierlei Maß messen. Ersetze die religiöse Motivation doch durch den Oberbegriff „Überzeugung“. Die einen handelten aus religiöser, die anderen aus ideologischer Überzeugung. Warum das anders gewertet werden sollte, ist mir nicht klar.
Gio schrieb:Wer einen Glauben anerzogen bekommt, dem kann man ihn auch wieder aberziehen.
Dem stimme ich zu, aber was wird an die entstehende Lehrstelle gesetzt? Eine andere Überzeugung, z.B. eine westlich geprägte. Warum sollten die denn aber richtiger sein? Genausogut könnten wir alle in zweihundert Jahren zum Islam (wie ihn dieTerroristen auslegen!) konvertiert sein und dann ist der 11. September ein Feiertag. Das ist ein ziemlich zynische Behauptung, aber es bringt auf den Punkt, was ich die ganze Zeit sage: Alles menschliche ist notwendigerweise subjektiv. Man müsste komplett tabula rasa machen und von vorne beginnen, was einer Festplattenformatierung äquivalent wäre. Jemanden seinem Glauben oder seine Überzeugungen abziehen, kommt doch im Prinzip dem Austauch eines Betriebsprogrammes gleich.

Die Sache, die am Anfang recht einfach schien, wird immer komplizierter je mehr man darüber grübelt. Das ist Philosophie. Philosophie beschäftigt sich mit Fragen, die es ohne sie nicht gäbe und die sie nicht beantworten darf (und kann), weil sie sich sonst selbst ihrer Existenzgrundlage berauben würde. Orange
Gelöste King-Quiz Fragen: 38 (60 min)
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#42
ich denke auch nicht, daß mildere strafen abschrecken. ich denke, der täter tut seine tat nicht mit dem blick auf mögliche folgen, sondern impulsiv (jedenfalls in vielen fällen). wenn ich raubkopiere, weiß ich, daß das strafbar ist und daß man mich erwischen kann. aber es ist mir für diesen moment egal (ich hab noch nie raubkopiert, kann das gar nicht, ist nur ein beispiel!). man hat lust drauf, also tut man es. und auch was die gez betrifft; man bescheißt die, weil man einfach keine lust hat, geld zu zahlen, und es interessieren einen die folgen nicht. die werden meistens erst interessant, wenn man dabei erwischt wird. und so denke ich, ist es auch bei der todesstrafe; man begeht eine tat, bringt jemanden um, weil man emotional irgendwie aufgewühlt ist. man macht es impulsiv (ich gehe jetzt nicht von geplantem mord aus, das ist wohl doch in hinblick auf mögliche strafen).
warum sonst soll die todesstrafe nicht abschreckend wirken, was ja erwiesen ist?
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#43
@Biber
Auch mit der Gefahr, dass wir uns im Kreis bewegen, antworte ich dir nochmal länger - denn ich weiß immer noch nicht genau, wozu du mit welchen Argumenten Stellung beziehst Tongue
Allerdings glaube ich schon, dass wir größtenteils der selben Meinung sind. Es wird jedoch immer abstrakter, und darauf braucht man garnicht hinaus, wenn man sich nur auf die Todesstrafe einlassen will - diese ist meilenweit von anderen Strafmaßbeurteilungen entfernt. Ich bräuchte nicht meine gesamte Weltanschauung oder unser Rechtssystem in Frage zu stellen, um aus der Justiz etwas simples wie Rache-Elemente zu beseitigen. Dir zuliebe tu ichs zwar - möchte dies aber nur noch festhalten Tongue

Zitat:1. Bin ich persönlich (aus emotionalen Gründen) der Meinung, dass bestimmte Verbrechen mit dem Tod bestraft werden sollten? JA!
2. Bin ich der Meinung, dass eine juristische, objektive Instanz durch Tod strafen darf? NEIN!

Na, das schrieb ich doch vorher lang und breit.
Wegen diesem Prozentgedudel will ich jetzt aber was konkretes hören. Ansonsten reden wir umeinander rum, meinen aber das gleiche.

Wenn Hitler überlebt hätte und vor Gericht gestellt werden würde - würdest du jetzt FÜR oder GEGEN die Todesstrafe plädieren? Wäre deiner Meinung nach die Todesstrafe als juristisches Verfahren richtig?

