Jetzt hat sich die Diskussion ja recht selbstständig weiterentwickelt...

Will aber etwas vorher ansetzen.
Bangor schrieb:Ich bin der Meinung, zu einem gewissen Prozentsatz tragen diese Spiele dazu bei.
In diesem Thread wollte ich eigentlich weniger die allgemeine Debatte ansprechen, ob Computerspiele der Gesellschaft schaden oder sie zum Amoklauf verleiten, sondern es ging mir um die Medien, die den Geifer nach Killerspielberichten ausnutzen.
Bangor, du schriebst zuerst "diese Spiele". In diesem Thread wurde vorher nur Final Fantasy genannt und schon von mir darauf eingegangen, dass dieses Spiel explizit nicht damit in Zusammenhang gebracht werden kann, ich stellte auch Screenshots als Beispiel herein.
Da du das Spiel weder gespielt hast, noch die Thematik oder die Atmosphäre kennst - vielleicht vorher nicht einmal Ausschnitte - kannst du diese Behauptung kaum aufstellen (stelltest dies selber ja im Nachhinein fest

weet).
Aber genau diese Tendenz stört mich an den Berichten. Es wird nicht geschaut, WAS es für ein Spiel ist - es geht darum, DASS es ein Spiel ist. Und dann kann gehetzt werden, und ohne zu Hinterfragen wird es von anderen, wie auch von dir, geglaubt. Sowas macht eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema zunichte.
Im Gegensatz zu vielen Freunden meines Alters distanziere ich mich von den früher gespielten Egoshootern, weil mich die Intention enorm abschreckt. Ich finde es vollkommen verständlich, dass eine Gesellschaft verroht, die in ihrer Freizeit das Töten von Menschen nachspielt. Ich selber tat es ebenfalls - das war ein Zeitphänomen, um das wohl niemand meines Alters herrum kam, sofern er sich überhaupt für Computerspiele interessierte - und ich verbinde sehr viel positives mit der Zeit und den Netzwerkparties. Ich selber fühlte mich auch nicht geschädigt und verstehe durch eigene Erfahrung gut, warum sich manch Computerspieler über die Debatte aufregt - man spielt etwas tagtäglich und empfindet es als völlig harmlos, und fremde Menschen erzählen, dass man dadurch zum Mörder werden kann. Trotzdem ist es für mich eine Tatsache, dass geistige Beschäftigung mit dem Morden aus Spaß keiner Gesellschaft gut tuen kann. Inhaltlich findet das bei vielen Spielen statt. Ohne spießig wirken zu wollen - ich finde Spiele wie Counterstrike vollkommen unnötig und schädlich, und dass, obwohl ich es lange Zeit spielte und eine andere Meinung damals vertrat.
Jedoch muss man auch Differenzieren können.
Es ist eine Sache, zu behaupten, gewaltverherrlichende Computerspiele schaden der Gesellschaft (und Gewaltverherrlichend sind sie, und meiner Meinung nach schaden sie auch). Etwas völlig anderes ist es, sie für den Mord eines Menschen verantwortlich zu machen - bzw.
alleinig verantwortlich zu machen. Counterstrike ist ein Produkt seiner Zeit - ebenso gut könnte man bei der kontemporären Politik nach dem Schuldigen suchen, in der Filmindustrie, bei den Trashsendungen, bei der Musik, in der Familie, im sozialen Umfeld, in dem Zeitgeist der Gesellschaft, in der Schule, im Geiz-ist-Geil-Prinzip, im Konsumrausch.
Aber auf die Spitze getrieben wird es, wenn man einen Lynch-Film dafür verantwortlich macht. Oder Led Zeppelin. Oder eben Final Fantasy. Das ist mehr als undifferenziert. Es ist menschenverachtend und profitgeil, mehr nicht.
Das ganze ist fast zu lächerlich, um es ernst nehmen zu können - aber zu traurig, um ihm gar keine Beachtung zu schenken. Selbst Stephen King wäre viel naheliegender als das Spiel.
Und diese undifferenzierte Hetze, die nirgendwo anders so deutlich zutage treten würde als genau bei diesem Spiel, regt mich auf. Das Medium Computerspiel? Böse, prinzipiell, immer. Der Rest nicht. Sowas ist feige, damit sucht man keine Lösung, sondern einen Sündenbock. Aber Deutschland sucht den Superstar darf zur vierten Staffel anlaufen, obwohl man dort nicht mit virtuellen, sondern mit realen Menschen und realen Emotionen spielt - und diese neben dem Gehirn der Zuschauer tatsächlich zerstört.
Wenn es stimmt, dass sich die beiden 17-Jährigen mit den Namen der Bösewichte in Final Fantasy angeredet haben und versuchten, diese nachzuspielen, wären die daraus zu ziehende Schlüsse GANZ andere. Denn: Das Spiel ist nicht brutal, aber phantastisch und vielseitig. Wenn man vor der Außenwelt fliehen will, ermöglicht es einem (wie viele andere gute Spiele oder Bücher) eine Flucht. Niemand fragt sich, warum zwei 17-jährige vor der Außenwelt oder der Realität fliehen wollen und sich lieber mit (tatsächlich sehr stark) verpixelten Figuren in einer harmlosen Phantasiewelt identifizieren. DARUM geht es doch aber.
Zitat:Aber: Wo fängt man mit einer Änderung an?
Der Aufschrei ist immer groß. Dieses mal regen sich halt die Spiele-Befürworter auf.
Ich denke aber, der weg in ein Verbot ist fast unausweichlich, obwohl ich vom Verständnis her eigentlich dagegen bin.
Ist bei mir genauso

