Vor Dr. Sleep hab ich auch Shining noch einmal gelesen, das erste Mal liegt schon länger zurück. Ich kann nachempfinden, dass manche den Roman eher langweilig finden. Man wartet und wartet darauf, dass endlich etwas passiert und verpasst dadurch, dass man schon mitten drin steckt. Es wird ja oft die lange „Einleitung“ erwähnt, der ganze Hintergrund zu Jack (und Wendy). Für mich ist das keine Einleitung sondern gehört schon ganz zur Geschichte, um zu verstehen, wer Jack ist und war, und was mit ihm im Overlook eigentlich passiert. Und was er schon dorthin mitbringt. Das ist doch für den ganzen späteren Verlauf ausschlaggebend. Auch Wendys Rolle in diesem Dreier-Gespann.
Für mich sind Jack, Wendy und Danny die eigentliche Geschichte, nicht nur das Hotel. Das Overlook ist zweifellos ein durchaus böser und sehr interessanter Ort. Und wären die Torrances nicht die gewesen die sie waren, hätte das Hotel die Familie (und besonders Danny) zweifellos als weiteren schmackhaften Durchlaufposten betrachtet. Ein weiterer Name in der langen Geschichte, die vom nächsten Hausmeister fasziniert gelesen werden würde. Der fulminante Untergang des Hauses (Usher?) ist jedoch von diesen Charakteren verursacht worden. Warum ausgerechnet jetzt und durch diese Familie?
Jack ist für mich eine tragische Figur. Man kann ihn nicht als Opfer sehen, aber auch nicht als Täter. Man fragt sich, ob er ein Opfer der Umstände wurde, und er ohne Hotel nicht doch eine Chance gehabt hätte sich dauerhaft zu ändern. Oder ob sein Schicksal auch ohne Hotel unausweichlich gewesen wäre, weil er einfach ein liederlichen Charakter hatte.
Wendy finde ich auch nicht weniger interessant als Jack. Beide sind auf ihre Art schwach, entwickeln sich aber im Overlook ganz gegensätzlich. Wendy emanzipiert sich ja geradezu, und geht als eigenständigere, wenn auch härtere, Person aus dem ganzen hervor.
Für mich ist der Roman in Aufbau, Entwicklung, und Abschluss ziemlich genial. Perfekt eingefädelt und miteinander verbunden. Es ist diese lauernde Atmosphäre, die sich langsam zusammenbraut. Was unterschwellig alles arbeitet, ist nicht immer greifbar aber sehr bedrohlich.
Schockelemente wie Leichen in Badewannen, Blut und Gehirnspritzer, knarrende Aufzüge sind sicher das Salz in der Suppe, die Gänsehaut, die Spannung. Aber wieder (und vielleicht gerade bei Shining) nicht alles was King als Autor ausmacht.
Mich würde interessieren, ob er sich auch von 112 Ocean Avenue und Ronald deFeo dazu inspirieren hat lassen, wie Amityville Horror. Oder es war einfach ein gutes Jahr für besessene Mörder in Spukhäusern.
Ahja und den Schluss finde ich auch toll!
...so weiter geht’s mit Dr. Sleep ... und
Dirk