Wenn nein, hat sich das ganze ja erledigt. Dann hätte ich dich in der Tat falsch verstanden und unsere Meinungen wären sich sehr nah. Dann versteh ich aber nicht die lange Ausführung über Adolf und WTC, wenn du eh nicht das Threadthema "Todesstrafe als juristische Anwendung" meinst, sondern deine persönlichen Gefühle, die wohl jeder mit dir teilt.

Zitat:Und „The Green Mile“ stimmt mit dem ersten Punkt überein, oder verurteilt jemand Coffeys Tat an dem wahren Mörder? Hat jemand während der Lektüre des Buches oder beim Sehen des Films gedacht: „Was tut der denn da? Das ist ja ethisch völlig unvertretbar! Coffey ist bei mir unten durch!“? Wahrscheinlich nicht und darin sehe ich einen deutlichen Beleg für den ersten Punkt.

Hier geht es jedoch wieder auseinander... und gehört eigentlich zum Green Mile-Thread, aber egal Tongue
Jedenfalls mag der eine oder andere The Green Mile ja als schönes Buch zur Unterhaltung empfinden, aber als Plädoyer gegen die Todesstrafe versagt es in mehrerer Hinsicht.
Natürlich kannst du hier in die bekannten 2 Punkte ("rational/emotional") einteilen - das geht sehr leicht, weil es Standard ist. Nur ein wirklich gutes Werk schafft es, über die vernünftigen, rationalen Argumenten hinaus (wie das oberflächlichste: Unschuldige können dabei sterben) auch auf dem emotionalen Weg (Punkt eins) zu überzeugen, dass die Todesstrafe bei egal welchen Verbrechen unangebracht ist - weil es auch eine Sichtweise des Mörders gibt, der in einer anderen Welt lebt, und somit nicht einfach als "böse" abgestempelt werden darf, wie wir es immer tun.
Wie leicht ist es da doch, zu sagen: "Es können Unschuldige bei hopsgehen", und die natürlichen Gefühle völlig unangetastet zu lassen? Diese sympathisieren nach wie vor mit der Todesstrafe für den Mörder und wollen, dass er umgebracht wird. Das war seit eh und je so. Das Buch hat dies garnicht behandelt. Das kann ihm nun wirklich nicht als Leistung angerechnet werden ("schaut mal, wir finden hier Punkt eins wieder!").

Es ist eher anders herum. Coffeys Handeln wird als das "richtige" angesehen. Coffey übernimmt als irdischer Deligierter Gottes (siehe Gabe) und auch als Deligierter der (fehlerhaften) Justiz die Aufgabe, zu richten. Er ist genau das Gegenteil des normalen Menschen, der aus Racheempfinden handelt und somit "emotional" und "nicht objektiv" wäre. Er wirkt wie eine eigene Instanz, die die Guten heilt und die Bösen bestraft. Im Gegensatz zum Gericht könnte Coffey nie einen "guten" Menschen umbringen. Es ist von höchster Bedeutung, dass der Täter stirbt, weil die Allegorie göttlicher Gerechtigkeit ihn hinrichtet. Symbolisch wird also in allen wichtigen Bereichen die Todesstrafe legitimiert. Die tatsächliche Streitfrage, um die es geht - "Todesstrafe ethisch vertretbar" wurde thematisch vom Autor übergangen und metaphorisch mit "ja" beantwortet.

Jetzt zu den anderen Punkten:

Zitat:Das ist das Musterbild, aber vollkommen unmöglich. Denn auch unsere staatlich eingesetzten Institutionen wollen schließlich Gerechtigkeit schaffen und handeln dabei nach einer selbst aufgestellten Weltsystematik.

Natürlich ist es unmöglich. Das heißt aber nicht, dass es nicht angestrebt werden soll.

Zitat:Gibt es im Lauf der Natur etwas, dass dies belegt? Nein! Staatliche Institutionen handeln nicht nach „eigenen Überzeugungen“, aber nach Maßstäben, die irgendwann mehr oder weniger kollektiv (vom kulturellem Gerechtigkeitssinn ausgehend) willkürlich festgelegt wurden.

