von Rotaermel » So 28.Nov.2010 22:13
Eines vorweg: Ich bin in den letzten zwei, drei Jahren an jedes neue Kingwerk mit großem Optimismus herangegangen und habe versucht, mich mit dem Umstand anzufreunden, dass King einfach anders schreibt als früher. Abgesehen von einzelnen, wenigen Ausnahmen, wie manche Geschichten aus Sunset, ist mir dies leider nicht gelungen - keines der in jüngerer Zeit erschienenen Werke erreicht für mich nur ansatzweise die Qualität seiner älteren Bücher. (Angefangen hat der Abwärtstrend für mich ungefähr mit "Love".)
Warum dies so ist, wurde mir gerade bei der Novelle "1922" ein weiteres Mal klar: Es fehlt einfach das "gewisse Etwas", das King so einzigartig machte. Im Fall der Novellen war das vor allem immer ein besonderer Einfallsreichtum. Gerade wegen diesem Umstand gehörten die Novellensammlungen zu meinen Favoriten unter Kings Werken.
"Langoliers" habe ich sicher zehn Mal gelesen und finde noch heute nach so vielen Jahren die Idee des "Zeitrisses" genial gut. "Frühling, Sommer, Herbst und Tod" war ein geniales Gesamtpaket mit wirklich tollen Einfällen - "Die Verurteilen" z.B. ist ja wohl einfach nur legendär.
"Der Bibliothekspolizist" wiederum war für mich ein Musterbeispiel des leicht ins Bizarre abdriftenden King-Horrors - seltsam, krude, aber einfach nur fesselnd.
Von all diesen Merkmalen konnte ich in 1922 nichts finden. (Ebensowenig in den anderen drei Geschichten dieser Sammlung.)
Ich frage mich wirklich, ob King sich beim Schreiben nicht selbst irgendwie einfallslos vorkam - eine Geschichte, die sich um lebendige Tote und Ratten dreht, das ist für mich so ziemlich das Ausgetretenste, was das Horrorgenre zu bieten hat. Dazu kommt, dass die Geschichte völlig unnötige Längen hat. Es sind so viele Passagen drin, die mir als Leser nichts als Langweile bereiten. Die für mich unerreiche Sammlung "Nachtschicht" präsentierte mir auf der Bühne meiner Phantasie mit der Kurzgeschichte "Spätschicht" WEIT mehr zum Thema "Horrorratten" als die Novelle "1922" - und das auf einem Bruchteil der Seitenmenge. Anhand dieses Beispiels wird überdeutlich, dass weniger manchmal mehr ist.
King schreibt weiter, obwohl er es nicht mehr nötig hätte - das ist schön, das ist lobenswert. Es freut mich immer wieder aufs Neue, wenn ein neues Buch von ihm kommt. Umsomehr enttäuscht es mich dann, zu sehen, dass die Spannung und Faszination der Geschichten so nachgelassen hat.