von Jaynes » So 22.Feb.2009 10:35
Solche Vergleiche halte ich generell für ungemein schwierig. Nicht nur, dass es zwei völlig verschiedene Herangehensweisen an den Stoff sind, so sind die Bücher auch in ihren Absichten absolut gegensätzlich. Man kann meines Erachtens auch keinen legitimen Vergleich anstellen, da die Konzeption und damit auch das Genre ein gänzlich anderes ist. Ich rede hier jetzt nicht unbedingt von Äpfeln und Birnen, sondern eher von Royal Gala und Granny Smith.
Zudem muss man den zeitlichen Hintergrund betrachten, der Aufschluss über Textgenese gibt. Tolkien schrieb teilweise für seine Kinder, teilweise verarbeitete er auch Kriegserlebnisse. King hingegen hatte die Absicht ein großes umfangreiches Werk mit einem ambivalenten Cowboy zu schreiben.
Tolkien hat mit seinem Werk überhaupt erst, das Genre der High-Fantasy erschaffen, King aber macht sich dieses Konzept zu eigen, um etwas völlig anderes zu machen. King ist einfach figurenorientierter, Roland ist mal lange hässliche Cowboy, dann der Gebrochene. Die Entwicklung der Figur und ihre Reflektionen stehen eher im Vordergrund, als vielleicht die epische Geschichte, welche den Herrn der Ringe beherrscht. Im Herrn der Ringe gibt es auch vielmehr Figuren, die den epischen Charakter der Geschichte enorm voran treiben. King hingegen entwickelt Hauptfiguren und beschränkt sich auf diese, bietet damit so etwas wie Identifikationspotenzial. Tolkien hingegen legt seine Charaktere eher stereotyp an, Aragorn beispeilsweise wäre als ambivalenter König ein ganz anderer Charakter. Überlegt man nur mal, dass er vielleicht Gimli oder den Elf geopfert hätte, um das Totenheer zu überreden, ihm zu folgen, das wäre völlig gegen das Konzept gewesen. Ich will nicht sagen, dass der Herr der Ringe keine Identifikationsfiguren bietet, aber diese sind halt eher motivisch den Mythologien entlehnt und sind eher symbolisch zu betrachten.
King hingegen hat einen typischen postmodernen Roman geschrieben, der sich bei Werken der Vergangenheit bedient und viele intertextuelle Bezüge aufweist. Tolkien hat etwas erfunden, was es zu dieser Zeit nicht gab.
Alles was ich hier über Tolkien sagte, bezieht sich ausschließlich auf den Herrn der Ringe, denn das Silmarillion und vor allem die Nachrichten aus Mittelerde spielen wiederum in einer ganz anderen Liga. Ich finde zum Beispiel, dass der interessanteste Charakter, den Tolkien entworfen hat, der Turín Turambars ist. Diese einzelnen Geschichten orientieren sich nämlich nicht an dem epischen Charakter, sondern an den Figuren.
Ich will damit nicht sagen, dass King besser wäre oder andersrum, es sind einfach völlig unterschiedliche Werke mit anderen Intentionen. Beide sind umwerfend! aber eben anders.