Vollkommen richtig Confusedweet
Allerdings bräuchte man sich hierfür garnicht zu tief in das Gefilde begeben, aus dem unsere Moralvorstellungen resultieren. Es ist klar, dass ein Mord mehr wiegt als ein Diebstal, weil bei einem Mord das Opfer mehr geschädigt wird (es verliert wortwörtlich alles, beim Diebstahl nur eine absehbare Menge). Dementsprechend ist die Tat "schlimmer" und die Strafe härter. Wir können, wie ich schon schrieb, nicht die Wertigkeit eines Menschenlebens beurteilen - aber das Ausmaß seiner Tat.

Zitat:Aber ich denke, dass ich weiß was du meinst: nämlich die individuell-emotionale Gerechtigkeitsvorstellung, die sich über die institutionell geregelte hinwegsetzt, stimmts?

Öhm... Weiß ich nicht :mrgreen:
Die "institutionell geregelte" Gerechtigkeit ist in diesem Begriff ja nicht definiert, und diese dürfte zu Beginn nicht als richtiges Maß genommen werden, siehe Amerika. Man will das eine ja noch aus dem anderen herausfiltern, kann also nicht in der Ausgangssituation beide trennen - sondern erhält dies erst als Endprodukt.
Allerdings glaube ich schon, dass wir das selbe meinen. So missverständlich wars ja auch nicht.

Zitat:Kurz gefasst: Nach deinem vorangestellten Zitat ist auch die staatliche Instanz theoretisch nicht berechtigt Urteile zu fällen.

Falsch. Richtig: Nach meinem vorangestellten Zitat ist die staatliche Instanz nicht berechtigt, über einen Menschen ein Urteil zu fällen (gut/böse). Über die Tat darf sie es und muss sie es, ansonsten gäbe es keine Gesetze.
In den anderen Bereichen hast du Recht: Diese Beurteilung liegt nie in der Waagschale und beinhaltet immer Kompromisse und Willkür. Die muss man nunmal eingehen. Da unsere Strafen Moral vermitteln bzw. aus dieser resultieren, sind sie natürlich immer subjektiv. Gesetz und Ethik müssen nun einmal Hand in Hand gehen, sonst würde die Bevölkerung rebellieren, und sonst hätte man keine Maßstäbe zur Bewertung.
Aber: Man beurteilt die TAT. Das dürfen wir. Wir dürfen jede Tat analysieren und sagen, ob diese zum Wohl aller führt (gute Tat), unbedeutend ist (individuelle Freihet der Lebensgestaltung) oder schadet (schlechte Tat -> endämmen). Das ist der Sinn von Gesetzen in einer Gemeinschaft, und das fällt nicht in den Kompetenz "Gottes" oder widerspricht nicht dem Bemühen nach einem neutralen Strafmaß. Wir verlassen nicht unser sicheres Standbein. Noch nicht. Und wir brauchen deshalb auch nicht unser Ziel nach Objektivität aufgeben. Wenn ich darüber hinaus jedoch beurteilen würde, ob ein menschliches Leben lebenswert ist, bewege ich mich in völlig anderen Sphären.

Zitat: Ne, Gio. Da gehen wir nicht konform. [...] Wenn schon die Todesstrafe nicht abschreckt, warum sollten andere („mildere“) Strafen abschrecken.

Öhm... Natürlich schreckt sie ab. Man kann bei Stephys Zitat fasthalten, dass sie nicht MEHR abschreckt als ein lebenslängliches Strafmaß. Bedeutet, dass ab einem gewissen Punkt die Konsequenz BEI BESTIMMTEN PERSONEN egal wird. Für alle anderen ist die Strafe sinnvoll. Du glaubst doch bestimmt nicht, dass wir ohne jegliche Bestrafung bei Mord trotzdem die gleiche Tötungsrate hätten. Insofern geht es nur um die Wahl der Strafmaßnahme, hart muss sie dennoch sein. Ganz abgesehen davon, dass wir ein zerstörerisches Element auf die Gesellschaft loslassen würden, wenn wir es nicht wegsperren.

Zitat:Klar, wenn Strafen einzig und allein dem Zweck der Erziehung dienen sollen, dann ist die Todesstrafe kein adäquates Mittel.

Das führt mich doch zu der Frage, welchen Sinn Strafen Deiner Meinung nach haben sollten.

