16.03.2007, 13:52
Caulfield schrieb:So gesehen dürften aber auch andere, nicht beabsichtigte Werke ohne Ende[…]keine Literatur sein.Ich habe ja auch nicht behauptet, Colorado Kid sei keine Literatur; ich begründe nur mein Missfallen der Novelle gegenüber mit dem „fehlenden Ende“. Klar, auch Fragmenten fehlt der Abschluss, aber es ist doch ein Unterschied, ob ein Autor, aus welchen Gründen auch immer, daran gehindert wird, sein Werk mit einem Ende zu versehen, oder aber, ob selbiges bewusst ausgespart wird. Tatsächlich muss man unterscheiden zwischen dem Ende des Werks und dem Ende der darin erzählten Geschichte. Bei einem Fragment fehlt beides, bei Colorado Kid nur letzteres, denn King hat ganz bewusst irgendwann einen Punkt gesetzt, die Novelle als vollendet erachtet und sie dergestalt dem geneigten Publikum zugänglich gemacht. Selbst das mag so ungewöhnlich nicht sein, sicherlich finden sich zahlreiche Beispiele dafür in der expressionistischen Literatur. Aber King ist nicht expressionistisch, er erzählt Colorado Kid in seinem typischen Prosastil und weckt somit Erwartungen, die letztlich nicht erfüllt werden. Es ist einfach witzlos, zahlreiche Details aufzuführen, sie am Ende aber nicht einmal annähernd zu verknüpfen.
Caulfield schrieb:Beides [Geschichte+Botschaft] schließt sich doch nicht aus, oder? (Bsp.: "Der alte Mann und das Meer"...tolle Geschichte+Botschaft)Richtig, richtig, du sagst es: "Der alte Mann und das Meer"...tolle Geschichte+Botschaft; "Colorado Kid"…keine tolle Geschichte+keine tolle Botschaft.
Ich finde es ziemlich arm, wenn ein Autor sich berufen fühlt, eine Botschaft in einen narrativen Text zu verpacken, eine Geschichte also einer Botschaft wegen zu erzählen. (Gleichwohl sich freilich in jeder Geschichte eine Botschaft finden lässt – das ist unvermeidlich.) Ich halte es da mit Douglas Adams; als dieser mal nach der Botschaft in einem seiner Bücher gefragt wurde, antwortete er: „Wenn ich eine Botschaft gehabt hätte, hätte ich sie mitgeteilt. Ich habe aber ein Buch geschrieben.“
Außerdem ist es in meinen Augen ein Armutszeugnis, wenn ein Autor sich genötigt sieht, sein eigenes Werk zu kommentieren (wie es in erwähntem Nachwort geschieht). Das ist nichts weniger als das Eingeständnis, dass das Werk nicht für sich selbst spricht und diesem die nötige Aussagekraft abgeht.
PS: Was soll Deine Signatur?

Gelöste King-Quiz Fragen: 38 (60 min)