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Mulholland Drive - Straße der Finsternis
#5
Das lese ich ja erst jetzt! Konz, dankeschön!

Aber bei Mulholland Drive kann ich dich auch nicht mit so einer umfassenden Interpretation versorgen :mrgreen:

Allerdings ist es schon dringend notwendig, den Film zweimal zu sehen. Ich tat dies eben (deswegen komm ich auch auf den Thread), und ich bin hellauf begeistert. Definitiv ein DVD-Kandidat. Unglaublich, toll.

Es ist schon mehrere Jahre her seit dem ersten Mal, und davon hatte ich kaum noch etwas in Erinnerung (nicht mal die herausragende Brillianz). Diesmal wurde mir erst einiges klar.

Klar verständlich und sehr offensichtlich ist eigentlich nur die Aussage des Films und sein Gerüst, das sich durch das Ende ergibt. Da werde ich jetzt auch Spoilern. Bittebitte nicht lesen, wenn man den Film nicht wenigstens zweimal gesehen hat, denn man kann leicht darauf kommen. Die Andeutungen sind offensichtlich und ergeben sich logisch.

Diane (Naomi Watts) ist eine gefrustete Schauspielerin. Sie ist verliebt in "Rita", die ihr in dieser Realität die Rolle weggenommen hat, weil sie durch Druck der Filmmafia als Schauspielerin für die Rolle genommen wurde. Rita liebt den Regisseur und will ihn heiraten. Aus Eifersucht, Liebesfrust und Verbitterung engagiert Diane einen Killer, der Rita umbringen soll. Dieser legt einen blauen Schlüssel in die Wohnung, sobald die Arbeit getan ist (woran man die unterschiedlichen Zeitebenen und Visionen voneinander unterscheiden kann). Durch Schuldgefühle bringt sich Diane um.
Das läuft auf eine Kritik am Showbusiness hinaus. Die Welt des Glamour, der Stars und der Sternchen, die in Wirklichkeit zugrunde richten kann. "Nichts ist, wie es zu sein scheint" - Die Aussage in der Opervorstellung, die sich nicht nur auf den ersten Teil des Films, sondern vor allem auf das Showgeschäft übertragen lässt. Nicht alles hängt vom Talent der Schauspielerinnen ab, der Regisseur hat nicht immer Mitspracherecht, und nur die wenigen Auserwählten, die durch bestimmte Gründe entdeckt werden, haben das gewünschte Traumleben. Dies kommt besonders zur Geltung durch die kontrastreiche Darstellung vom ersten Teils des Films, mit Naomi als all american sweetheart mit großen Träumen, zum zweiten, der verkommenen Realität.

Alles weitere ist Interpretationssache. Und in dem Zusammenhang habe ich gleich Lust, den Film noch einmal zu sehen... Tongue

Lynch lässt so viele Deutungen zu, die allesamt Sinn ergeben, und doch nicht miteinander harmonieren oder auf alles zu übertragen sind. Eigentlich ist es wieder die Lynch-eigene Darstellung der Wahrheit - sie ist nicht greifbar und definierbar, sie wird nur durch ein Gefühl vermittelt. Man kann oder braucht sie nicht in alle Einzelteile zerlegen, um sein Werk zu verstehen oder wirken zu lassen.
Natürlich macht man es aber doch. Diese "Interpretationsmöglichkeit" macht gerade die Spannung bei Lynch aus. Die Aussage ist vorhanden, der Film in seiner surrealen Art als Gesamtwerk verstanden - jedoch entdeckt man von mal zu mal mehr Details, die das Puzzelwerk, das einen geradezu erschlägt, nicht nur als solches zu akzeptieren, sondern auch in seinen Einzelheiten zu verstehen und zu verbinden. Das ist einfach herrlich.

Für mich ist auf alle Fälle im ersten Teil des Films, sollte man ihn als Traum deuten (was ich jetzt tue, was man aber nicht zwingend tun muss), auch die Vergangenheit von Naomi Watts beinhaltet; ebenso der Prozess der Filmproduktion und die Auswahl der Kandidatinnen. Ich sehe es als eine Art Traum, der reale Vergangenheit mit Gegenwart, mit Angst, mit schlechtem Gewissen, mit Wunschdenken - und sogar mit Zukunftsvision - vermischt. Eine Nachtmahr, eine Odyssee, durch die die Wahrheit hervorschimmert, verborgen hinter mehrdeutigen Symbolen, die filigran in die Geschichte durch Naomis Schlaf eingewebt sind. Also alles andere als "nur ein Traum".


