28.11.2006, 17:11
Danke, biber. Endlich ein bisschen Pepp :mrgreen:
Was ins reine Deutsch gesprochen doch eigentlich "pro Todesstrafe" bedeutet, oder?
Durch Deine Erläuterung geht für mich hervor, dass du diese 95 Prozent nicht auf die Standhaftigkeit deiner Meinung beziehst, sondern auf die Täter, bei denen keine Todesstrafe angewendet werden soll. Bedeutet, sie ist nicht obligat, sondern eine alternative Strafmaßnahme bei Mord. Sie wird nicht zwangsläufig angewendet, aber in Einzelfällen.
Genau so läuft es in Amerika. Nicht jeder Mörder wird automatisch hingerichtet, man kann begnadigt werden, man kann lebenslänglich bekommen etc. Entscheidend sind wohl auch hierbei Faktoren wie Zurechnungsfähigkeit, Schwere der Tat usw.
Wobei "The Green Mile" für mich nicht unbedingt ein beispielhaftes Buch gegen die Todesstrafe ist - Es geht um ein mögliches Fehlurteil, also menschliches Versagen, und nicht um die Sache selber: Todesstrafe bei Mord. Somit kritisiert es für mich mehr die (fehlerhafte) Umsetzung als die dahinterliegende Ethik.
Abgesehen davon SPOILER richtet Coffey (hab keine Ahnung, wie er geschrieben wird) selber durch seine "göttliche Gabe" den wahren Mörder, der daraufhin stirbt - also doch wieder Tod als gerechte Bestrafung. War von King wohl nicht so gemeint, entreißt dem Standpunkt des Buches bei der Thematik aber den Boden unter den Füßen.
Ne du, falscher Gedankengang
weet
Da werden grad völlig verschiedene Sachen in einen Topf geworfen. Und mit Religion verpanscht. Gerade diese will ich raushalten, da es hier um Justiz geht. Und ein Gericht darf nicht nach religiösen Motiven urteilen.
Zuersteinmal: Was definierst du als Gerechtigkeit?
Können wir nicht grundlegend festhalten, dass das Leben in all seinen Facetten ungerecht ist? Im Kreislauf der Natur gibt es kein "richtig" und "falsch", kein "gut" und kein "böse", keine Moral. Es ist vom Leben ungerecht, dass eine herzensgute und bis zur Aufopferung liebende Mutter in Afghanistan ihr 3-jähriges (und somit in sogut wie allen Bereichen unschuldiges) Kind bei einem Bombenangriff verliert, während KZ-Arzt Mengele Jahrelang bestialische Versuche ausüben durfte, und erst beim Schwimmen in Brasilien im Alter von 68 Jahren an etwas barmherzigen wie einem Schlaganfall starb, ohne dass er sich je hatte für seine Tat verantworten müssen. Selbiges spielt sich überall auf der Welt ab. Auch bei unpolitischen Themen. Krankheit. Unfall.
Doch jeder Mensch hat einen Gerichtigkeitssinn, etwas ganz wunderbares, dass zu so etwas wie Moral, Ethik und damit auch zu Achtung, Respekt und Gleichberechtigung führt.
Dieser Gerechtigkeitssinn sagt sich verständlicher Weise, dass soetwas nicht angehen kann. Und deshalb sucht man eine Gegenkraft.
Da gibt es dann bei den Juden, Christen und Muslime das Paradigma Himmel/Hölle. Da oben, nach dem Tod, wird dann Gerechtigkeit kommen. Da wird Leid zurückgegeben, und unbegründetes Leid/gute Taten mit dem ewigem Glück belohnt. Die Hindus glauben, dass man dafür im nächsten Leben in eine niedrige Kaste geboren wird und allein dadurch schon bestraft ist (was zu der Abartigkeit führt, dass jeder Mensch einer niedrigeren Schicht schon von Geburt an als etwas weniger lebenswertes betrachtet wird, weil er ja vedient hat, arm zu sein), und die Buddhisten glauben, dass man sich damit vom Nirvana entfernt (aber wenigstens nicht bestraft wird).