Zitat:Klar, wenn Strafen einzig und allein dem Zweck der Erziehung dienen sollen, dann ist die Todesstrafe kein adäquates Mittel. Dann muss ich mich aber auch fragen, ob lebenslange Haft ein solches ist. (Achtung, es folgt ein hinkendes Beispiel [...]

Es hinkt in der Tat. Und zwar ziemlich. Da weiß ich garnicht, wo ich anfangen soll :mrgreen:

Ich habe das ganze schon beschrieben und will mich nicht wiederholen. Eigentlich müsstest es klar sein. Ich machs also nur sehr kurz.
(Vorweg: Erziehung hört sich immer wie "Missionierung" an. Ich meine damit "Gesellschaftsfähig machen", denn wir leben nunmal in Gesellschaften)

- Wer nie und von keiner Strafe abgeschreckt wird, muss von der Gesellschaft entfernt werden
- Wir haben die Mittel, für diese Entfernung statt auf Mord auf Isolation/Gefängnisse zurückzugreifen
- dieses Isolieren dient nicht der Vergeltung, sondern dem Schutz der Gesellschaft
- Man muss dem Täter dabei die Möglichkeit geben, über seine Tat nachzudenken (Bücher, Psychologen... da haben wir die Erziehung), 1. um sein sein Bewusstsein zu erweitern, alles andere wäre unmenschlich, 2. um ihn anschließend wieder in die Gesellschaft integrieren zu können. Denn
- Man sollte ihn, sobald keine Gefahr mehr besteht, er also "erzogen" ist, eigentlich unmittelbar frei lassen
- ...wenn nicht dagegen sprechen würde, dass somit das Strafmaß zu sanft wäre, um andere wiederum abzuschrecken. Konsequenter Weise muss also eingehalten werden, womit vorher gedroht wurde.

Zitat:Ich kaufe mir mein Straßenbahnticket nicht, weil ich Angst vor einem Bußgeld habe, sondern weil ich eine Dienstleistung in Anspruch nehme und deswegen auch dafür aufkommen muss.

Lass dir sagen, du bist ein außergewöhnlich guter Mensch :mrgreen:

Zitat:Wenn mir jemandes Sachen gefallen, dann nehme ich mir diese nicht einfach, aber nicht etwa weil ich Angst vor eine Strafe habe, sondern weil mein Gerechtigkeitssinn dies als Option ablehnt.

Ich hab nicht behauptet, dass wir Menschen roboterähnlich nur aufgrund von Strafen funktionieren - oder Sadisten sind, die ohne Gesetze übereinander herfallen würden. Natürlich haben wir alle eine Moral. Aber diese alleine reicht nicht - sonst brauchen wir keine Gesetze. Denn würde unser Rechtssystem abgeschafft werden, würden wir trotzdem im Anarchie-Chaos versinken. Jeder müsste sich zum Selbstschutz bewaffnen, denn der Staat (->Gesetze->Strafe) schützt einen nicht mehr.
Um es an deinem vorgegebenen Beispiel zu konkretisieren, bei dem ich anderer Meinung bin:
Die meisten Menschen kaufen ein Ticket bei der Bahnfahrt nicht wegen ihrer Moral, sondern weil es Kontrolleure gibt. Jedes andere Gesellschaftsmodell ist utopisch.

Zitat:Religiöse Motivation und der Glaube, richtig zu handeln sind kein Argument.

Doch, sind sie. Sie sind die allerwichtigsten Argumente überhaupt. Ansonsten leben wir wieder im Mittelalter.
Man kann zwei Sachen festhalten, die für die Beurteilung des Strafmaßes von Bedeutung sind:
- das Verbrechen. Bsp: es wurde ein Brot geklaut.
- Die Beweggründe. Bsp. 1) der Täter tat dies, damit seine halbverhungerte Tochter nicht stirbt. Bsp. 2) Der Täter tat dies aus Spaß, damit der Botbesitzer verhungert.
Das Verbrechen ist immer gleich. Und es war früher der einzige Richtwert, daher war das Strafmaß sehr undifferenziert. Für Brotklau gabs die Hand ab, Beweggründe waren egal.
Heute unterscheidet man. Warum wurde die Tat ausgeführt? War der Täter zurechnungsfähig (Drogen, Emotionen)? Was wollte er damit erreichen (Sadismus, Egoismus, Fanatismus, Freiheitskampf, Notwehr, Affekt, Trieb)?

