Vor kurzem sah ich mir endlich den Film an, der hier, und da, und überall nur auf positive Resonanz stoß. Mit einiger Erwartung, kann man sagen. Das Resultat war für mich jedoch sehr enttäuschend. Besonders ausschlaggebend, wenn auch nicht allein, war das Ende der Geschichte.
Bei einem anspruchsvollen Film, bei einem, den ich ernstnehmen will, einem Film, bei dem andere sagen:
Zitat:eine lebendige, ernsthafte, nachdenkliche und todtraurige Geschichte
Zitat:Meiner unmaßgeblichen Meinung nach einer der wundervollsten Filme aller Zeiten...
Zitat:Nach Hero wurde mir mal wieder bewusst, wie dumm, überladen und nichtig selbst so Perlen wie Herr der Ringe oder eben Matrix eigentlich sind.
Zitat:der Film ist einfach Perfekt in meinen Augen und so etwas kann man glaube ich sehr selten sagen.
Zitat:er war in wunderschönen Farben gedreht, die story war auch interessant und vielschichtig.
... reicht es MIR zumindest nicht aus, zum Schluss zu nicken und mich bei einer vorgeklatschten und sehr bedenkenswerten Ideologie, nur um auch ein Kitsch-Ende ausleben zu können, mit anderem irgendwie positiv auffallenden Landschaftseffekten zufrieden zu geben.
Denn INHALT hatte der Film für mich leider sehr, sehr wenig. Eine an sich interessante Idee, nämlich eine sich rückwärtserzählende Geschichte, deren wirklicher Anfang durch abermalige Rückblenden erst am Ende klar wird, wurde durch das krankhafte zurechtbiegen auf Kampfszenen und Melodram, koste es was wolle, leider zerstört.
In Kurzform die Story. Ein eroberungssüchtiger Kaiser überrennt Dörfer und tötet Menschen. Drei Rebellen stellen sich ihm entgegen, das, in der deutschen Fassung leider übersetzte, Ehepaar "Broken Sword" (Tony Leung Chiu-Wai) und "Flying Snow" (Maggie Cheung) sowie der Rebell Sky (Donnie Yen). Nachdem alle Versuche, so wie es anfangs scheint, erfolglos blieben, kommt nun ein neuer Krieger, der namenslose Jet Li, dessen Kampfkunst ein Gelingen anscheinend möglich machen würde. Nachdem nun der Zuschauer ein paar mal Irre geführt wurde, wird der wahre Ablauf der Geschichte klar:
Zwei der drei verbünden sich mit dem Unbekannten, setzen ihr eigenes Leben aufs Spiel und lassen sich verwunden (bishin töten), damit Jet Li unter falschem Vorwand zum Kaiser vordringen kann. Nur Broken Swort stellt sich gegen seine Freunde und seine eigene Frau und ist bereit, gegen diese zu kämpfen und sein Leben für den Kaiser zu opfern.
So. Nachdem es den anderen nun gelungen ist, Broken Sword zu verwunden, und Jet Li in den Palast eindringt und die Möglichkeit hat, den Kaiser zu töten, opfert er stattdessen sein Leben und missachtet desweiteren das Opfer seiner Gefährten (bishin zu
deren Leben), weil er nun das Selbe erkannt hatte wie Broken Swort. Und diese Erkenntnis ist im Film eindeutig definiert.
Sie lautet, passend zur chinesischen und von allen Seiten zurecht angeprangerten Geschichte und Kultur: Das Individuum ist bedeutungslos und unwichtig. Denn der einzige Zweck und der einzige Sinn ist das System und die Erhaltung des Systems. Ein Arbeiter ist nichts Wert, ein Kind ist nichts Wert, ein Mensch ist nichts Wert, in anbetracht seiner Funktion innerhalb des Systems. Denn oberstes Gebot ist es, die Ordnung zu erhalten, sei sie nun falsch oder richtig. Passend wie die Faust aufs Auge spricht ein monotoner Chor von Marionetten, der die Bevölkerung und das (angepasste und unselbstständige) Denken Chinas unter dem Herrscher ungewollt repräsentieren: "Tötet ihn". Und die einzigen Personen, die in dem Film anders, individuell, sind, sterben, damit die anderen Leben können.
Feine Aussicht. Für diese Lebensverachtende Ideologie kämpfen unsere Helden und stellen sich gegen ihre eigenen Freunde entweder mit ihren Entscheidungen oder mit Waffengewalt. Sogar ihr Leben geben sie, mit dem Wissen, das Richtige zu tun.
Aber momentchen mal, warum ist es das Richtige? Das wurde doch auch im Film definiert. Der Kaiser ist einer von sieben potenziellen Vereinigern Chinas, aber seine unter anderem durch Habgier so immense (oder im Vergleich zu anderen immensere) Macht legitimiert ihn als rechtmäßigen Herrscher. Er soll als Diktator das Volk vereinen und Alleinherrscher sein, in einem System, in dem sich das Individuum anpassen und notfalls sterben muss, selbst wenn der Kaiser weiß, dass die Handlung falsch ist. Denn war es nicht so im Film?
