Die Welle

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Re: Die Welle

Beitragvon *Jo* » Fr 23.Jul.2010 13:36

Weil es so etwa 15 Jahre her sein dürfte, dass ich den Film zum ersten Mal sah und ich mich einfach nicht mehr dran erinnern kann - nur noch weiß, dass ich damals wirklich beeindruckt war - dürfte ich an die Neufassung relativ unvoreingenommen rangehen. Die Welle war damals einer der Filme, dessen Ende sehr tragend war und bedeutsam für dessen Gesamtwirkung und Anspruch. Ich kann mir vorstellen, dass ich allein deswegen von der Neufassung nicht sehr angetan sein werde, weil das Ende hier eher ernüchternd ausfallen soll - ob dem wirklich so ist und inwiefern das für mich das Gesamtbild beeinflusst, werd ich in jedem Fall sehen. Jürgen Vogel geb ich einfach ne verdiente Chance. Charisma hat er ja; wieso dann nicht auch für mehr als nen Klamauk - und was allgemein deutsche Filme angeht, hab ich spätestens seit "Das Experiment" jegliche Vorurteile über Bord geworfen ...ich lass mich also gerne überraschen. :0)
*Jo*
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Re: Die Welle

Beitragvon *Jo* » Mo 23.Aug.2010 18:17

NICHT lesen, wer ihn noch NICHT gesehen hat :!:



Habe mir gestern die Welle (2008) angesehen. Jürgen Vogel überzeugte mich als Lehrer absolut. Zu keiner Sekunde sah ich ihn im Geiste auf der Couch in der Schillerstraße sitzen, und das war gut.
Ich war beeindruckt davon, wie nahtlos und von den Schülern völlig unbemerkt er den Übergang schaffte zwischen der aufgestellten Behauptung, eine Diktatur würde auch mit Sicherheit heute noch funktionieren - dem bloßen Willen, die Schüler genau davon zu überzeugen - und seinem Handeln, der bewussten Manipulation ihres Verhaltens. Ich saß mit nem Grinsen und dem Gedanken "Die sind schon mittendrin und merken's nicht" da, fand die Szene, in der alle diese vermeintliche Auflockerungsübung machten und dabei unwillkürlich einen Marsch zelebrierten, so ...groß, dass ich (ohne Scheiß!) Gänsehaut bekam. Die Welle hatte sich gewaltig aufgetürmt. Das war gut.
Doch schon bald folgte die Ernüchterung. Die Schüler bildeten eine Einheit, trugen Uniform, hatten sogar ein Gruppensymbol - okay, soweit so gut. Doch dass sie sich als Gruppe, als Bewegung die Welle nannten, gefiel mir nicht. Für mich war die Welle immer das Ereignis, das Geschehen selbst, das außer Kontrolle geraten war. Etwas, das man spürte und einen mitriss und nicht permanent benannt wurde. Irgendwie hatte ich zu sehr das Gefühl eines deutlichen Fingerzeigs auf etwas, womit sie persönlich nichts am Hut hatten. In etwa wie "Hey, der Film soll doch die Welle heißen, ja, ist ne Neuverfilmung, das Original hieß doch auch die Welle ..." Der Film verlor an Eigenständigkeit. Das war nicht gut.
Der Film wurde 2008 gedreht und die Handlung auch in diese Zeit verlegt, in eine Zeit, in der sich Kids zu Gangs verbünden und allen anderen mit demonstrativer "Ey, wir sind cool, Alter!"-Mentalität begegnen. Aufmüpfig. Respektlos. Derb.
Graffiti-Sprüherei, Schlabberklamotten, Skateboards, laute, schier unerträgliche Mucke, Gossenslang. Mir gehen solche Kids gehörig auf den Zeiger und das nervte mich auch in dem Film. Hinzu kam, dass keine ihrer Aktionen für mich aufrichtige Überzeugung zeigte für ihren Gemeinschaftssinn. Alle taten nur - scheinbar ohne sich wirklich drüber Gedanken gemacht zu haben - das, worauf sie eben Bock hatten; eine oberflächliche Repräsentation der rebellischen Jugend von heute. Zudem taten sie, was sie wollten und folgten keineswegs ihrem Lehrer. Hier hatte der Film für mich sein Ziel verfehlt. Das war nicht gut.
Der Film bot keine Überraschung, keine nennenswerten wirklich bewegenden Momente. Die Leistungen der Darsteller insgesamt schon gut, wenn auch nicht nachhaltig beeindruckend, außer natürlich Jürgen Vogel. Alleine Tim - der chronisch verstört dreinschauende, irgendwie psychotische Außenseiter, hatte zwar etwas Interessantes, Beunruhigendes (gut gespielt!) aber nichts Unvorhersehbares.
So war doch auch irgendwie klar, dass er dazu imstande sein würde, tatsächlich mit einer Knarre auf jemanden zu schießen, nachdem er die Waffe symbolisch in die Homepage der Welle eingefügt und immerhin schonmal auf jemanden gezielt hatte.
Das Wasser hatte sich ziemlich geglättet und ich erwartete keine Steigerung mehr, bis zu jenem Ende. Hier war wieder die anfängliche Atmosphäre spürbar; als sie alle versammelt waren und begeistert und voller Zustimmung der Rede ihres Anführers zuhörten - eine grandiose Szene, ein grandioser Jürgen; dennoch: ein fader Beigeschmack blieb. Wo zum Teufel war all diese Begeisterung zwischendurch? Dieser ganze angesammelte Wahnsinn - weswegen genau huldigen sie IHM jetzt dermaßen? Nichts davon war zuvor so deutlich spürbar, weswegen zwar der Moment des Endes, nicht aber dessen Motivation überzeugte.
Schade. Trotz Vogel und einiger großer Momente für mich kein Film, den ich mir nochmal ansehen würde.
Für mich hatte er nicht dasselbe nachhaltige Gefühl hinterlassen, wie damals der Fernsehfilm und das Buch; auch wenn ich mich an beides nicht/ kaum erinnern kann, bin ich dessen ziemlich sicher.
*Jo*
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