Nun gibt es dann noch einige Atheisten, die meinen, ihrer eigene Nicht-Religion trotz allem einen religiösen Stempel aufdrücken zu müssen, und da es keine bestrafende Hölle gibt, muss man sie eben selber auf der Erde herbeizaubern. Alle anderen Religionen können sich dabei freuen, denn was Gott nach dem Tod zu tun pflegt, kann doch im irdischen Sein nicht falsch sein.
Für mich ist der Gedanke an Gerechtigkeit, die man SELBER durch Vergeltung ausüben will, entweder:
- emotional, weil man sich als Betroffener benachteiligt fühlt und nach subjektivem Empfinden Gerechtigkeit schafft (führt zur Selbstjustiz)
- oder ideologisch, weil man fälschlicher Weise RELIGIÖSE ASPEKTE in etwas völlig unreligiöses wie ein Gericht einfließen lässt. Jeder, der sich anmaßt, zu bestrafen, "Leid" zu verteilen, "Gerechtigkeit" auf der Welt zu schaffen (nicht, in dem er etwas Gutes tut, sondern, indem er bestraft), handelt nach seinen eigenen Überzeugungen von einer "übergeordneten Gerechtigkeit", und diese entspricht nunmal nicht dem neutralen Lauf der Natur, sondern einer selbst aufgestellten Weltsystematik. Man erfindet sein eigenes Weltbild, in dem - Achtung! - auf eine schlechte Tat auch etwas schmerzliches als Revanchierung folgen muss, damit die "richtige" Ordnung herrscht.
Das ist Fanatismus.
Das ist das Himmel-Hölle-Prinzip als Miniaturmodell.
Es ist der eigene Gedanke an eine "überirdische" Gerechtigkeit, die auch im irdischen angestrebt werden muss. Damit legitimiert man Folter und Hinrichtungen. Damit legitimiert man jede Grausamkeit, im kleinen wie im großen. Der Gedanke ans Bestrafen ist aufs tiefste verbunden mit Ideologie.
Natürlich ist dieser "Fanatismus" verständlich, aber er hat so rein garnichts mit den Kompetenzen einer staatliche eingesetzten Institution zu tun. Diese darf nicht den Allmächtigen spielen. Jeder, der sich aufschwingt, anderen Leid zuzufügen, um das kleine Himmel-und-Hölle-Spiel auch auf Erden zu spielen, handelt NICHT rational, NICHT emotionslos, NICHT unparteiisch, NICHT unpersönlich, NICHT objektiv. Er tut genau das Gegenteil und will seinen Glauben, wie der überirdische Hase zu laufen hat, über die Welt bringen. Genauso wie marodierende Christen bei den Kreuzügen, nur dass diese nicht so scheinheilig waren, ihre ideologische Intention zu verbergen.
Eigentlich sollte man aber weit genug sein, um sich mit Gesetzbüchern in einem Land, das Religion und Staat trennt, nicht mehr als Mini-Jahwe behaupten zu wollen.
Nocheinmal: Die persönlichen Vorstellungen davon, was eine gerechte STRAFE ist, hat sich absolut niemand herauszunehmen. Strafen dienen EINZIG UND ALLEIN dem Zweck zu erziehen, NIEMALS, zu richten. Strafen machen den Menschen deutlich, dass die Konsequenz aus einer Tat so unangenehm ist, dass sie sie lieber nicht begehen, und somit die gesellschaftliche Struktur, oder die Freiheit (oder das Leben) anderer nicht gefährden. Alles, was aber die eigenen Bauchschmerzen wegen den Bösen Menschen in der Welt beruhigen soll und diese Gerechtigkeitsquatschtitulierung beinhaltet, sind nichts anderes als Rachegelüste - sei es, dass man sie nun persönlich ausübt, oder der Staat.
Und man kann mir nicht erzählen, dass die Strafe, getötet zu werden,ein erzieherischer Auftrag ist, denn der Täter mag dann zwar Asche oder Sarginhalt sein, aber garantiert nicht gut erzogen.
