von John Carpenter » Do 23.Jul.2015 15:23
Achtung, Spoiler !!!
Jetzt kenne ich aus „Zwischen Nacht und Dunkel“ also die ersten beiden Novellen. Im direkten Vergleich liegt bei mir zwar „1922“ vorn, aber auch Big Driver hat es ohne Zweifel in sich.
Ich kann mich nicht erinnern, dass King jemals zuvor über das Thema Vergewaltigung mit anschließendem Mordversuch geschrieben hat. Und wie zu erwarten, ist es ihm gelungen, die Tat als abstoßend und verachtenswert darzustellen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen (denn dann hätte das Ganze schnell in frauenverachtenden Voyeurismus umschlagen können).
Mir hat es sehr gefallen, dass King nach der Tat eben nicht „abgeblendet“ hat (so wie man es aus Filmen kennt), sondern geschildert hat, wie die Frau völlig verängstigt und orientierungslos umherirrt, wie ihr Gehirn nach diesem Schockerlebnis zunächst überhaupt nicht mehr richtig funktionieren will, wie sie hinter jedem Baum, in jedem Auto ihren Peiniger vermutet. Das macht die ganze Tat noch viel schlimmer. Außerdem wird hierdurch die Spannung aufrecht erhalten, der Mann könnte doch noch mal auftauchen, bevor Tess ihr Zuhause erreicht hat.
Was mich dann aber etwas enttäuscht hat, waren Tess’ Racheaktionen, denn die liefen etwas zu schnell und problemlos ab. Denn meist ist man doch von King gewöhnt, dass der „Tote“ noch mal aufsteht … Andererseits tut es weiblichen Leserinnen hier bestimmt gut, dass Tess hier mit ihrer Pistole und dem Überraschungsmoment auf ihrer Seite in einer absolut überlegenen Position ist und das auch nervenstark ausnutzt.
Doch für mich war ab dem Moment, als Tess auch noch den dritten Schuldigen bestraft hat, die Luft aus der Story irgendwie raus. Ab diesem Moment haben mich die ganzen Phantasiestimmen (die ich auch bis dahin ziemlich strange fand) nur noch endlos genervt.
Gut, dass wenigstens bei dem Gespräch im Park am Schluss noch eine bittere Pointe folgte.
Was ich noch etwas seltsam fand: King streut immer wieder Titel von Filmen ein, die mit der Geschichte zu tun haben. Aber gerade den, der eigentlich am besten gepasst hätte („Ich spuck’ auf dein Grab“ von 1978, der eigentlich der allererste Rape-and-Revenge-Film war) spart er aus.