26.12.2002, 00:41
Manch einer sagt, Liebe sei kindisch,
Mancher sagt, sie sei federleicht,
Für manchen dreht sie die Welt im Kreis,
manch andrer findet's zu seicht,
Ich fragt' den Mann von nebenan,
Ob er es etwa wüßte,
Sein Weib, sie sah mich finster an,
sagt', daß er passen müßte.
Sieht sie aus wie ein Streifenpyjama,
Oder wie ein Schinken vom scheckigen Rind?
Riecht sie vielleicht wie ein Lama,
Oder doch mehr nach Zucker und Zimt?
Faßt sie sich an wie die Blätter von Hecken,
Oder weicher als Daunen noch?
Ist sie scharf oder rund an den Ecken?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
In schlauen Büchern kommt sie vor,
Umwoben wie eine Fee,
Man redet darüber, das ist bekannt,
Auf Luxusdampfern auf See;
Selbstmörder haben sie erwähnt,
Ganz sicher unter Tränen,
Manch einer kritzelt gar von ihr,
Auf Eisenbahnfahrplänen.
Heult sie wie hungrige Fellachen,
Tönt sie wie ein Korpsoffizier?
Kann jemand den Klang nachmachen,
Mit Säge oder Steinway-Klavier?
Tanzt sie auf Parties den Reigen?
Liebt sie's klassisch, aus jeder Epoch?
Wird sie auf Wunsch auch mal schweigen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
Ich suchte sie im Sommerhaus,
Doch war sie niemals dort,
Vergebens an der Themse auch,
Und manchem andren Ort,
Ich hörte nicht der Drossel Ruf,
Noch Ansichten der Katze;
Ich fand sie nicht im Hühnerhof,
Noch unter der Matratze.
Schneidet sie vielleicht gern Grimassen?
Wird ihr schlecht, wenn sie schaukelt einher?
Kann sie's Wetten auf Pferde nicht lassen?
Oder liebt sie die Geigen vielmehr?
Denkst sie daran Geld zu machen?
Ist ihr die Heimat ein Joch?
Ist sie vulgär oder läßt sie uns lachen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
Wenn sie kommt, kommt sie dann ohne Tarnung?
Ist sie wie andre zu sehen?
Klopft sie dann an ohne Warnung,
Tritt sie mir im Bus auf die Zeh'n?
Wird sie kommen wie plötzlicher Regen?
Trägt sie ihr Haupt tief oder hoch?
Werd ich deshalb auf einmal verwegen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
W. H. Auden
Mancher sagt, sie sei federleicht,
Für manchen dreht sie die Welt im Kreis,
manch andrer findet's zu seicht,
Ich fragt' den Mann von nebenan,
Ob er es etwa wüßte,
Sein Weib, sie sah mich finster an,
sagt', daß er passen müßte.
Sieht sie aus wie ein Streifenpyjama,
Oder wie ein Schinken vom scheckigen Rind?
Riecht sie vielleicht wie ein Lama,
Oder doch mehr nach Zucker und Zimt?
Faßt sie sich an wie die Blätter von Hecken,
Oder weicher als Daunen noch?
Ist sie scharf oder rund an den Ecken?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
In schlauen Büchern kommt sie vor,
Umwoben wie eine Fee,
Man redet darüber, das ist bekannt,
Auf Luxusdampfern auf See;
Selbstmörder haben sie erwähnt,
Ganz sicher unter Tränen,
Manch einer kritzelt gar von ihr,
Auf Eisenbahnfahrplänen.
Heult sie wie hungrige Fellachen,
Tönt sie wie ein Korpsoffizier?
Kann jemand den Klang nachmachen,
Mit Säge oder Steinway-Klavier?
Tanzt sie auf Parties den Reigen?
Liebt sie's klassisch, aus jeder Epoch?
Wird sie auf Wunsch auch mal schweigen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
Ich suchte sie im Sommerhaus,
Doch war sie niemals dort,
Vergebens an der Themse auch,
Und manchem andren Ort,
Ich hörte nicht der Drossel Ruf,
Noch Ansichten der Katze;
Ich fand sie nicht im Hühnerhof,
Noch unter der Matratze.
Schneidet sie vielleicht gern Grimassen?
Wird ihr schlecht, wenn sie schaukelt einher?
Kann sie's Wetten auf Pferde nicht lassen?
Oder liebt sie die Geigen vielmehr?
Denkst sie daran Geld zu machen?
Ist ihr die Heimat ein Joch?
Ist sie vulgär oder läßt sie uns lachen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
Wenn sie kommt, kommt sie dann ohne Tarnung?
Ist sie wie andre zu sehen?
Klopft sie dann an ohne Warnung,
Tritt sie mir im Bus auf die Zeh'n?
Wird sie kommen wie plötzlicher Regen?
Trägt sie ihr Haupt tief oder hoch?
Werd ich deshalb auf einmal verwegen?
Die Wahrheit, so sag sie mir doch.
W. H. Auden