Wenn du meinst, dass der Glaube, richtig zu handeln, kein Argument ist, beurteilst du meiner Meinung nach ebenso undifferenziert. Du kannst nicht einfach nur die Opfer am 9.11. zählen und dir anhand dessen ausmalen, wie "böse" die Täter waren. Da sie ihr eigenes Leben dafür gaben, kann man sich vorstellen, wie intensiv sie an das glaubten, was ihnen erzählt wurde. Wenn diese obskure Welt nun einmal als "wahr" angesehen wird, muss man versuchen, der betroffenen Person ein anderes Bild zu vermitteln und die Quelle, die diese gefährliche Welt erschafft, zu bekämpfen.

Zitat: Du kannst hier nicht mit zweierlei Maß messen. Ersetze die religiöse Motivation doch durch den Oberbegriff „Überzeugung“. Die einen handelten aus religiöser, die anderen aus ideologischer Überzeugung. Warum das anders gewertet werden sollte, ist mir nicht klar.

Absolut richtig. Wenn jeder Mensch von dem, was er tut, überzeugt ist, wie kann man diese dann grundsätzlich als "böse" einstufen? Das geht nicht. Das kann man zwar für sich persönlich machen, aber nicht vor Gericht. Auch nicht bei Hitler.

Und auf deine Frage, warum ich trotzdem die Verbrechen und Gemeinheiten unseres Adolfs von denen der Todespiloten unterscheide: Das tue ich rein emotional. Ich finde Hitlers Taten waren grausamer und weitreichender als die der Attentäter, er überschritt größere Grenzen und seine Begründung dafür war egoistischer. Ich setze ja auch die NS-Soldaten nicht mit Hitler gleich, obwohl diese über Städte mit Zivilisten Bomben abgeworfen haben. Genauer als so werde ich aber nicht auf die Gründe eingehen, weil im Vergleich zu Hitlers Verbrechen andere Taten humaner wirken - was diese also bagatellisiert. Das will ich nicht. Letztendlich ist es außerdem unwichtig für unsere Diskussion.

Zitat: Dem stimme ich zu, aber was wird an die entstehende Lehrstelle gesetzt? Eine andere Überzeugung, z.B. eine westlich geprägte. Warum sollten die denn aber richtiger sein?

In der Tat könnte man sich dies fragen. Braucht man ebenfalls nicht. Wir begründen unsere Gedanken aufgrund unserer Logik. Wir können unsere Moral rational vertreten. Dies kann der arme Herr, der nun bald eine Leerstelle im Kopf hat, nicht. Der beruft sich auf den da oben, der da ja wohl will, wie der andere da ja sagt, was er selber allerdings nie sah. Je weniger ich hingegen von irgendwelchen Aufträgen irgendwelcher Götter spreche, desto weniger subjektiv bin ich. Wir können nie vollkommen objektiv sein, sind aber in der Lage, uns auf kleinste Nenner, egal welcher Religion, zu einigen, weil diese unsere Vernunft mit rationalen Argumenten belegt. Und dafür muss man keinem Araber den American Way vom Life aufzwingen, sondern sich losgelöst von jeder Religion und übergeordneten Überzeugung fragen, wie das Leben auf dieser Welt möglichst friedlich und gerecht laufen kann. Dafür kann man garantiert auch noch an unseren aktuellen Gesetzen rumschnibbeln. Dieser Bemühung kommen sie jedoch - vor allem im direkten Vergleich mit anderen Ländern - relativ nahe.

Nun versuche ich aber mal, mich trotzdem auf deine Frage einzulassen, meine Antwort auch unvoreingenommen zu begründen und somit meine ethischen Grundlage und Überzeugungen ersteinmal in Frage zu stellen. Dann könnten wir endlich die gesamte "was ist denn Objektiv"-Philosophiererei außerhalb des für uns bedeutsamen vergessen, festhalten, dass der Gedanke nach der Todesstrafe dem Sinn und Zweck von Justiz in allen Bereichen widerspricht, wie ich es im Beitrag davor beschrieb, und uns darauf konzentrieren, welchen Sinn Strafen Deiner Meinung nach haben können Tongue

Also:

Nach kurzer Überlegung glaube ich, dass folgendes Ziel:
friedliche Zusammenleben aller mit der größten Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit für jeden
schon per se Objektivität beinhaltet, weil man von dieser Basis ausgehend gezwungen wird, alle Meinungen und Verhaltensweisen miteinzubeziehen und jede Subjektivität zu jeder Zeit auszublenden - es geht nicht um das Wohl einer bestimmten Person, sondern aller, in gleichen Maßen, mit der Freiheit, alles zu tun. Alles aus ihr Folgende wird neutral sein, denn die Definition von "Friedlich" und von "Freiheit" ist festgelegt und ihre Umsetzung messbar. Alles, was daraus NICHT folgen kann, muss Zeugnis von subjektiven Wertevorstellungen sein, denn nur egozentrische und somit unobjektive Verhaltensweisen würden dagegen verstoßen.
Somit braucht man sich um die Subjektivität bei den Erzeugnissen dieses Leitsatzes keine Sorgen machen - Fehler würden nicht aufgrund des Leitsatzes resultieren, sondern nur aus menschlichem Versagen bei der Umsetzung (siehe Todesstrafe in Amerika Tongue). Das einzige kritisierenswerte wäre der Leitsatz selber, DORT setze ich schließlich mit meiner eigenen Meinung und Weltvorstellung an - ich behaupte, dass dieses Ziel ("Frieden", "Freiheit") das erstrebenswerteste ist, und nichts anderes. Das scheint natürlich subjektiv, man hätte auch ein anderes Ziel wählen können. Doch die Vorraussetzung bei unserer Diskussion war, dass das Ziel objektiv sein muss (statt von meiner subjektiven, anerzogenen Moral gefärbt), und ich wählte ein Ziel, das durch sich selber Objektivität diktiert und alle anderen Ziele ebenfalls zulässt. Als etwas Objektivität-Schaffendes erklärt es sich selber somit als wertungslos, gibt aber durch seine in sich enthaltene Vorgabe eine Basis mit genügend Richtlinien für die gesamte Gesetzesgebung und für die Schaffung eines Moralkodexes.
Somit sind meiner Meinung nach alle Aufgaben erfüllt, die unter der Prämisse, Objektivität zu schaffen, erfüllt werden können, ohne andere Ziele, die mir in meiner Subjektivität nicht wichtig erschienen, zu behindern. Nur die Prämisse selber darf ich hier nicht anzweifeln, also den Gedanken, ob Objektivität als Ziel nicht subjektiv ist, denn dies käme einen Magen gleich, der sich selbst verdaut. Da brauchen wir es nur mit Descartes zu halten: "Wenn ich an allem Zweifel, kann ich doch nicht daran zweifeln, dass ich an allem zweifel". Auf Giolinisch: "Wenn ich nach einer objektiven Wertevorstellung strebe, kann ich doch sicher sein, dass dieses Bestreben nicht Resultat einer subjektiven Wertevorstellungen ist".

