von *Jo* » Mo 23.Apr.2007 23:19
Wenn ich mir die Beiträge so ansehe und offensichtlichen Ärger über Kings offensichtlichen Diebstahl, Plagiat, wie auch immer; erkenne, frage ich mich, wo fängt denn das scheinbar verwerfliche "Klauen" an und hört die akzeptierte "Inspiration" auf? King lebt im selben Jahrhundert wie wir, auf demselben Planeten wie wir, sieht fern, liest Geschichten, hört Musik - genauso wie wir es auch tun. Es gibt wirklich kaum noch etwas, was es nicht irgendwo schonmal gab, was also soll ein Mann, der sein ganzes Leben der Fantasie widmet und selber kaum etwas unversucht lässt, da noch neu erfinden? Fantasie hat demnach doch seine Grenzen. Er selber hält von dem, wofür ihn einige scheinbar anklagen, gar nichts, wie er in "das geheime Fenster, der geheime Garten" erkennen lässt, der Geschichte, in der er genau dieses Problem des Plagiats und die Reaktion auf dieses schildert. Offensichtlich hat er keine Probleme damit, offen darzulegen, dass er hier und da "klaut". Ich wette, wenn er's so geschickt als seine eigene Idee verkaufen und sich darauf ausruhen würde und wir würden sehr viel später erst merken, dass er uns etwas vorgemacht hat - würden seine Leserschaft viel mehr schimpfen. So aber denke ich, kann man ihm nicht vorwerfen, dass er sich nicht immer wieder an den Tisch setzen und Hunderte, ja sogar Tausende von Seiten füllen würde, um uns Lesern, seinen treuen Fans eine Freude zu machen - mit Geschichten, die das Leben schreibt, mit Storys, die er irgendwo, irgendwann mal aufgeschnappt hat, mit eigenem schier unerschöpflichem Geiste. Wenn er wie einige schon beschrieben haben - eine komplette Szene 1:1 übernimmt, ist er da ein Heuchler? Wenn er eine Idee, eine Szene, die ihm besonders am Herzen liegt, vor sich hat, diese in ihre Einzelteile zerpflückt, eigenes dazu erfindet und das Ganze wieder zusammensetzt - ist er da genial? Ich denke, Stephen King hat sowohl das Eine auch das andere gemacht und in beiden Möglichkeiten hat er sein Bestes getan. Hätte er sonst eine so große Fangemeinde? Wäre sonst ein Forum, wie dieses, möglich? Ich denke, nein. Und, um wirklich noch etwas zu schreiben, was es noch nie, in keiner Weise gab, müsste er etwas tun, das genau dem entspricht. Er müsste Möglichkeiten entdecken, wie sie vor ihm noch kein anderer entdeckt hat. King ist aber kein Entdecker, Erfinder, Wissenschaftler, er ist Schriftsteller, mit Leib und Seele und ich glaube, auch, wenn die Achtung vor ihm in einigen von Euch erschüttert ist, er selbst nicht mehr der Jüngste, vermag er es vielleicht noch, zu überraschen. Ich kann nur sagen, ich bin immer wieder aufs Neue verblüfft, entzückt, erfreut, überrascht, wenn ich ein Buch von ihm in der Hand halte und sein Facettenreichtum, seine Ideenquelle, seinen wachen Geist erkenne. Nicht nur, dass er uns sein schriftstellerisches Können offenbart, nein, er offenbart uns auch eine ganze Menge von sich selbst, von seiner Person, seinem Leben, Ängsten, Träumen, Wünschen - und er begeistert die Welt damit. Kurzum: Ich hoffe, diese Begeisterung hält noch eine ganze Weile an.
Ich selber schreibe, wie viele andere hier, auch gerne. Wenn ein Hobbyautor eine Idee hat, diese erfolgreich umsetzt und Anerkennung und Respekt dafür erntet, dass diese, seine Geschichte auch tatsächlich von ihm ist, dann Hut ab! Jedoch bin ich auch der Meinung, dass man sich nicht selbst in den Himmel loben sollte, wenn man nicht das erreicht, was man selbst von einem anderen erwartet.
Das Leben geht weiter, die Welt bewegt sich weiter - oder auch die Welten (Gruß an alle DT-Fans!) und wer weiß, was es noch alles geben wird, worüber es sich tatsächlich lohnt, zu schreiben, weil es einzigartig, einmalig und vollkommen neu ist.
P.S. Irgendwann einmal in ferner Zukunft, wenn King nicht mehr lebt, wir alt und älter sind - nehmen wir ein Buch zur Hand von einem jungen Autoren, dessen Name sich eben erst in die Köpfe der Leserschaft einnistet - und wir lesen, was er schrieb und wir erkennen und erinnern uns - und sagen "Mensch, das kommt mir bekannt vor, woher ...?" und dann fällt es uns wie Schuppen von den Augen, alles ist plötzlich wieder da:
Die Zeit, als wir Stephen King ehrten für das, was er war und für das, was er uns gab. Ich finde, das ist ein sehr schöner Gedanke, ihr nicht auch?
So ...sorry, das war unmöglich aus- und abschweifend, aber ja, mann, das ging mir eben durch den Kopf. Nehmt es mir nicht übel, dass ich evtl. Eure kostbare Zeit gestohlen hab, in der Ihr DAS lesen musstet und verzeiht diesen Pathos, aber - nunja, so bin ich, ich kann nicht anders.
liebe Grüße
Jo
Die Zeit, als wir