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Harry-Potter-Verfilmungen
#94
Sehe es ähnlich. Der Film war ein Musterbeispiel für cineastische Dualität. Absolut zwiespaltiges Werk. Gleichzeitig fabelhaft und doch oberflächlich; liebevoll und doch herzlos.
Das ganze beginnt schon bei den Schauspielern.
Mad Eye Moody war perfekt. Ich hatte ihn mir anders vorgestellt, aber die schauspielerische Leistung überzeugte so sehr, dass alles alte verworfen wurden. Im Gegensatz zu anderen Darstellern brauchte er am wenigsten Zeit, um mich zu überzeugen, trotz der großen Differenz. Das will was heißen.
Ron nahm direkt gefangen, egal wie schlecht nachvollziehbar seine - vorlagenbedingten - Gefühlsausbrüche waren. Frisur, Kleidung, Stimme waren gut gewählt, und Witze allein durch seine atmosphärische Darstellung lustig.
Voldemort wurde endlich mal interessant. Dieser ansich langweilige Dauerseufzer, der alle Bücher durchflattert, schon im ersten Teil sein Verfallsdatum überschritt und wie ein freudsches Pottersyndroms-Evergreen mit Kindheitserinnerung und 08/15-Identitätssuche-Verursacher wirkt, bekommt durch Ralph Fiennes nun endlich, endlich Charakter. Ganz im Gegensatz zu den Büchern, daher einen zusätzlichen Pluspunkt. Nicht mehr nur "Böse" und "sagtmannicht", sondern intelligent, witzig, dürr, verrückt... böse-charismatisch. Nun wird der Zuschauer wenigstens nicht darauf hingewiesen, dass die Potter-Story einem unüberlegten Gedanken entsprang und ohne Voldemort haltlos ist, der sich selber noch auf Suche nach seinem Platz in der Zauberwelt befindet.
Neville wirkte optisch gut gewählt, Hagrid war sowieso knuffig. Der Potter-Charakter wird auch immer annehmbarer.
So, und dann? Dann werden einem Witzfiguren wie Krumm vorgesetzt. Was sollte der speckbackige Prollrusse, der ohne Bartwuchs aussähe wie Bubinazis in Deutschland? Groß und Bullig, der Siebtzehnjährige, spricht kein Wort, ist aber Rons Vorbild, Hermines Traummann, Potters Konkurrent und das beste, was die kaukasische Internatscrew zu bieten hat. Baby.
Cor de la Fleur spricht mit Akzent, ist deshalb nämlich eine Französin, und läuft mit "Aaaaah"-seufzenden Zicken und hoher Nase ein Jahr lang durch Hogwarts, ohne auch nur irgendwie aufzufallen. Ein Ein-Jahres-Besuch von Französinnen, ob mit oder ohne Hokuspokus, wäre überall spannender verlaufen als hier. Das ganze könnte man mit gutem Willen maximal als Fan-Bonus werten, damit sich hardcore-Potters noch Gedanken nach dem Kino machen können, wenn sie Langeweile und viel Fantasie haben.
Wer sollte die „Cho“ sein? Das nette Mädchen von neben an, dass durch ihre nichtssagende Ausstrahlung Potters Gefühle erregt? Potter sprach nicht nur kein Wort mit ihr, er sieht sie außerdem kaum, verteilt mans auf ein Jahr. Trotzdem stottert er in ihrer Gegenwart. Ist sie das einzige Mädchen, das sich nicht „Potter stinkt“ auf die Bluse stickt, wenn er mal wieder wegen irgendwas auserwählt ist? Oder gibt’s gar keinen Sinn, und nach Hermine war es nur das erste Mädchen, mit dem er in Kontakt trat? – Wir erinnern uns an die Zugszene am Süßigkeiten-Wagen. Hat Malfoy Potter mit einem miesen Armor-Zauber belegt und lacht sich jetzt ins Fäustchen?
Und da wären wir auch schon beim Sinn. Hermine ist verknalllt, Potter ist verknallt, und die Aussage dahinter lautet: Hermine ist verknallt, Potter ist verknallt. Das gehört zu einer Internatsgeschichte.
Egal, wer den Gegenüber stellt. Ebenso das Thema ansich. Schön, dass wir es angeschnitten hätten.
Die Zauberwelt hat keine klare Struktur. Das ist nicht positiv gemeint, ich meine kein Potential für Gedankenfreiheit. Sie ist unausgegoren.
Klar, es gibt da diesen Feuerkelch, gabs schon immer, und wenn er einem den Namen vor die Füße rotzt, ist man nicht nur wahnsinnig toll, sondern auch auserwählt. An den antiken Gladiatorenkämpfen, halt nur mit Minderjährigen, können sich dann alle ergötzen. Die Vierzehnjährigen kommen in Situationen, sich auszusuchen, welchen ihrer Freunde sie opfern, und wenn sie beide retten – was niemand erwartet, alle denken, dass einer stirbt – sind sie ein moralisches Vorbild unter der dekadenten Gesellschaft.
Oder sie werden von Drachen eventuell zermatscht. Niemand darf helfen, und trotzdem hilft jeder – wodurch klar wird, dass der tolle Feuerkelchcontest, der Ruhm auf Ewig bringt, nix über Leistung aussagt. Denn man braucht weder Zauberkünste, noch Wissen, noch Cleverness, man braucht nur ordentlich zu spicken. Außerdem durch Zufall den unmenschlichen Gefahren entkommen.
Dann gibt’s da noch die Zaubersprüche, die immer hilfreich sind, wenn nichts mehr klappt und es doch voran gehen muss. Ist man unter Wasser und wird von Killertintenfischminiaturmonstern angegriffen, kann man, nach zwei Minuten Strampelaktion kurz vorm Tod, den Stab benutzen und sich an die Oberfläche beamen. Grapschende Wurzeln kann man ebenfalls im letzten Moment futsch machen. Eigentlich kann man alles, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, durch unerklärliche Gründe passiert das nur nicht immer.
So wechselt die gesamte Potter-Welt zwischen einer völlig phantastischen und einer irdischen hin und her. Was bei Ungereimtheiten wie den Zaubersprüchen große Probleme bereitet.

Natürlich hats auch Vorteile: Man sieht satirische Übertragung des „Muggel“-Alltags auf die Zauberwelt, in der sensationsgeile Journalisten plakative Artikel schreiben. Zauberunterricht bereitet den Schülern die selben Probleme mit Lehrern wie jedem normalen Kind. Auf fliegenden Besen statt auf Inlinern wird Sport betrieben. Die Bäder ergeben beim Wassereinlassen ein Farbspiel, gezogene Lose sehen aus wie echte Drachen. Man braucht keine Tagebücher oder Diktiergeräte, sondern saugt sich Gedanken direkt aus dem Kopf. Toll, diese Phantasien, Toll auch die cineastische Umsetzung. Der starke Einfluss der Romantik ist geglückt, Drachen, Burgen, Pergamentpapier, Bälle, Traditionen, Mittelalter… all das schafft Roling in ihren Büchern nicht zu vermitteln. Der Film demonstriert, wieviel Spannung allein dadurch zu holen ist. Gute Umsetzung der Ideen und eigenes Gestalten der Atmosphäre.
Der Rest nur, die Hälfte der Charaktere oberflächlich, das Jahr, das wie ein Monat wirkt, fehlende Struktur und Tiefe... da erkennt man das schon angesprochene Merchandising-Produkt.
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