Um es ganz objektiv zu halten: Es gibt keine "bösen Menschen". Nur böse Verhaltensweisen, die es einzudämmen gilt. Etwas so misanthropisches wie die Hölle ("zuführen von Leid, wer es verdient"), die auf einem ignoranten Schwarzweißschema stuft, kann nicht in einem Rechtsstaat regieren. Sowas gab es mal... die ersten schriftlichen Gesetze nach Hammurapi waren die zehn Gebote, später galt die Bibel als Richtmaß. Und es mag alles äußerst fortschrittlich gewesen sein. Trotzdem wurde immer nach dem Gedanken gerichtet, was GOTT für richtig hält. Diese Systematik beruht nun einmal auf guter Mensch - böser Mensch, belohnen - quälen. Darin ist das Element der "Vergeltung" enthalten. Die meisten Religionen bekamen, mal frei in den Raum geworfen, vor allem aufgrund dieses Elements großen Zulauf. Heute wird es nur nicht mit einem Gott drumrum verkleidet. Wäre Theologie eine Kunst, würde man das wohl "Simplizismus" nennen, oder auf die Fantasielosigkeit der Jugend zurückführen :mrgreen:
Und jetzt zu deiner Folgekette.
Weil ich mich nicht als irdischer Richter aufspielen will, muss ich alles weltliche Geschehen als unantastbaren, göttlichen Willen ansehen? Falsche Konklusion. Aus meinem Gedankengang folgen keinesfalls Anarchie, zaubernde Katzen (
) Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung. Ich bin weit davon entfernt, den Lauf oder die Systematik der Natur, weil vorhanden, unbeeinflusst zu lassen. Natürlich darf man die Welt "gerechter" machen - indem man sie verbessert, indem man Leid lindert oder garnicht erst zulässt. Indem man Gutes belohnt. Nicht aber selber Leid nach gutdünken verteilt, damit bei der Schmerzdistribution ein Gleichgewicht herrscht.
Ich umschiffe den von dir beschrieben Kreislauf äußerst problemlos, indem ich einfach "Erziehung" und "Missionierung" nicht gleichsetze. Man kann nämlich strikt zwischen eigenem Weltbild und gesellschaftlichen Regeln zur friedlichen Koexistenz unterscheiden - zweiteres ist schließlich der Existenzzweck von Gesetzen.
Daraus schließe ich: Alles, was als Intentionen nicht eine "angemessene Erziehungsmaßnahme" zum Ziel hat, sondern eine "gerechte Bestrafung", ist ein Euphemismus für "Rache". Da diese zwangsläufig emotional ist, darf sie nicht von einer Instanz mit Objektivitätsanspruch ausgeführt werden. Das dürfen nur Puritaner machen. Und Christen. Und Muslime. Die alle können es mit ihrem Glauben vertreten. Die haben wenigstens Argumente.
Dann würde mein Bauchgefühl laut aufschreien. Dann wär ich sauer.
Und? Was hat das für eine Relevanz bei der Ausübung von Gesetzen? Diese dürfen NICHT von Emotionen bestimmt sein.
Und warum ein so fernes Beispiel nehmen? Bei dem Tod meines Kindes wäre ich noch sauerer. Ich würde sogar eine Waffe in den Gerichtsaal nehmen und dessen Mörder erschießen. Dann richte ich. Dann spiele ich Gott. Dann bin ich emotional. Das ist vollkommen legitim, weil ich menschlich bin. Und ich könnte meine Tat mit GUTEM Gewissen vertreten.
ABER:
Dann beruf ich mich auf meine EMOTIONEN. Ganz im Gegensatz zu einer Instanz. Wie sollte etwas, das emotional handelt, somit SUBJEKTIV ist, die Vollmacht haben dürfen, über das Leben anderer Menschen zu entscheiden?
In mir auch. Ich nehme aber nicht meine persönlichen Rachegefühle als Maß aller Dinge :mrgreen:
Das Beispiel halte ich für fehl am Platz. Hitler, Mao, Stalin... Okay. Dann weiß ich, worauf du hinauswillst, auch wenn wir geteilter Meinung wären. Aber die?