Weiß nicht, ob dich das Zufrieden stellt. Ich hoffe es einfach mal. Und werde nun schlafen gehen, bevor ich mich selber verwirre :mrgreen:
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#44
Puh...ich dachte drei Seiten Verlauf lesen wär nicht viel. Naja, ich geb zu: Ich hab ab und zu gepfuscht und die Texte nur überflogen (sorry!). Trotzdem erlaube ich mir meinen Senf dazu abzugeben:
Also, zwischendurch kam die Frage auf, ob darüber überhaupt diskutiert werden sollte. Ich finde:ja! Dass sie in Deutschland abgeschafft worden ist, ist doch gerade ein Grund um darüber zu sprechen! Wenn es Menschen gibt, die dafür sind, sie wieder einzuführen, ist es doch ziemlich aktuell, oder nicht? Ich persönlich stehe dazu wie anscheinend die meisten hier: mit geteilter Meinung. Ich werde das jetzt nicht mehr erläutern weil alle Gründe diesbezüglich schon genannt worden sind, und deshalb gehe ich auch direkt zu einem anderen Punkt über: Die Art der Todesstrafe. Ich meine die verschiedenen Wege: Elektrischer Stuhl, Galgen, Gaskammer, Erschießung, und ganz besonders: die Giftspritze. Wenn eine Todesstrafe angemessen sein sollte (tut mir echt leid dass ich einfach mal von dem Fall ausgehe und somit einige von euch vielleicht ausschließe Ohhh , aber ich muss das einfach geklärt haben), wäre dann die der Giftspritze nicht viel zu human? Ich meine, wenn der Verurteilte sowas richtig übles gemacht hat, deshalb sterben soll und nach 5 Minuten tot ist (und vielleicht noch nicht mal was gespürt hat)... ist das denn Sinn der Sache? Da sterben andere (unschuldige) Menschen aufgrund von Krankheiten u.ä. grausamer. Ich würde wetten, dass, könnte man die Verbrecher nach dem Tod befragen, die, die von der Giftspritze "getötet" wurden, sich kaum bestraft fühlen. Und das ist doch der Grund, oder? Strafe. Oder vielleicht eher, dass die Menschheit sich vor diesem Menschen nicht mehr fürchten muss? Das könnte man auch wiederum mit wegschließen erreichen. Und es wäre auch 'ne Strafe... aber ich weiß einfach nicht, ob es für Verbrecher nach einem Jahr oder so überhaupt noch eine Strafe ist, im Knast zu sein. Weil, dann hat er dort vielleicht sogar schon Freunde gefunden (und, wie vorher schonmal jemand sagte: die ganzen Mittel die die da zur Beschäftigung haben, Bücher etc.) und eventuell ein ganz bequemes Leben... naja, ihr seht, ich hab keine Ahnung ob ich dafür oder dagegen bin. Aber was sagt ihr denn zu der Art der Todesstrafe?
LG, Kuss Henny
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#45
Also, ich finde das ist schwer zu beanworten.
Einerseits müsste es um Strafe zu sein ein gfrausamer Tod sein, allerdings hat sowas niemand verdient, es spräche gegen die Menschenrechte und der vollziehende Staat würde sich dadurch auf gleiches Niveau mit grausamen Mördern begeben.
Mal eine kleine Stellungnahme zu den einzelnen Arten des Todesstrafe...
Strick:
Kann grausam werden, wenn derjenige nicht genug Schwung hat und sich durch das Fallen nicht das Genick bricht sondern langsam erstickt.
Elektrischer Stuhl:
Spätestens seit The Green Mile weiß man was passieren kann.
Noch dazu werden oft mehrere Stromstöße gebraucht um einen Menschen zu töten und der Tod kann auch erst festgestellt werden wenn das Opfer abgekühlt ist.
So kam es schon oft vor,dass die Verurteilten nach dem ersten Stoß noch leb´ten und einige Minuten mit schwersten Schmerzen auf dem Stuhl saßen bevor sie durch den nächsten oder manchmal auch erst fünften Stromstoß getötet und somit erlöst wurden.
Erschießen:
Eigentlich sehr human (wenn man in dem Zusammenhang dieses Wort überhaupt benutzen sollte), aber auch nur wenn man den Verurteilten mit einem gezielten Schuss tötet - dies kann durch wenige Millimeter Abweichung schon wieder ein Problem werden.
Gaskammer:
Oft halten die Verurteilten die Luft an, wodurch sie der tödlichen Dosis entweder ganz entkommen oder eben eine Dosis inhallieren, die wiederum zu einem verlängerten Leidensweg führt.
Auch kann eine ungenaue Abmessung der Edukte (die erst in einer Schale unter dem Stuhl in der Kammer zu dem tödlichen Gas reagieren) zu einer Folter führen.
Eine zu geringe Dosis führt oft zu Krämpfen und starken Schmerzen.
Außerdem sind die Gaskammern oft alt und nicht mehr ganz dicht, was die Gasmischer,Wärter und Zuschauer in große Gefahr bringen könnte.
Giftspritze:
Hier werden drei Injektionen nacheinander durchgeführt.
Die erste ist ein sehr schnell und stark wirkendes Narkotikum, die zweite und dritte führen zu Herzstillstand und dem aufhören der Atmung.
Hört sich ganz human an, aber die erste Injektion wirkt nur etwa 5-10 min und so kam es schon vor, dass die Verurteilten während der prozedur wieder zu Bewusstsein kamen, was gefolgt war von einem 45min andauernden qualvollen Erstickungstod

Also ich könnte nicht sagen,welche Todesstarfe am brutalsten oder humansten ist, da bei allen Arten viele Fehler gemacht werden, was die in der Theorie sehr humanen Strafen zu Höllenqualen machen.
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