Das heimliche Fenster, der heimliche Garten (Langoliers)

Diskussionen über Kings Novellen und Kurzgeschichten

Das heimliche Fenster, der heimliche Garten (Langoliers)

Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Fr 12.Jul.2002 15:52

So, ich hab gestern und heute nochmal diese ... äh, Novelle oder diesen Kurzroman, keine Ahnung was es ist, gelesen. Und für alle die es noch nicht kennen, ich werd hier spoilern was das Zeug hält, also besser Augen zu. Bild

Also, ich find die erste Hälfte genial. Allein die Idee, dass da einem Schriftsteller, der im Moment ziemlich vom Leben gebeutelt wird, plötzlich ein Fremder gegenübersteht der ihn des Plagiats bezichtigt und sich so richtig schön verrückt aufführt - klasse.

Dann driftet es aber ins Unrealistsiche ab. Schon allein, dass Mort sich in Widersprüche verwickelt und nicht zur Polizei geht hat mir nicht gepasst. Spätestens, wenn man seine Katze an die Hauswand festgenagelt findet, sollte man aufhören den Helden zu spielen (armer "Bump" ... *schnief*).

Tja, und die Erklärung, dass er schizophren war ... etwas enttäuschend, wenn auch ok. Mir als Leser gefällt es besser, wenn eine Person ohne eigenes Verschulden in so eine Lage gerät und niemand ihm Glauben schenkt ... und er zum Schluss, trotz etlicher Gefahren, die ganze Chose aufklärt und nochmal davonkommt. Das ist Katharsis vom Feinsten. :mrgreen:

Diese Geschichte hätte das Zeug dazu, aber sie verläuft anders ... und ganz zum Schluss kommt dann noch die Möglichkeit ins Spiel, dass der mysteriöse Shooter nicht nur Teil von Morts Persönlichkeit war, sondern eine Romanfigur, die sich aufgrund seiner Schuldgefühle verselbstständigt hat um ihn zu bestrafen ... das wird aber so kurz gegen Ende abgehandelt dass es mir nicht glaubwürdig genug rüberkommt.

Mich würde das alles weniger stören, wenn die Erzählung mich in der ersten Hälfte nicht so unheimlich fesseln würde. Daher habe ich mir ein etwas würdigeres Finale gewünscht.
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon White Claudia » Fr 12.Jul.2002 18:40

Ups, ich muss gestehen, dass ich von dieser Story kaum noch was weiß, nur das Grundgerüst ist mir so etwa hängengeblieben. Trotzdem sind mir da zwei Sachen aufgefallen.
Zum einen das Motiv der "Schizophrenie". Gab es nicht schon eine recht ähnliche Geschichte mit verwandter Pointe namens "Erdbeerfrühling"? Ich meine mich erinnern zu können, dass es bei dieser ziemlich gleich abläuft.
Zum anderen das Schlagwort der Schizophrenie: Ich möchte es nicht beschwören, aber kann es sein, dass King wie schon in "Drei" sich im Begriff vertut? Ich habe mal irgendwo gelesen oder auch gehört, dass Schizophrenie nicht unbedingt gleichbedeutend mit "Gespaltener Persönlichkeit" ist, sondern vielmehr die psychische Störung von völlig unterschiedlichen oder widersprüchlichen Handlungsweisen, Taten, Gedanken etc. bedeutet. Etwa, wenn eine junge Frau voller Freude ihr weizenblondes Haar beschreibt, im nächsten Satz aber stolz von ihren faszinierend-pechschwarzen Haaren erzählt (natürlich ein sehr simples und grobes Beispiel.)
Oder vertue ich mich da vollkommen? Vielleicht hat ja jemand Ahnung von der Materie und kann mich kleines Dummerle mal endgültig aufklären...
White Claudia
 

Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Fr 12.Jul.2002 19:07

Also zu "Erdbeerfrühling" (SPOILER!!!): Jep, da geschehen seltsame Morde auf dem Campus und am Ende stellt sich heraus dass es der Ich-Erzähler war, obwohl er selbst Angst vor dem Mörder hatte ... so hab ichs in Erinnerung. Muss mal nachgucken.

Zu "Drei" kann ich nix sagen weil ichs noch nicht kenne ... aber zur Begriff "Schizophrenie". *räusper*

Es gibt viele Unterarten, man sagt auch "Gruppe der S.", weil es verschiedene Varianten gibt. Einig ist ihnen, dass die betreffende Person in der dritten Person über sich sprechen hört, obwohl diese Stimmen von ihm selbst kommen. Der Kranke hat also ein gestörtes Wahrnehmungsverhältnis zu sich und zur Aussenwelt, mal ganz allgemein formuliert.

"Persönlichkeitsspaltung" sagt man in der Umganssprache dazu. Damit ist aber eher die Krankheit "Multiple Persönlichkeisstörung" gemeint. Und das ist es auch eher, was bei King vorliegt. Das vielzitierte Paradebeispiel hierfür ist Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Und das scheint mir auch eher in der Erzählung hier vorzuliegen, oder...?

Bei der Schizophrenie ist es eher nicht so, dass man plötzlich mit zwei verschiedene Stimmen spricht, oder so.