1. Ich glaube sehr wohl, dass sie Reue empfinden können
2. Ich finde durchaus, dass sie es verdient haben, am Leben zu bleiben (im Gegensatz zun Hilter & Co.)
Warum? Die Tat war religiös motiviert. Somit ging es ihnen nicht darum, anderen Menschen schaden zuzufügen. Sie dachten, sie würden richtig handeln. Allah will es so. Sie würden die Welt retten.
Jemand, der glaubt, richtig zu handeln, ist nicht böse, sondern verwirrt. Wenn dieser Glaube aus seinem Umfeld, Erziehung, Religion resultiert, wurde er anerzogen. Das wurde er definitiv, oder warum sonst waren "zufälliger Weise" alles Muslime aus dem Orient? Wer einen glauben anerzogen bekommt, dem kann man ihn auch wieder aberziehen. Diese Menschen haben nicht gefoltert. Die haben nur gemeint, dass der Zweck die Mittel heiligt, und es keine anderen Mittel gäbe. Jemand, der meint, mit dem Töten von Menschen die Welt zu verbessern, wünsche ich nicht den Tod, sondern er tut mir leid.
Was in keinem Fall bedeutet, dass ich die Rachegedanken der Opfer nicht verstehen kann oder die Tat gutheiße. Trotzdem: wie Zurechnungsfähig ist jemand, der in seinem Weltbild glaubt, das richtige zu tun, und es nicht besser weiß? Wenn ich von etwas so überzeugt bin, dass ich SELBER dafür in den Tod gehe, kann man mir eine riesige Portion Dummheit vorhalten. Und das falsche Verständnis von Moral. Aber nicht, dass ich von Grund auf ein schlechter Mensch bin.
Zitat:Tendenziell bin ich gegen die Todesstrafe. Sagen wir mal zu 90%, vielleicht auch 95 Prozent
Was ins reine Deutsch gesprochen doch eigentlich "pro Todesstrafe" bedeutet, oder?
Durch Deine Erläuterung geht für mich hervor, dass du diese 95 Prozent nicht auf die Standhaftigkeit deiner Meinung beziehst, sondern auf die Täter, bei denen keine Todesstrafe angewendet werden soll. Bedeutet, sie ist nicht obligat, sondern eine alternative Strafmaßnahme bei Mord. Sie wird nicht zwangsläufig angewendet, aber in Einzelfällen.
Genau so läuft es in Amerika. Nicht jeder Mörder wird automatisch hingerichtet, man kann begnadigt werden, man kann lebenslänglich bekommen etc. Entscheidend sind wohl auch hierbei Faktoren wie Zurechnungsfähigkeit, Schwere der Tat usw.
Zitat:und natürlich „The Green Mile“ (wundert mich, dass das Buch hier noch keine Erwähnung fand )
Wobei "The Green Mile" für mich nicht unbedingt ein beispielhaftes Buch gegen die Todesstrafe ist - Es geht um ein mögliches Fehlurteil, also menschliches Versagen, und nicht um die Sache selber: Todesstrafe bei Mord. Somit kritisiert es für mich mehr die (fehlerhafte) Umsetzung als die dahinterliegende Ethik.
Abgesehen davon SPOILER richtet Coffey (hab keine Ahnung, wie er geschrieben wird) selber durch seine "göttliche Gabe" den wahren Mörder, der daraufhin stirbt - also doch wieder Tod als gerechte Bestrafung. War von King wohl nicht so gemeint, entreißt dem Standpunkt des Buches bei der Thematik aber den Boden unter den Füßen.
Zitat:Gio, nicht dass mir die Vorstellung missfiele, aber das würde dann auch implizieren, dass ein Verbrechen in den Kompetenzbereich Gottes, der Natur oder des Schicksals fiele. Dann müsste man jedes Verbrechen als göttlich (oder vom Schicksal) gewollt betrachten und dürfte nicht aufmucken.
Ne du, falscher Gedankengang

Da werden grad völlig verschiedene Sachen in einen Topf geworfen. Und mit Religion verpanscht. Gerade diese will ich raushalten, da es hier um Justiz geht. Und ein Gericht darf nicht nach religiösen Motiven urteilen.
Zuersteinmal: Was definierst du als Gerechtigkeit?
