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Der Turm - Eine philosophische Betrachtung
#4
Blaine und das Lügnerparadoxon (oder welche Frage ich Blaine gerne gestellt hätte)

Eine der besten Stellen der Turmsaga war für mich der Rätselwettstreit mit Blaine. Das Ende kam unerwartet und man fühlte sich „auf die Folter gespannt“. Im Nachhinein wirkte es aber vorhersehbar: Blaines Scheitern lag nicht in mangelnder Intelligenz begründet, sondern in den „Vertragsbedingungen“, auf die er sich eingelassen hat. Blaine muss Rolands Ka-Tet freilassen, wenn er eine Frage nicht beantworten kann. Damit ist nur festgelegt, dass ein Rätsel ein Satz in Frageform sein muss (oder beinhalten muss), dessen Lösung eine klar definierte Sache ist, d.h. ein Gegenstand oder ein kausaler Bezug. (Siehe Eddies Trickfrage.) Über die „Sinnhaftigkeit“ der Frage und deren Lösung, bzw. über die logische Verknüpfung von Frage und Lösung wurde nichts vereinbart und genau das wurde Blaine zum Verhängnis.

Eddies Lösung in Form einer dadaistischen Frage war amüsant, doch ich denke, es hätte noch ein besseres unknackbares Rätsel gegeben – eines, das dem alten Griechen Epimenides zugeschrieben wird.
Hier ist die Frage, die ich persönlich Blaine gerne gestellt hätte:

Wenn ein Lügner sagt „Ich lüge jetzt.“, lügt er dann, oder sagt er die Wahrheit?

Von der Form scheint es eine einfache Frage zu sein, eine simple „entweder-oder-Frage“. Wer sich diese Frage durch den Kopf gehen lässt, wird jedoch schnell merken, dass es sich um ein Paradoxon handelt, für das es keine Antwort gibt. Genauer gesagt ist es so, dass die zwei Antworten in Reichweite zu liegen scheinen, sich aber gegenseitig ausschließen: Der Lügner muss lügen, bei allem was er auch sagt, denn das ist die Definition eines Lügners. Somit muss jede Aussage, die er macht, falsch sein. Damit wird aber der Satz „Ich lüge jetzt.“ ins Gegenteil verkehrt – was nichts anderes bedeutet, dass der Lügner in diesem speziellen Fall die Wahrheit sagt. Wenn die Aussage „Ich lüge jetzt.“ aber wahr ist, verkehrt sich der Wahrheitswert wiederum ins Gegenteil – und so weiter.
Offensichtlich liegt ein Zirkelschluss vor der kein Ende kennt. Wenn wir den Gedankengang immer weiter verfolgen drehen wir uns im Kreis, wie Oy, der seinem Schwan z hinterherjagt. Das hätte Blaines Logikschaltkreise mit Sicherheit zum Qualmen gebracht. Wenn nicht – wenn Blaine z.B. eine Mechanismus hätte, der solche Paradoxa erkennt und isoliert – wäre er trotzdem verpflichtet gewesen, eine Antwort zu geben, was aber bei dieser Frage unmöglich ist, wie gezeigt wurde.

So, wie Blaine nach neuen Rätseln sucht, suche ich nach diesen Paradoxa. Zunächst erscheinen sie wie eine Spielerei, aber in der Logik und Mathematik haben sie eine wichtige Bedeutung. Tatsächlich gibt es das eben aufgeführte Paradoxon in anderer Form unter dem Namen der „Russelschen Antinomie“ – der berühmte Russell, den ich im ersten Post erwähnt habe. Warum die Russelsche Antinomie so populär ist und woher ihre große Wichtigkeit für die Logik und Mathematik rührt, wäre aber zu viel Erklärungsaufwand. Amüsant zu lesen ist sie auch ohne das Hintergrundwissen:

In einer Stadt gibt es einen Barbier, der alle Männer rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Er ist der einzige Barbier in der Stadt. Wer rasiert nun den Barbier?

Auch hier gibt es wie bei der Lügnerfrage keine Lösung: Entschließt sich der Barbier, die Rasur selbst vorzunehmen, darf er sich nicht rasieren, denn er darf nur die rasieren, die es nicht selbst tun.
Gehört er aber nun zu dieser letzteren Gruppe, müsste er sich eben gerade rasieren! Womit man wieder am Anfang des Zirkelschlusses steht.
Ich denke, mit diesem Rätsel hätte man beim Rätselwettstreit von Gilead sein Leben riskiert. Smile
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