von Moritz » Mo 09.Apr.2001 10:53
Viele von euch wissen wahrscheinlich inzwischen, dass ich selbst öfters Geschichten schreibe und deshalb für mein Leben gern in Büchern schmökere, die angehenden Schriftstellern Tips geben.
Hier ein Zitat aus "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 2" von James N. Frey:
Das Kapitel heißt: "Die sieben Todsünden - 7. Mangelnde Produktivität"
Ein Zitat: "Um solche Fallen zu vermeiden, also nicht die Zeit verrinnen zu lassen oder von einer Schreibblockade behindert zu werden, sollten Sie das Schreiben so betrachten, wie ein richtiger Maurer seinen Job betrachtet. Schreiben ist ein Job. Er verlangt Zeit und Mühe, genau wie jeder andere Job. ... Nehmen Sie sich vor, dass Sie nie in die Falle der Unproduktivität geraten werden. Von jetzt an werden Sie schreiben, schreiben, schreiben, schreiben, schreiben - jeden Tag der Woche und jede Woche im Jahr."
Alle solche Bücher für angehende Schriftsteller sagen an dieser Stelle das Gleiche: Man sollte nie eine Pause machen; wenn man gerade keine Ideen hat, dann sollte man trotzdem jeden Tag drei Seiten schreiben - notfalls irgendeinen Mist, nur damit man nicht aus der Übung kommt.
Das ist so ähnlich wie mit dem Skateboard-fahren, wenn man es zwei Wochen lang nicht mehr macht, beherrscht man die Tricks nicht mehr.
Und jetzt zu dem Punkt, zu dem ich eigentlich hin will:
Meiner Meinung nach sind Kings beste Bücher "Misery" und "The Dark Half". Das waren Kings letzte beiden Romane vor seiner ein Jahr andauernden Schreibpause.
Nach dieser Schreibpause war seine Art Geschichten zu erzählen meiner Meinung nach anders... und zwar schlechter.
Ich habe in den letzten Wochen meine Lieblingsbücher von King mal wieder gelesen (auch "Misery" und "The Dark Half") und im Moment bin ich gerade bei "The Green Mile", den ich als einen der besten in Erinnerung hatte.
Jetzt, wo ich ihn aber wieder lese, fällt mir jedoch auf, dass die Geschichte zwar wirklich toll ist, aber King sie besser hätte erzählen können. Immer wieder macht er unschöne Sätze und erzählt einfach nicht so geschickt wie in seinen Büchern vor seiner Schreibpause.
Lest euch zum Beispiel mal die ersten drei Seiten von "Desperation" durch. In erster Linie ein Dialog. Und dann sagt mir: Reden so wirkliche Menschen???
Ihr könnt das jetzt natürlich auf den Übersetzer schieben, aber ich glaube nicht, dass es an dem alten Sündenbock, dem Übersetzer liegt. DIESMAL nicht.
Ein anderes Beispiel: "Needful Things", Kapitel Fünf, Abschnitt Drei. Die ganze Szene. Frage: Findet ihr, dass das gut erzählt ist?
Ein letztes Beispiel aus "The Green Mile": "Es ist, als ob Zeit, wie sie immer war - Eastern Standard Time, Sommerzeit, Arbeitszeit - nicht mehr existiert. Hier gibt es nur Georgia Pines Time, und das ist Alte-Mann-Zeit, Alte-Frau-Zeit und Piss-ins-Bett-Zeit."
Was mich stört, ist nicht die etwas schmutzige und umgangssprachliche Ausdrucksweise, sondern dass sich der ganze Abschnit irgendwie verdammt unbeholfen anhört.
Angenommen King ist wirklich schlechter geworden, weil er ein Jahr Schreibpause gemacht hat - diese Idee lässt sich noch weiter spinnen:
Jetzt hat er diesen Autounfall gehabt und zwei Monate oder so nicht mehr schreiben können. Fast alle Fans hier sind der Meinung, dass seine Sachen, die er danach geschrieben hat - "Riding the Bullet", "Duddits" - zu seinen schlechtesten Werken gehören.
Ist es möglich, dass King durch die erneute Schreibpause wieder schlechter geworden ist, weil ihn der Unfall erneut aus seiner Routine geholt hat?
Kings nächsten Roman, "From a Buick Eight", hat er vor seinem Unfall geschrieben, der wäre dann noch eine letzte Hoffnung für uns... Oder wir könnten darauf hoffen, dass er mit der Zeit wieder so viel Routine gewinnt, dass er wieder neue Meisterwerke schreiben kann...
Es würde mich interessieren, was ihr von dieser Idee, die mir heute Morgen gekommen ist, haltet.