Können wir nicht grundlegend festhalten, dass das Leben in all seinen Facetten ungerecht ist? Im Kreislauf der Natur gibt es kein "richtig" und "falsch", kein "gut" und kein "böse", keine Moral. Es ist vom Leben ungerecht, dass eine herzensgute und bis zur Aufopferung liebende Mutter in Afghanistan ihr 3-jähriges (und somit in sogut wie allen Bereichen unschuldiges) Kind bei einem Bombenangriff verliert, während KZ-Arzt Mengele Jahrelang bestialische Versuche ausüben durfte, und erst beim Schwimmen in Brasilien im Alter von 68 Jahren an etwas barmherzigen wie einem Schlaganfall starb, ohne dass er sich je hatte für seine Tat verantworten müssen. Selbiges spielt sich überall auf der Welt ab. Auch bei unpolitischen Themen. Krankheit. Unfall.
Doch jeder Mensch hat einen Gerichtigkeitssinn, etwas ganz wunderbares, dass zu so etwas wie Moral, Ethik und damit auch zu Achtung, Respekt und Gleichberechtigung führt.
Dieser Gerechtigkeitssinn sagt sich verständlicher Weise, dass soetwas nicht angehen kann. Und deshalb sucht man eine Gegenkraft.
Da gibt es dann bei den Juden, Christen und Muslime das Paradigma Himmel/Hölle. Da oben, nach dem Tod, wird dann Gerechtigkeit kommen. Da wird Leid zurückgegeben, und unbegründetes Leid/gute Taten mit dem ewigem Glück belohnt. Die Hindus glauben, dass man dafür im nächsten Leben in eine niedrige Kaste geboren wird und allein dadurch schon bestraft ist (was zu der Abartigkeit führt, dass jeder Mensch einer niedrigeren Schicht schon von Geburt an als etwas weniger lebenswertes betrachtet wird, weil er ja vedient hat, arm zu sein), und die Buddhisten glauben, dass man sich damit vom Nirvana entfernt (aber wenigstens nicht bestraft wird).
Nun gibt es dann noch einige Atheisten, die meinen, ihrer eigene Nicht-Religion trotz allem einen religiösen Stempel aufdrücken zu müssen, und da es keine bestrafende Hölle gibt, muss man sie eben selber auf der Erde herbeizaubern. Alle anderen Religionen können sich dabei freuen, denn was Gott nach dem Tod zu tun pflegt, kann doch im irdischen Sein nicht falsch sein.
Für mich ist der Gedanke an Gerechtigkeit, die man SELBER durch Vergeltung ausüben will, entweder:
- emotional, weil man sich als Betroffener benachteiligt fühlt und nach subjektivem Empfinden Gerechtigkeit schafft (führt zur Selbstjustiz)
- oder ideologisch, weil man fälschlicher Weise RELIGIÖSE ASPEKTE in etwas völlig unreligiöses wie ein Gericht einfließen lässt. Jeder, der sich anmaßt, zu bestrafen, "Leid" zu verteilen, "Gerechtigkeit" auf der Welt zu schaffen (nicht, in dem er etwas Gutes tut, sondern, indem er bestraft), handelt nach seinen eigenen Überzeugungen von einer "übergeordneten Gerechtigkeit", und diese entspricht nunmal nicht dem neutralen Lauf der Natur, sondern einer selbst aufgestellten Weltsystematik. Man erfindet sein eigenes Weltbild, in dem - Achtung! - auf eine schlechte Tat auch etwas schmerzliches als Revanchierung folgen muss, damit die "richtige" Ordnung herrscht.
Das ist Fanatismus.
Das ist das Himmel-Hölle-Prinzip als Miniaturmodell.
Es ist der eigene Gedanke an eine "überirdische" Gerechtigkeit, die auch im irdischen angestrebt werden muss. Damit legitimiert man Folter und Hinrichtungen. Damit legitimiert man jede Grausamkeit, im kleinen wie im großen. Der Gedanke ans Bestrafen ist aufs tiefste verbunden mit Ideologie.
