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Der Deutsche Film
#68
Da hab ich mir aber aus der GANZ weiten Versenkung schnell mal einen Filmschatz nach vorne geangelt. Jerry, danke für den Thread!

Habe ihn erst vor kurzem gesehen, und ging mit sehr skeptischen Erwartungen heran. Ich wurde überrascht.

Im Zuge einer Jugendzukunftskonferenz mit dem Thema "Jugend zwischen Rebellion und Anpassung" habe ich mich vor langer Zeit mit den auch hier vorhandenen Themen auseinander gesetzt. Was braucht Deutschland, wo ist die Jugendbewegung? Warum ist diese so langweilig oder gesättigt? Wo werden rebellische Züge abgeblockt? Oder wo gerade in dem Maße tolleriert, dass sie nie überschwappen, sich nie bündeln? Hat man es schwerer, heute zu rebellieren, Ideale zu vertreten, sich aus der Gesellschaft zu lösen? Fehlt die Angriffsfläche, fehlen die offensichtlichen Mängel? Vertrocknet oder verdummt die Jugend? Hat man nicht mehr die Möglichkeit, sich mit Themen mit Relevanz in politischen Bereichen auseinander zu setzen? Sind wir alle gesättigt, oder nur zu befriedigt? Hat man es schwerer, sich eine Identität zu bilden?
Im selben Zuge - gibt es überhaupt Alternativen zum aktuellen (Wirtschafts-)Leben? Was ist daran kritisierenswert? ..."Diktatur des Kapitalismusses"... geheuchelte Freiheit, die sich darauf beschränkt, zwischen zehn Margerinesorten im Kühlschrank zu entscheiden... Frankfurter Schule, Adorno... verwaschene Gesellschaft, Abhängigkeit, manipulierte Gesellschaftsstrukturen, reproduzierendes System.


(Ab hier beginnen Spoiler)

Alles in allem natürlich sehr interessant, habe das ganze auch genossen. Bei all den Ansatzpunkten erkennt man natürlich viele Parallelen zu"die fetten Jahre sind vorbei" - der in diesem Zusammenhang auch erwähnt worden ist.
Allerdings habe ich (nachdem der Hype etwas abgeklungen ist) viele negative Kritiken gehört, die behaupteten, dass der Film sich nicht traue, eine Aussage zu machen und zu sich zu stehen, weshalb ich nicht besonders hinterher war, ihn zu sehen. Er wäre doch wieder brav und konventionell, nichts rebellisches, nichts bahnbrechendes. Auf einer guten Idee aufbauend, aber "lasch" und "inkonsequent".

Wie falsch!

Ich fand ihn sehr überzeugend und vielseitig. Die leicht überspitzte bzw. einseitige Darstellung der "Snobgesellschaft" zu Beginn störte überhaupt nicht. Bewusst ist auch dem Film, dass sich nicht die ganze Welt so verhält, und sich nicht jeder über Champagner im falschen Glas auf diese Weise aufregt. Aber es kommt vor - und vor allem das Snobistische daran. Hier werden viele Untertöne, tausend Kleinigkeiten, zusammengefasst. Die Definition, dass das Leben aus Konsumgütern und deren Symbolwert bestehe. Geld, Wertgegenstände, Status, Lifestyle. Diese kurzen Verdeutlichungen waren gelungen und in ihrer leichten Überzogenheit auch vollkommen akzeptabel. Vor allem aber berührten oder erreichten sie einen. Die Hauptdarsteller waren grandios, Brühl und Jentsch mag ich sowieso.
Das Besondere aber, neben der Atmosphäre des Films, der Entwicklung der Charaktere, dem Handlungsverlauf der ersten Hälfte und der Darstellung der in ihrem Denken festgefahrenen Welt war die zweite Hälfte - der Alt-68er, der als Kontrastimme plötzlich Sympathien sammelte, gegenhalten konnte, geradezu den Raum einnahm. Das ganze noch gemischt mit der freien, aber melancholischen Stimmung der Jugendlichen, die ihr bis dato vorhandenes Leben verloren hatten und die trotz den Problemen untereinander nun etwas Neues verbindet. Oh, und dass die 3 Rebellen bei ihren Argumenten und Diskussionen durchaus dazu driften, Parolen zu schwingen, ist vollkommen nachvollziehbar und realistisch. Nichtsdestotrotz sind die Dialoge intelligent und inhaltlich passend.

Alles in allem jedenfalls ein sehr guter Film, dessen Stärke man nur nicht erkennt, wenn man sie nicht erkennen will. Kritikfitzelchen kann man am Ende suchen (welches ich genauso Interpretiere wie Jerry und Ala), da der Fernsehsatellit nun etwas abgedreht und weit hergeholt ist... aber das ist letztendlich nebensächlich.

Oh, und: Jedes Rumgeplappere von einer subversiven und verfassungsfeindlichen Botschaft, die propagiert werden würde, ist Blödsinn. Natürlich befasst sie sich damit - darum geht es ja. Was anderes wäre brav, und es wäre inhaltslos.



EDIT: Die fetten Jahre... wird jetzt in Amerika neu verfilmt :roll:
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