von Jehane » Mo 21.Nov.2016 15:39
Hab das Buch jetzt im Urlaub gelesen und gut 1,5 Wochen dafür gebraucht, was für Urlaubslektüre doch relativ lang ist. Das lag aber auch daran, dass es mir nicht so 100%ig zugesagt hat. Die ersten Seiten fand ich spannend, nach dem ersten Drittel hab ich angefangen, mich zu langweilen, und erst nach zwei Dritteln oder so hab ich den Punkt erreicht, an dem ich dann doch wissen wollte, wie das Ganze ausgeht. Ich hatte permanent das Gefühl, dass King mehr wollte als er dann geschafft hat, und ich hab mehrmals an The Stand denken müssen, vermutlich, weil beide Bücher extrem auf den Kampf Gut gegen Böse fokussiert sind - nur hat das in The Stand für mich viel besser funktioniert, vielleicht auch, weil sich die Handlung über einen längeren Zeitraum erstreckt hat, die Charaktere besser ausgearbeitet waren und Randall Flagg einfach ein extrem gelungener Bösewicht ist. Jim Rennie ist genau betrachtet ein armseliges Provinzwürstchen, das sich an das bisschen Macht klammert, das er hat und sich dabei einredet, dass er das ja alles nur für die Stadt tut.
Interessant fand ich die Idee, zu schauen, was passiert, wenn Menschen unversehens in eine Extremsituation gebracht werden. Wie verhalten sie sich untereinander, wie gehen sie mit der Situation um? Das hätte noch viel mehr Potenzial gehabt als "Die sind gut/die sind böse". Ich fand's etwas schade, dass King die Bösen gleich SO böse und brutal hat werden lassen; das war auch nicht ganz glaubwürdig. Ebenso wenig hab ich es glaubwürdig gefunden, dass der Großteil der Bevölkerung so strunzdumm ist und auf Rennies Lügen reinfällt. Gut, ich seh jeden Tag, auf welche Politiker die Leute im echten Leben reinfallen, und womöglich ist Kings Szenario gar nicht mal so abwegig. Es hat sich nur viel zu schnell entwickelt - ich meine, wie lange waren die eingesperrt, knapp eine Woche lang? Und schon an Tag 1 gibt's Mord und Totschlag, an Tag 2 oder 3 eine Gruppenvergewaltigung, dann noch mehr Mord und Totschlag? Erm. Ja. Wenn er meint. Ich fand's übertrieben und auch unnötig. Mir hat auch gefehlt, dass das Überlebensszenario nicht so detailliert ausgearbeitet wurde - als erstmals davon die Rede war, dass die Luft schlechter wird, hab ich voller Spannung drauf gewartet, wie die Bewohner das Problem wohl lösen würden, zu welchen neuen Konflikten das führen könnte etc. Und was ist? Es macht BOOM und nur eine Handvoll Leute bleibt übrig. Fand ich unnötig und auch etwas billig. Ich konnte überhaupt Chefs Motivation nicht wirklich nachvollziehen. Drogen hin oder her, aber ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass Chef und sein Vorhaben nur Mittel zum Zweck sind, weil King sich ersparen wollte, ein vernünftiges Ende zu schreiben bzw. die brodelnden Konflikte weiter auszuführen.
Eine Frage, die ich mir die ganze Zeit gestellt hab: Wenn die Leute nach wie vor im Internet surfen und Mails schreiben können - wie laden die bitte die Akkus ihrer Handys und Laptops auf, wenn der Reihe nach die Generatoren ausfallen? Der Akku meines Handys hält drei bis vier Tage, wenn ich NICHT online gehe damit. Sobald ich das Handy benutze, um online was zu machen oder wenn ich anschließend vergesse, die Verbindung wieder zu kappen, dann hält der Akku vielleicht einen Tag, allerhöchstens zwei. Ich erwarte jetzt von King keinen großartigen Realismus, aber da war er etwas schlampig.
Stellenweise fand ich das Buch dann wieder ganz interessant, noch mal lesen würde ich es allerdings nicht.
Shiny. Let's be bad guys.