Natürlich ist dieser "Fanatismus" verständlich, aber er hat so rein garnichts mit den Kompetenzen einer staatliche eingesetzten Institution zu tun. Diese darf nicht den Allmächtigen spielen. Jeder, der sich aufschwingt, anderen Leid zuzufügen, um das kleine Himmel-und-Hölle-Spiel auch auf Erden zu spielen, handelt NICHT rational, NICHT emotionslos, NICHT unparteiisch, NICHT unpersönlich, NICHT objektiv. Er tut genau das Gegenteil und will seinen Glauben, wie der überirdische Hase zu laufen hat, über die Welt bringen. Genauso wie marodierende Christen bei den Kreuzügen, nur dass diese nicht so scheinheilig waren, ihre ideologische Intention zu verbergen.
Eigentlich sollte man aber weit genug sein, um sich mit Gesetzbüchern in einem Land, das Religion und Staat trennt, nicht mehr als Mini-Jahwe behaupten zu wollen.
Nocheinmal: Die persönlichen Vorstellungen davon, was eine gerechte STRAFE ist, hat sich absolut niemand herauszunehmen. Strafen dienen EINZIG UND ALLEIN dem Zweck zu erziehen, NIEMALS, zu richten. Strafen machen den Menschen deutlich, dass die Konsequenz aus einer Tat so unangenehm ist, dass sie sie lieber nicht begehen, und somit die gesellschaftliche Struktur, oder die Freiheit (oder das Leben) anderer nicht gefährden. Alles, was aber die eigenen Bauchschmerzen wegen den Bösen Menschen in der Welt beruhigen soll und diese Gerechtigkeitsquatschtitulierung beinhaltet, sind nichts anderes als Rachegelüste - sei es, dass man sie nun persönlich ausübt, oder der Staat.
Und man kann mir nicht erzählen, dass die Strafe, getötet zu werden,ein erzieherischer Auftrag ist, denn der Täter mag dann zwar Asche oder Sarginhalt sein, aber garantiert nicht gut erzogen.
Um es ganz objektiv zu halten: Es gibt keine "bösen Menschen". Nur böse Verhaltensweisen, die es einzudämmen gilt. Etwas so misanthropisches wie die Hölle ("zuführen von Leid, wer es verdient"), die auf einem ignoranten Schwarzweißschema stuft, kann nicht in einem Rechtsstaat regieren. Sowas gab es mal... die ersten schriftlichen Gesetze nach Hammurapi waren die zehn Gebote, später galt die Bibel als Richtmaß. Und es mag alles äußerst fortschrittlich gewesen sein. Trotzdem wurde immer nach dem Gedanken gerichtet, was GOTT für richtig hält. Diese Systematik beruht nun einmal auf guter Mensch - böser Mensch, belohnen - quälen. Darin ist das Element der "Vergeltung" enthalten. Die meisten Religionen bekamen, mal frei in den Raum geworfen, vor allem aufgrund dieses Elements großen Zulauf. Heute wird es nur nicht mit einem Gott drumrum verkleidet. Wäre Theologie eine Kunst, würde man das wohl "Simplizismus" nennen, oder auf die Fantasielosigkeit der Jugend zurückführen :mrgreen:
Und jetzt zu deiner Folgekette.
Zitat:Dann spielt auch die Unterscheidung zwischen Bestrafung des Täters und Schutz der Mitmenschen keine Rolle. Wenn die Bestrafung eines Täters ein Eingriff in die „göttliche Gerechtigkeit“ wäre, dann wäre die Isolation vielleicht ein Eingriff in den „göttlichen Willen“.
Weil ich mich nicht als irdischer Richter aufspielen will, muss ich alles weltliche Geschehen als unantastbaren, göttlichen Willen ansehen? Falsche Konklusion. Aus meinem Gedankengang folgen keinesfalls Anarchie, zaubernde Katzen (

Ich umschiffe den von dir beschrieben Kreislauf äußerst problemlos, indem ich einfach "Erziehung" und "Missionierung" nicht gleichsetze. Man kann nämlich strikt zwischen eigenem Weltbild und gesellschaftlichen Regeln zur friedlichen Koexistenz unterscheiden - zweiteres ist schließlich der Existenzzweck von Gesetzen.