Zu den Fragen...

Zitat:"Der Cowboy"

Keine Ahnung. Eine Person, die von außen in die Geschichte eingreift und diese im richtigen Moment voran treibt? Für mich aber keine ausreichende Erklärung.

Zitat:Das alte Ehepaar, welches Betty am Flughafen verabschiedet und später nochmals eine weniger freundliche Rolle spielt
+
Zitat:Der Espressotrinker

Ich fang mit dem Monster an Tongue
Dieses kann man m.M.n. als das schlechte Gewissen von Diane deuten. In ihrem Traum hat stellvertretend für sie jemand anderes Angst (der Espressotrinker), sitzt aber passender Weise im selben Laden, in dem Diane den Mörder beauftragte. Das Monster lässt die alten Leute aus seinem Sack - das alte Ehepaar, das Diane anschließend zum Selbstmord treibt.
Diese beiden kann man als ihre Großeltern (wieder ihr Gewissen) sehen - was mir nicht gefällt - oder als ein altes Pärchen, dass Diane auf ihrem Weg nach Los Angeles traf. Sie würden dann die zwei Seiten repräsentieren - der schöne Schein, das böse Sein. Was zuerst freundlich und einladend für Naomi aussah, brachte ihr letztendlich den Tod - das Filmgeschäft, sowie sinnbildlich die beiden alten Leute.

Zitat:Die Tatsache, dass "Rita" sich eine blonde Perücke beschafft

"Rita" hat Gedächtnisschwund, weil sie durch ihren Tod ihre Existenzberechtigung in der Welt verloren hat und sich nun Fehl am Platz fühlt. Sie hat das Geld, dass Diane später benutzt, um Rita umbringen zu lassen - vielleicht verschaffte sich Diane in der Realität ebenso das Geld von Rita, das dieser nicht Wirklich zustand (sie wurde schließlich durch die Mafia eingesetzt). Da Rita nicht mit ihrem aktuellen Sein klarkommt, übernimmt sie die Rolle der blonden Naomi, die daraufhin verschwindet (der letzte Gedanke kommt nicht von mir).

Zitat:das blaue Kästchen und der merkwürdige Schlüssel

Stimme Susa zu. MacGuffin. Vllt mit dem Cowboy zusammen...

Zitat:Die Tatsache, dass zu Beginn bei dem Autounfall alle weiteren beteilgten sterben. ZUmindest müssen wir davon ausgehen.

Wäre für mich einfach nur der (Alp)Traum von Diane, in dem die eigentlich tote Rita durch ein herbeigedachtes Ereignis überlebt.

Zitat:Was genau sagen die fremdsprachigen Texte aus, die die Sängerin im Theater trällert, als Betty und Rita zuschauen?

Keine Ahnung. Die dazugehörige Oper erklärte ich jedoch schon oben.

Zitat:Ein weiterer Fakt, der mich aus dem Konzept brachte, war der Handlungsbruch im letzten Drittel an sich: Wa soll das?

schon erklärt Tongue

Zitat:Warum hilft Betty der fremden Frau so selbstlos?

Weil sie ein süßes, unschuldiges Naivchen ist - was sich im Laufe der Zeit ändert.

Zitat:Die Haushälterin, die "Coco" genannt werden möchte

Der rote Lampenschim, der ja in Lynchs Fragenkatalog auch enthalten ist

Bettys Tante Ruth, die genau dreimal im Film auftaucht:
Bevor "Rita" die Wohnung betritt
Kurz darauf, als Rits drinnen ist, verlässt sie per Taxi den Film
Kurz bevor der Handlungsbruch erfolgt und sie ins Schlafzimmer stürmt

Keine Ahnung.

Mir fällt dazu auch noch der Auftragskiller ein, der ebenfalls in den Traum passt, weil er sich die Anrufliste besorgt - das Kontrollsystem der Mafia. Das Telefon ist wie das Symbol für äußeren Einfluss, dem Diane ausgeliefert ist. Dementsprechend beauftragt die Mafia einen Auftragskiller, um sich zu holen, was sie braucht - so wie auch Diane es später tut.


So, und jetzt werde ich schlafen gehen (ist schon spät). Und Mulholland Drive bald nochmal sehen Tongue Dann find ich vielleicht auch Verwendung für den Cowboy und die Lampenschirme und die Tante und all die Tausend anderen Sachen....
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