von ditrhav » Do 01.Dez.2005 11:26
In Glas gibt es zumindest Hinweise:
"»Seht euch die Streben dieses Tors an«, sagte Susannah. Sie hörte sich atemlos
und ehrfürchtig an. »Seht sie euch genau an.«
Jake beugte sich über eine gelbe Strebe, bis er fast mit der Nase dagegenstieß und
ein blaßgelber Streifen mitten über sein Gesicht fiel. Zuerst sah er nichts, dann
keuchte er. Was er für Sonnenstäubchen gehalten hatte, waren Lebewesen -
Lebewesen, die in der Stange eingeschlossen waren und in winzigen Schwärmen
darin schwammen. Sie sahen aus wie Fische in einem Aquarium, aber sie sahen auch
(ihre Köpfe, dachte Jake, ich glaube, es liegt hauptsächlich an ihren Köpfen) auf
beunruhigende Weise menschlich aus. Als würde er, überlegte Jake, in ein vertikales
goldenes Meer sehen, der ganze Ozean in einem Glasstab - in dem lebende
mythologische Wesen schwammen, nicht größer als Staubkörnchen. Eine winzige
Frau mit einer Schwanzflosse wie ein Fisch und langem blondem Haar schwamm zur
Glaswand, um den riesigen Jungen anzusehen (ihre Augen waren rund, erstaunt und
wunderschön), dann schoß sie wieder davon.
Jake fühlte sich plötzlich schwindlig und schwach. Er machte die Augen zu, bis
das Schwindelgefühl sich gelegt hatte, dann schlug er sie wieder auf und drehte sich
zu den anderen um.
»Heiliger Strohsack! Sind sie alle gleich?«
»Alle verschieden, glaube ich«, sagte Eddie, der bereits in zwei oder drei andere
hineingesehen hatte. Er beugte sich dicht über den purpurnen Stab, und seine
Wangen leuchteten auf wie im Glanz eines uralten Fluoroskops. »Die hier sehen wie
Vögel aus - winzige Vögel.«
Jake sah hinein und stellte fest, daß Eddie recht hatte: In dem purpurnen Stab des
Tors befanden sich Schwärme von Vögeln, die nicht größer als Mücken waren. Sie
flatterten fröhlich in ihrer ewigen Dämmerung herum, über- und untereinander durch,
und ihre Schwingen hinterließen winzige Silberspuren von Bläschen.
»Sind sie wirklich da?« fragte Jake atemlos. »Sind sie da, Roland, oder bilden wir
sie uns nur ein?«
»Ich weiß nicht. Aber ich weiß, womit dieses Tor Ähnlichkeit haben soll.«
»Ich auch«, sagte Eddie. Er betrachtete die leuchtenden Stäbe, jeder mit einer
eigenen eingeschlossenen Säule aus Licht und Leben. jeder Torflügel bestand aus
sechs bunten Streben. Die in der Mitte - breit und flach, statt rund -, die sich teilte,
wenn das Tor geöffnet wurde, war die dreizehnte. Diese mittlere Strebe war
pechschwarz; in ihr bewegte sich nichts.Oh, du kannst es vielleicht nicht sehen, aber es bewegt sich durchaus etwas darin,
dachte Jake. Es ist Leben darin, schreckliches Leben. Und vielleicht sind auch Rosen
darin. Ertrunkene Rosen.
»Das ist ein Tor des Zauberers«, sagte Eddie. »Jede Stange ist so gemacht, daß sie
einer der Kugeln von Maerlyns Regenbogen gleicht. Seht, hier ist eine rosafarbene.«
Jake stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab und beugte sich darüber. Er
wußte, was darin sein würde, noch ehe er es sah: Pferde, 'ne ganze Herde. Winzige
Herden, die durch die seltsame rosa Masse galoppierten, bei der es sich weder um
Licht noch um Flüssigkeit handelte. Vielleicht Pferde auf der Suche nach einer
Schräge, die sie niemals finden würden."