Daraus schließe ich: Alles, was als Intentionen nicht eine "angemessene Erziehungsmaßnahme" zum Ziel hat, sondern eine "gerechte Bestrafung", ist ein Euphemismus für "Rache". Da diese zwangsläufig emotional ist, darf sie nicht von einer Instanz mit Objektivitätsanspruch ausgeführt werden. Das dürfen nur Puritaner machen. Und Christen. Und Muslime. Die alle können es mit ihrem Glauben vertreten. Die haben wenigstens Argumente.
Zitat: Die Menschenrechte gehen nicht über alles. Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, Hitler hätte den zweiten Weltkrieg überlebt und es hätte auch nicht sowas wie die Nürnberger Prozesse oder ähnliches gegeben.
Dann würde mein Bauchgefühl laut aufschreien. Dann wär ich sauer.
Und? Was hat das für eine Relevanz bei der Ausübung von Gesetzen? Diese dürfen NICHT von Emotionen bestimmt sein.
Und warum ein so fernes Beispiel nehmen? Bei dem Tod meines Kindes wäre ich noch sauerer. Ich würde sogar eine Waffe in den Gerichtsaal nehmen und dessen Mörder erschießen. Dann richte ich. Dann spiele ich Gott. Dann bin ich emotional. Das ist vollkommen legitim, weil ich menschlich bin. Und ich könnte meine Tat mit GUTEM Gewissen vertreten.
ABER:
Dann beruf ich mich auf meine EMOTIONEN. Ganz im Gegensatz zu einer Instanz. Wie sollte etwas, das emotional handelt, somit SUBJEKTIV ist, die Vollmacht haben dürfen, über das Leben anderer Menschen zu entscheiden?
Zitat:Hätte jemand wie Hitler es verdient, auch nur noch einen glücklichen Moment zu haben? Und sei es beim Lesen eines Buches? Alles in mir schreit Nein!
In mir auch. Ich nehme aber nicht meine persönlichen Rachegefühle als Maß aller Dinge :mrgreen:

Zitat:Nehmen wir weiter an, die Piloten seien hinterher gefangen genommen worden. Hätte sie es verdient am Leben zu bleiben. Glaubt jemand allen Ernstes, die hätten irgendwann Reue empfunden? Hätte Hitler nach zwanzig Jahren im Knast Reue empfunden?
Das Beispiel halte ich für fehl am Platz. Hitler, Mao, Stalin... Okay. Dann weiß ich, worauf du hinauswillst, auch wenn wir geteilter Meinung wären. Aber die?
1. Ich glaube sehr wohl, dass sie Reue empfinden können
2. Ich finde durchaus, dass sie es verdient haben, am Leben zu bleiben (im Gegensatz zun Hilter & Co.)
Warum? Die Tat war religiös motiviert. Somit ging es ihnen nicht darum, anderen Menschen schaden zuzufügen. Sie dachten, sie würden richtig handeln. Allah will es so. Sie würden die Welt retten.
Jemand, der glaubt, richtig zu handeln, ist nicht böse, sondern verwirrt. Wenn dieser Glaube aus seinem Umfeld, Erziehung, Religion resultiert, wurde er anerzogen. Das wurde er definitiv, oder warum sonst waren "zufälliger Weise" alles Muslime aus dem Orient? Wer einen glauben anerzogen bekommt, dem kann man ihn auch wieder aberziehen. Diese Menschen haben nicht gefoltert. Die haben nur gemeint, dass der Zweck die Mittel heiligt, und es keine anderen Mittel gäbe. Jemand, der meint, mit dem Töten von Menschen die Welt zu verbessern, wünsche ich nicht den Tod, sondern er tut mir leid.
Was in keinem Fall bedeutet, dass ich die Rachegedanken der Opfer nicht verstehen kann oder die Tat gutheiße. Trotzdem: wie Zurechnungsfähig ist jemand, der in seinem Weltbild glaubt, das richtige zu tun, und es nicht besser weiß? Wenn ich von etwas so überzeugt bin, dass ich SELBER dafür in den Tod gehe, kann man mir eine riesige Portion Dummheit vorhalten. Und das falsche Verständnis von Moral. Aber nicht, dass ich von Grund auf ein schlechter Mensch bin.