Dieses Ende ist für mich als Leser die perfekte Ausrede, wieder mit Band 1 anzufangen, denn nach dieser Auflösung lohnt es sich durchaus, das zu tun. Das freut mich, denn ich habe ungern von Roland und seinem Ka-Tet Abschied genommen, auch wenn das "richtige Leben" allmählich mit Nachdruck wieder nach meiner ungeteilten Aufmerksamkeit verlangt. Aber ich glaube, es wird nicht lange dauern, bis ich einfach nochmal von vorne anfange ...
Ich habe jetzt einiges an Kritik und Interpretationen in diesem Thread gelesen (nicht alles), vieles davon sehr scharfsinnig, anderes sehr detailfitzelig, und mir ganz verschiedenen Vorlieben und Abneigungen, aber man merkt schon, der Dunkle Turm beschäftigt einen weiter, auch nachdem der letzte Band zugeklappt ist. Alleine das ist schon ein klares Merkmal für eine gute Geschichte, und wenn sie hunderte von Fehlern im Detail enthalten sollte.
Irgendwas in mir behauptet außerdem hartnäckig, daß es Stephen King wahrscheinlich ganz genauso geht, nicht zuletzt auch deshalb, weil er selbst sicherlich nicht mit jedem Teil gleich zufrieden ist.
Ich habe die Einführung seiner eigenen Person in die Geschichte so aufgefaßt, daß es ihm ungeheuer wichtig gewesen sein muß, diesen Zyklus fertigzustellen, und daß ihn in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß er sich damit so schwer tat, daß es mehr als zwanzig Jahre dauerte, wie auch die , daß es reines Glück war, daß er ihn nach seinem Unfall überhaupt noch fertigstellen konnte, sehr beschäftigt hat.
Nun hat er seine Pflicht erfüllt und seinen eigenen dunklen Turm also damit erreicht. Eigentlich müßte also auch er sich in der Wüste wiedergefunden haben.
Es würde mich nicht im mindesten überraschen, wenn da in irgendeiner Form (welcher auch immer) noch etwas in diesem Zyklus nachkäme. Das Ende der Geschichte bietet da auch ihm als Autor einiges an Potential; ich an seiner Stelle hätte zum Beispiel nicht die geringsten Hemmungen, den kompletten Zyklus nun noch einmal zu überarbeiten, hier einen Teil, der bislang zu kurz gekommen ist, weiter ausbauen, vielleicht auch an anderer Stelle kürzen oder etwas ganz streichen, was ihm seinerzeit gefallen hat, heute aber nicht mehr. Ich finde, die Geschichte läßt das durchaus zu, und zwar, wenn's sein muß, auch mehrmals, und von mir aus auch gerne mit diversen Alternativ-Teilsträngen. Ein Autor wie er sollte sich solche Extravaganzen durchaus leisten können.
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Ich fand das Ende grandios, und ich gestehe, es ist eine Last von mir gefallen, als ich es gelesen habe. So, wie das Monster immer ein bißchen enttäuschend ist, wenn es hinter der Tür hervorgekommen ist, könnte doch eigentlich auch der Preis, der am Ende für alle Mühen, für alle Schuld, die man auf sich geladen hat, dafür, all das, was einem lieb und teuer geworden, ist am Ende wieder hergeben zu müssen, nur eine Enttäuschung sein, oder? Es gibt nichts, was Stephen King sich dafür an Positivem hätte ausdenken können, das ich persönlich hätte akzeptabel finden können, also blieben im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Das Buch damit enden zu lassen, daß Roland den Turm betritt, und den Rest darf sich der Leser selbst vorstellen, oder ihm am Ende in irgendeiner Form den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Das erstere wäre eine fromme Lüge gewesen, so wie es eine Lüge ist, wenn man die Leute glauben läßt, wenn sie sich ein bestimmtes Ziel zu erreichen vornehmen (Karriere machen, im Lotto gewinnen, eine Familie gründen - oder was auch immer), dann fällt, sobald sie es nur erst einmal erreicht haben, eine Tür hinter ihnen zu, und dann wird alles gut sein. Das Leben ist nur dann gut, wenn die Gegenwart nicht völlig von dem absorbiert wird, was der Zukunft dienen soll.
Für mich hat Stephen King perfekt die Selbsttäuschung wiedergegeben, mit der sehnlich erwünschte Ziele immer verbunden sind. Life ist what happens to you, while you're busy making other plans, wie John Lennon schon sang.