Der Betroffene hat nicht nur einfach "mehre Persönlichkeiten" die gegensätzlich handen oder fühlen können. Er kann zwischen der Wirklichkeit und den eigenen Vorstellungen zeitweise nicht mehr unterscheiden. Er bestzt eine übermäßig ausgeprägte Egozentrik, indem er in akuten Situationen alles in der Umwelt auf sich bezieht. Dazu kommen dann noch Paranoia und depressive Schübe. Denk- und Gefühlsprozesse geraten ausser Kontrolle. Die Sinneswahrnehmung ist davon auch betroffen und verzerrt die Realität. Halluziationen können die Folge sein.

In der Erzählung ist zwar von "schizophrenen Anfällen" die Rede. Ich denke aber, dass es sich eher um die "Multiple Persönlichkeitsstörung" handelt.

Also geb ich Dir insofern Recht, dass King den Begrif hier ungenau oder sogar falsch verwendet. Bild
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon White Claudia » Fr 12.Jul.2002 19:30

Aha, also hat mich mein gefährliches Halbwissen doch nicht völlig getäuscht.
Aber zu Kings Verteidigung kann man ja anbringen, dass er beileibe nicht der einzige ist, der diesen Begriff recht ungenau benutzt - im Volksmund ist Schizophrenie in der Tat gleichbedeutend mit "Gespaltener Persönlichkeit".
Naja, schon wieder was gelernt! :D Eines nur macht mich stutzig: Dein profundes Wissen über dieses Thema. Hast du schnell irgendwo nachgeschlagen oder studierst du etwa (schauder) Psychologie, Pädagogik etc. ? :shock:
White Claudia
 

Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Fr 12.Jul.2002 19:38

Ich wollte tatsächlich mal Psychologie studieren ... höhö ... ganz gut, dass es nicht dazu kam. :mrgreen:
Nee, ich hatte aber Pädagogik-Leistungskurs und da war "Schizophrenie" mal unser Thema auf der Basis der Anlage-Umwelt-Problematik - mittlerweile geht die Medizin nämlich davon aus, dass es eine endogene Psychose ist, also erbliche Vorbelastung sowie Gehirnabnormitäten eine Ursache sein können.
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon White Claudia » Fr 12.Jul.2002 19:45

Merkt man ja schon, irgendwie... :wink:
Naja, da kann ich wenigstens mal meine mannigfaltigen Vorbehalte gegen diese Spezies abbauen, denn mit dir kann man sich ja in der Tat sehr angenehm unterhalten!
Da sei dir dieser kleine Ausflug in die Niederungen der Pädagogik mal verziehen... :)
White Claudia
 

Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Sa 13.Jul.2002 14:54

Oh, danke! :mrgreen:

Na, ein Psychologe würde vermutlich ganz klar sagen, dass der Begiff hier völlig falsch verwendet wurde. Mir kommt das ganze auch zu plötzlich am Ende ... Zu sehr konstruiert. Und das ist schade, weil mir der Anfang extrem gut gefiel.

Mich erinnerte es auch ein bisschen an die Kurzgeschichte "Manchmal kommen sie wieder ..."

SPOILER!!!

Da fühlt sich der Lehrer ja auch von Jugendlichen verfolgt, die eigentlich schon längst tot sein müssten. Niemand ausser ihm weiss davon, er hat Angst es jemandem zu sagen weil er schonmal einen Nervenzusammenbruch hatte - und am Ende stellt sich heraus, dass es tatsächlich die Geister der Kids waren, die Rache an ihm nehmen wollten.

Da fand ich die Ausgangssituation auch klasse, hätte mir aber eher einen Psychotrip gewünscht wo die Jugendlichen (noch lebend, natürlich) sich in sein Leben eizuschleichen und versuchen, ihn zum Wahnsinn zu treiben ...
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon Annie_! » Mo 15.Jul.2002 13:47

:wink:
Ich fand das in "Das heimliche ......" auch so ähnlich wie Ginny!
Am Anfang hats mir auch recht gut gefallen. Und ich hab mir gedacht, das gibts doch nicht, er (der Schriftsteller) weiß ja, dass das Buch von ihm stammt. Warum tut er so blöd....... !!! Krrrr. Aber ich fands trotzdem recht spannend. Wo er sich dann mit ihm getroffen hat, und der Mann der vorbeiführ hat nur eine Person gesehen. Ich hab da schon geglaubt, dieser Fremde ist irgendein böser Geist, der diesen Mort quälen will.

Und dann kommt raus, das ers selber war. ??????????? Das war schon schade. !!!!!!! :x Eigentlich müßt ich die Geschichte ja noch ein 2. Mal lesen, jetzt wo ich weiß, das alles der selbe ist! Das wär dann sicher alles ganz anders!!
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Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Mo 15.Jul.2002 22:16

Genau Annie ...

Narürlich hab ich mir beim Lesen auch so meine Gedanken gemacht, wie hätte King es denn stattdessen enden lassen können.