Wir können nachprüfen. Gehe wir mal unsere Idole durch.
Jet Li stirbt würdevoll, denn er weiß, dass er für das richtige stirbt. Er gibt seine Leben gerne und Heldenhaft, wahrscheinlich daher der resultierende Name "Hero".
Broken Swort stirbt selbstgewählt, da er sich ohne seinen Tod nicht mit seiner Frau versöhnen kann, solange er der Ansicht treu bleibt, der Diktator müsse leben um die Länder zu vereinen. Und dieser Ansicht muss er natürlich treu bleiben.
Und der Kaiser? Auch er wurde eines Besseren belehrt. Er hat keine Angst vor dem Tod, er respektiert seinen Rivalen Jet Li und würde sich auch bereitwillig töten lassen. Als Jet Li diese Tat nicht vollbringen kann, schmerzt es den Kaiser selber, ihn umbringen zu müssen. Aber klar wird, er muss es tun, denn wie seine angepassten Gefolgsleute schon sagen, "das System muss gewahrt werden; er hat die Regeln gebrochen; er muss getötet werden". Und in anbetracht dieser vorrangigen Ideologie schafft auch er es, den Befehl zum Töten zu geben.
Was ein Held.
Das erinnert mich an etwas. Man könnte mit einer sehr kurzen Normalen fast distanzlos zu einer Tragödie mit einer parallel laufenden Thematik springen. Schon ca. 442 vor Christus von Sophokles geschrieben und auch noch in der Moderne nacherzählt oder behandlet von Autoren wie Hochhut, Brecht und Anouilh, wird mit der "Antigone" die sinn- und kopflose Befolgung des Systems anhand König Kreon kritisiert, der seine eigene Schwiegertochter (und einhergehend auch seinen Sohn) umbringen lassen will/muss, weil sie aus humanen und vorbildhaften Gründen die Regeln brach.
Nun parallel zurückgesprungen. Es ist definitiv nicht Botschaft des Films, dieses System kritisch wie oben zu betrachten, auch nicht nur neutral, um Heldentaten innerhalb dessen aufzuzeigen - nichtmal bei günstiger Auslegung - sondern es zeigt verherrlichend und sehr einseitig die "Heldenhaftigkeit, sich für etwas Höheres zu opfern" ohne den mitschwingenden Unternton zu beachten. Für mich läuft das Quer mit Aussagen wie "ernsthaft", "vielschichtig", "wundervoll", "nachdenklich", oder gar "perfekt".
Okay, und was ging mit all dem bitteren Nachgeschmack einher?
Wir hatten da oben noch das Wort "tottraurig"... für mich waren es dagegen oft getrimmte, gepresste Szenen. Hauptsache dramatisch. Happy end ist schlecht, bös und kitschig, ist ja klar... aber ist deshalb das Gegenteil gleich besser? Wurde nicht immer wieder ein Ausweg gesucht, um Kämpfe zu rechtfertigen, oder mehr Gefühl in die Geschichte zu bringen, dass nicht passte? Zumindest nicht in Anbetracht der Umstände - wie z.B. das angesprochene Ende. Ich mag es nicht, etwas vorgeklatscht zu kommen, was dramatisch wirken soll, aber Mundgeruch hat. Dadurch wird das Hingeben fürs Ganze, das Mitfühlen und das Mitleiden verhindert. Existent ist nämlich trotzdem ein Unterschied zwischen "eine Geschichte erzählen, die tot-traurig ist" und "Eine Geschichte erzählen, die tot-traurig wirken soll".
Man könnte von hier fast weiter springen, ein ähnliches Defizit gab es nochmal, bei den oft angepriesenen, schönen Bildern.
Und ich habe nichts gegen schöne Bilder, das garantiert nicht. Ich achtete sogar sehr auf die hier vorhandene Liebe zum Detail. Aber sie war so einseitig, und so negativ Überladen. Nach spätestens einer Stunde wünschte ich mir, man möge die Ventilatoren abdrehen, damit das Herumgewelle innerhalb der Gewänder aufhört, denn irgendwann, nachdem zum achten Mal die selbe, traurigstimmende Melodie angespielt wird, um ein schmerzerfülltes Gesicht mit wehendem Umhang einzuleiten, wirkt es wie ein ausgenutztes, nervendes Klischee. Wie eine Szene, die nur GEMACHT wurde, damit alles weht, stimmungsvoll, traurig und schön aussieht, nicht aber wie eine, die mit viel Liebe zum Detail ein vorhandese Bild oder eine vorhandene Geschichte vervollkommnet und verschönert. Und das macht, ähnlich wie oben, meiner Meinung nach einen riesigen Unterschied.
Und daher find ich es schade, dass ein liebevoller Film, bei dem man sich so viel Mühe gab und auf so vieles achtete, durch ebensoviel anderes zerstört wurde. Auf alle Fälle erfüllt er, für mich, nicht die hohen Erwartungen.