Angesehen!
Und jetzt gehört mal nen bisschen Schwung in den Thread *rumhüpf*
Zuerst einmal: Borat bescherte mir einen äußerst witzigen Kinoabend. Durch und duch sein Geld wert. Ich kam leider nur in den Genuss einer synchronisierten Fassung, was mir zu Beginn ziemlich die Laune verdarb - aber im Laufe der Zeit geriet auch das in Vergessenheit. Die Synchronisierung war - natürlich - nicht gut genug, aber auch nicht anders zu erwarten bei einem Film, der mit Realszenen trumpft. Sowas funktioniert einfach niemalsnicht und gehört verboten.
Dennoch wurde sich beim Übertragen von Borats Witzen und Sprachnuancen bemüht, das Resultat fiel nicht wirklich schlimm aus. Im Notfall klappts also auch auf deutsch.
NIIIIIIIIICHT?
(Ein Beispiel für Stellen, bei denen es das
nicht tat)
Besonders positiv überraschte mich der Plot (womit nicht die Suche nach Pamela gemeint ist

). Die Vermischung von Realszenen und gestellten Überbrückungen gelang außerordentlich gut. Ich wusste zwar, dass zweiteres vorkommen würde, erwartete aber nicht solch einen ausgewogenen Equilibrierungsakt, bei dem sich zugunsten des Konstrukts offensichtliche Kritik (letztendlich doch der Knackpunkt des Films) hinten anstellt. Das sorgte natürlich für Kurzweiligkeit - und verschenkte Anspruch zugunsten der Unterhaltung.
Sowas ist nicht zwangsläufig schädlich für ein Kunstwerk. Im Fall von Borat erspart es vor allem selbstgefälliges Niveau-Getue. Ein Dödelfilm mit Sinn. Lustig, dennoch Intelligent. Doppelt interessant. Geht doch. Es ist durchaus sympathisch, wenn ein Film mit seinen (vermeintlichen) Stärken nicht hausieren geht.
Allerdings kann man im selben Zuge meckern. Das tue ich auch, vorneweg, sozusagen. Dann hab ichs hinter mir.
Anspruch wurde tatsächlich wenig geboten. Wenig in Anbetracht meiner Erwartung - und auch des vorhandenen Potentials.
Anstatt mit angemessener Sensibilität auf seine Gesprächspartner einzugehen und ihr inneres hervorzukitzeln, quetscht und drückt Cohen mit Exaltiertheit und plumpen Ferkeleien. Nur das, was ohnehin durchschimmerte, dringt an die Oberfläche.
Angelpunkt des Films bleibt das Mittel, die Dreistigkeit, die Art, mit welcher Borat quetscht. Das Resultat hält sich partiell in Grenzen. Es fehlte Hilfestellung für weitere Blöße. Statt sich festzubeißen, schnappt er nur. Er zieht Hosen runter, lässt Unterhosen aber an. Oder zieht selber, statt andere ziehen zu lassen. Durch Cohens Originalität und seine Hemmungslosigkeit hätte ich mir mehr gewünscht.
Auch gibt die Anwesenheit der Kamera über die Authentizität der Reaktionen zu denken (Da ich nichts über gestellte Echt-Passagen las, hoffe ich munter drauf los, dass diese realgetreu stattfanden - alles andere wäre enttäuschend). Eine Person reagiert nicht authentisch, wenn ihr bewusst ist, dass sie gefilmt wird. Und es wird nicht aufgeklärt, auf welche Art und Weise die Kamera "eingeführt" wurde. Man weiß nicht, wie frei sich Borats Gesprächspartner gefühlt haben, ob sie sich vor der Kamera profilieren wollten, schämten, oder einen Scherz vermuteten.
Solche Unklarheiten stellen die Reaktionen und damit den eigentlichen Sinn des Films in Frage. Alles Ungewisse gehört halt in die Propaganda-Gerüchteküche, zu semidokumentarischen, vorgegaukelten und polemischen Antiamerika-Szenen, an denen man sich einen runterholen kann, wenn man naiv genug ist. Besser ist was handfestes. Bevor Cohen also gelobt wird, weil er Amerikas nackten Poppes zeigte, brauche ich zumindest mehr Infos zu einigen Szenen.
So.
