von Lloyd » Sa 19.Apr.2008 13:17
Nein Rufus, ich hatte nix aus dem Zusammenhang gerissen - das legst Du mir in den Mund!
Den Unterschied zwischen Deinem Standpunkt und der von Dir erfassten Analyse habe ich ganz gut herausgefiltert. Bedauerlich fand ich Deine Resignation. Ich kann dem, was Du schriebst, leider überhaupt nicht zustimmen, auch wenn ich vieles davon noch vor zwei/drei jahren mit unterschrieben hätte.
Letzten Endes ist alles eine Standpunktfrage, bei vielen Aspekten hat man eben das Gefühl "irgendwo richtig" zu liegen, mit dem was man denkt. Nichtsdestotrotz lasse ich ganz gerne mal von anderen Meinungen überzeugen, aber das was Du geschrieben hast, akzeptiere ich nicht.
Du glaubst also, das Lesen insofern Zeitverschwendung ist, weil man die Zeit auch besser investieren könnte (z.B. um sein technisches Wissen auf den Vorderstand zu bringen)?
Hmm... ehrlich gesagt glaube ich, dass das Lesen einen Stephen King Romanes einen nicht zu unterschätzenden Effekt hat, und somit alles andere als sinnlos ist.
Klar, wer Romane liest, trägt nichts zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Maschinen bei, produziert nichts, entwicklet keine Krebs heilenden Medikamente und konstruiert keine Pläne für Computer-Software... Aber wer Romane liest, findet Ruhe und Entspannung, kann ggf. sogar mehr Kraft und Energie tanken, als jemand, der lieber aktiv sein will und sich in Fachliteratur einliest, leider Gottes dabei den Rest seiner Konzentration verliert.
Ich verstehe, worauf Du hinauswillst, aber wenn mich mal mein späterer Arbeitgeber fragen wird, warum ich meine Freizeit nicht nutze, um mein Wissensstand für die Berufswelt zu verbessern, dann argumentiere ich, dass ich in meiner Freizeit lieber meinen Interessen nachgehe (und seien sie vordergründig auch noch so belanglos), um im Job bessere Leistungen zu vollbringen.
Überprüf mal bitte Deine Quellen. Es ist ein gängiges Vorurteil, dass Soziologen, Philosophen und Germanisten, nicht mehr gebraucht werden. Fakt ist: Wir leben in einem digitalen und technisierten Zeitalter, indem Generalisten (Mathematiker, etc.) eher gebraucht werden, als Geisteswissenschaftler. Letztere verdienen schlecht und man wirft ihnen vor, dass sie alles totreden und nichts produktives für die Umwelt erschaffen...
Ich sehe das anders, musste mich überzeugen lassen, auch wenn ich mal so eine ähnliche Argumentationsstruktur hatte wie Du, Rufus. Sozialwissenschaftler trugen und tragen auch heute noch viel zur Gesellschaftlichen Entwicklung bei. Sie fördern und hinterfragen unsere Streitkultur, analysieren Phänomene der Sozialstrukturanalyse und davon profitiert doch unsere "technisierte Welt". Die Soziologie hat mittlerweile auch Fuß in der Informatik, der Biologie und den Ingineurswesen gefasst, weil sie den Menschen im Verhältnis zu Abstraktem (Informatik), Umwelt (Biologie) und Maschinen (Ing.Wissenschaften) untersucht.
Ich studiere Wirtschaftsinformatik (müsste von daher eigentlich ein totaler Anhänger der "sinnhaften Vollautomation" sein), weil ich dachte, dass dies ein Fach ist, was den Querschnitt zwischen guten Arbeitsmarktperspektiven, besseren Verdienstmöglichkeiten und Spaß am Job bildet. Ich würde das heute nicht mehr studieren und wenn mich jemand fragt: "Feed, soll ich nach meinen Neigungen oder nach Jobchanchen gehen?", dann antworte ich, dass er nicht rational, sondern nach Bauchgefühl handeln sollte. Was bringt es, sich der technisierten Welt so sehr anzupassen, dass man irgendwann jegliche Form von Lebensfreude verliert. Heute denke ich ganz naiv: Wenn man etwas findet, was einem Spaß macht, dann soll man es machen. Denn wenn es Spaß macht, dann kann man sich leichter motivieren, bessere Noten absahnen und schlussendlich auch beruflich unterkommen - egal ob in der Elektrotechnik oder in der Philosophie!
Ja, es sieht wirklich schlecht aus. Auch Biologen, Juristen, Architekten, etc. haben schlechte Karten. Aber anhand Deiner Resignation sehe ich einen Zusammenhang zwischen Jobchancen und Freizeitinteressen. Wer seine Freizeit optimiert ausnutzt (Internet-Recherche statt TV gucken, Lernen statt Gitarre spielen, Arbeitsgruppen bilden statt Football zu spielen, etc.), der hat auch nicht bessere Karten gegen die Konkurrenz. Er kann mehr vorweisen, aber irgendwo geht doch ein Stück Lebensqualität verloren.
Dann bleibe ich lieber an den Grundwerten des Lebens orientiert, verhungern wird man schließlich schon nicht. Ich ziehe lieber eine Essenz aus den Lebensweisheiten in King-Romanen, statt übermüdet ins Bett zu steigen und zu hoffen, dass ich morgen noch immer weiß, was ein Katalysator ist und wie ein Handy im Detail funktioniert.