Eine sehr gute Erzählung kennzeichnet sich für mich unter anderem auch dadurch, dass ich während des Lesens mir zwar verschiedene Enden vorstellen könnte, mich aber keine wirklich befriedigt, ich dem tatsächlichen Ende entgegenfiebere und anschließend zufrieden damit bin und finde, dass man kein besseres hätte verwenden können. Das Ende ist für mich sowieso grundsätzlich sehr wichtig.

Hier lässt es mich etwas enttäuscht zurück.

Dabei finde ich die Idee mit dem ehemaligen Kurskollegen, von dem er die Geschichte übernommen hat, gar nicht schlecht ... Aber ich verstehe nicht, warum es nur sein "Geist" sein soll, der ihn dafür zur Rechenschaft zieht ...

Warum nicht folgendes: Der ehemalige "Kollege" weiss als einziger von dem Plagiat, spürt ihn auf und schleicht sich in sein Leben ein ... der Leser selbst weiss bis zum Schluss nicht, ob Mort verrückt wird oder der Fremde wirklich existiert ... und Mort selbst zweifelt an seinem Verstand, zumal ihm niemand Glauben schenkt ... bis zum klassischen Showdown ...

Ich fänd das irgendwie besser ... Bild
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon Annie_! » Di 16.Jul.2002 11:31

:twisted:
Ja, also das hört sich schon mal sehr gut an, dieses Ende!!!!!!!!
Würd mir sicher besser gefallen, als der "echte" Schluß!!!!
:twisted:
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Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Di 16.Jul.2002 12:32

Ich werde Mr. King meinen Vorschlag umgehend unterbreiten. Bild
:mrgreen:

Das wäre ein klassisches Hitchcock-Szenario wie ich es so gerne mag; Protagonist gerät in die Bredouille, niemand glaubt ihm...
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon Annie_! » Sa 20.Jul.2002 12:14

Übrigens:

So ähnlich wie beim "heimlichen Fenster, heimlicher Garten" find ichs eigentlich auch bei "Duddits"!!!!!!!!! Obwohl ich Duddits sehr sehr sehr gut fand, war ich von "dem" schon ein Bißchen enttäuscht!

:? *....wie soll ich das schreiben, damit ich nichts verrate....??...* :?

Also. Mir hätts auch bei "Duddits" besser gefallen, wenn nicht beides der selbe Mensch gewesen wäre!!!!
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Beitragvon Ginny-Rose_Carter » Sa 20.Jul.2002 14:24

... Annie hat alles verraten ... Bild
:mrgreen:

Hmtja, ich sag mal so: An sich lese ich Geschichten mit gespaltenen Persönlichkeiten gerne. In "Das Spiel" gehts ja auch in die Richtung, mit den Stimmen, die Jessie in ihrem Kopf hört.
Aber da weiss der Leser schon vorher Bescheid.

Wenn eine gespaltene Persönlichkeit die Pointe ist bin ich meist etwas enttäuscht. Vielleicht deshalb, weil es mir wie eine Ausrede des Autors erscheint.
Es wäre viel schwieriger für King gewesen, sich plausible Erklärungen einfallen zu lassen wie Shooter es gelang in das Leben von Mort einzudrungen, ihn zu täuschen und in die Irre zu treiben und trotzdem für den Rest der Umgebung quasi unsichtbar zu blieben.

Mir fällt spontan nur eine Story ein, bei der die gespaltene Persönlichkeit die Pointe und Erklärung war, und wo es ich trotzdem befriedigt hat - Robert Blochs "Psycho".
Ginny-Rose_Carter
 

Beitragvon Leo » Mo 18.Aug.2003 10:44

hmm...bei mir ist es jetzt zwar schon einige zeit her, dass ich das buch gelesen habe, aber ich habe es anders interpretiert als ihr.

[spoiler]
ich war mir am ende des buches sicher das auch der andere schriftsteller (den namen habe ich vergessen) existiert. der hat es nur so geschickt eingefädelt das alle am schluss glaubten nur mort hätte schuld. ich dachte mir mort wurde erst am schluss verrückt, weil er selbst nicht mehr wusste ob er jetzt der verrückte war oder nicht.
nach dem mort tot war, hat ja seine frau noch so einen zettel im hut gefunden...
[/spoiler]

ich fand die geschichte im ganzen gut, und mit diesem ende hätte ich nie gerechnet.
Leo
 

Beitragvon susa » So 14.Dez.2003 18:41

Hm, ich muss bei "Das heimliche Fenster, der heimliche Garten" immer an "Stark" denken und umgekehrt, obwohl die beiden geschichte ja nur in den grundliegendsten Grundzügen was miteinander zu tun haben.

Die Idee der Geschichte selber find ich sehr spannend, es fesselt einfach immer wenn einer Person etwas widerfährt und niemand will ihm glauben.

King hat das auch verdammt gut beschrieben, die Geschichte prima aufgebaut- aber ein Ende geschrieben das mich nicht "befriedigt". Das war einfach zu simpel, das Ende. Nichts besonderes. Der einzige Lichtblick war die Szene als der andere Mann meinte erhätte Mort gesehen- und neben ihm nen "durchsichtigen" Mann.
susa
 

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