Als Endprodukt bleibt dennoch genügend übrig. Es wurde durchaus noch vorgeführt, sogar uns Westeuropäern der Spiegel vorgehalten. Gerade letzteres finde ich interessant. Denn neben Schwulenfeindlichkeit und krankhaften Patriotismus trat für mich auf alle Fälle hervor, wie sehr sich Personen innerhalb einer westlichen Gesellschaft zur unnahbaren Inseln entwickeln und nur oberflächlichen Kontakt zulassen. Nicht, dass man in Deutschland ebenso distanziert wie in Amerika reagiert hätte – aber distanziert genug. Durch Borat kam nicht fachspezifische Diskriminierung zutage (jaja, Amis sind konservativ, misogyn, homophob, intolerant, blabla… weiß man doch alles schon), sondern die emotionale Distanzierung zu Mitmenschen, fehlende Ehrlichkeit, Mangel an Menschlichkeit, eingeprägtes Rollenverhalten, zwischenmenschliche Barrieren.
Dafür muss man Cohen nicht auszeichnen - es war eher eine positive Begleiterscheinung bei seiner Figur. Den Film bereichert es dennoch.
Jetzt aber zum eigentlichen Angelpunkt: Borats Darstellung. Überhaupt das MITTEL zur Schlammschlacht. Er ist, zusammengefasst: herrlich böse. Die Klischees über Osteuropa wurden auf die Spitze getrieben, makaber, pietätslos, provokant, sarkastisch. Allein dafür lohnte sich das Eintrittsgeld.
Dead Girl schrieb:die "witze" sind sind schlicht und einfach geschmacklos.... naja evtl ein film für jackass liebhaber ... aber ich empfehle ihn keinem
Nicht unbedingt. Definitiv werden Tabubrüche gezeigt, diese sind aber weit entfernt von Darstellungen hirnloser Arschhaar-Verbrenner, die Wunderwerke wie simultanes Kotzpinkeln vollbringen können. Zwischen Jackass und Borat liegen Welten.
Borat nutzt und parodiert vorhandene Klischees, hinlänglich provokant, um zum Nachdenken anzuregen. Gängige Standards werden nicht nur um des Überbietens willen überboten. Auch Fäkalhumor hat das Recht, als Mittel wirken zu dürfen.
Der Sinn und Zweck bei Borat findet sich (für mich) in der provokanten Übertreibung des Klischeeexkommunismussatellitenstaatenstaatsbürgerossis und dessen Konfrontation mit kulturell "weiterentwickelten" Amis - sowohl auf der Straße, als auch im Kino. Gerade für zweiteres lohnt die konsequente Darstellung über die Real-Szenen hinaus.
Deadgirl schrieb:ganz abgesehen davon werden sich an dem film wieder x-leute aufhängen und sagen wie ignoant man in kasachstan sind, wie sch... ausländer sind undsoweiter und sofort.....
Mag sein, das ist aber nicht das Problem von Borat.
Bei der Darstellung eines derart degenerierten Landes ist es doch offensichtlich, dass hier - sarkastisch - Klischees und nichts weiter als diese vorgesetzt werden. Mit anderen Worten: Die Vorstellung des kulturell fortgeschrittenen Amis und des dummen Osteuropäers - oder einfach nur Nicht-Amerikaners - wird in ihrer Absurdität präsentiert. Ich verstehe zwar, wenn dies manchem Osteuropäer nicht gefällt, weil hinter einem Klischee oft auch ein wahrer Kern steckt. Das ist aber nicht Borats Schuld. Er hätte auch vor einigen Jahren (oder immer noch) einen linguistisch unterentwickelten Schwarzen mit langem Schniedel nehmen können, der jedem Weißen die Schuhe putzen will, weil er in Gottes Auftrag zu handeln glaubt.
Zitat:Find's toll wie er alles durch den Dreck zieht, sich als primitivsten Hinterwäldler darstellt und denkt Frauen haben kleinere Gehirne!
Stimmt vollkommen. Das macht er großartig.
Ganz toll: Das Juden-Ei. Ich hab mich schlappgelacht. Mama Jude und Papa Jude waren noch erträglich, beim Ei konnte ich nicht mehr.
"Tötet es, bevor es schlüpft!" :rofl:
Auch die Kakerlaken-Geldwurf-Episode war köstlich. Das ist nicht nur Geschmacklos. Es ist satirisch. Eine mögliche Art der Verhöhnung von Antisemitismus. Muss nicht jedem zusagen, hat aber seine Berechtigung.
Zitat:ganz abgesehen davon, dass ich bis heute nicht verstanden habe, was zum beispiel an der geschichte SPOILER:
mit dem behinderten bruder der borats schwester gef***t hat
so lustig sein soll
Es geht nicht um den Witz der Geschichte, sondern die Reaktion (bzw. Anwesenheit) der Gesprächspartner
Hannibal schrieb:Ja es ist nichts gestellt und niemand ist eingeweiht.
Quelle? Würd mich interessieren.
Meat mit dem komischen Avatar schrieb:Das Borat in Sachen Tiefsinn und Anspruch nichts zu bieten hat ist ja wohl klar.
Na, fand schon, dass was geboten wurde.