Ein Verbot bewirkt meinem Verständnis nach das Gegenteil... darüber hinaus kann man nicht immer nur verbieten.
Ich selber habe da überhaupt keinen Lösungsvorschlag, weil für mich der historische Ursprung von allem "Übel" in der Wirtschaft liegt. Technische Entwicklungen machen das Leben bequemer, das Denken träger, die Menschen lethargischer... Globalisierung und Zentralisierung anonymisieren das Umfeld, machen den Arbeitsplatz unpersönlich, die Firmen unüberschaubar, das gesamte Wirtschaftssystem unmenschlicher und vernichten die kleinen Läden mit Herz sowie die Kultur des Landes. Trash wird dank Absatzmärkten groß produzierbar... alles, was Geld bringt, weil es genügend Menschen gefällt, wird unabhängig von ethischen Gesichtspunkten hergestellt. Daher kann man seine Freizeit damit verbringen, Talkshows zu schauen, Leute zu erschießen, Castingbands zu hören... man wird überschüttet mit herzloser Kunst, weil diese billiger zu produzieren und besser zu vermarkten ist... eigene Leidenschaften oder Lebensträume müssen unter dem Wettbewerbsprinzip weichen...
Mal ernsthaft: wie viele können sich heute noch sagen: "Wenn ich groß bin, will ich einmal XY werden"? Man muss schon mit 18 sein Leben durchgeplant haben, um gute Einstiegs- und Karrierechancen zu haben. ÜBERALL ist Geiz-ist-Geil und Kommerz. Und es gibt keine Alternative, weshalb die Jugend nichtmal einen Angriffspunkt zum rebellieren hat, außer sie beschimpft ihr eigenes Umfeld. Macht sie ja auch. Tut halt nur nicht gut. Für mich wirkt das alles wie ein riesiger, gleichgeschalteter Ameisenhaufen, der den Kommerzgott huldigt und mit phlegmatisch machendem Konsumprodukten ruhig gehalten wird. Und das völlig unbeabsichtigt - das System reproduziert sich einfach selber, es gibt nicht mal jemanden, den man dafür zur Verantwortung ziehen kann.
Da kommt als Lösungsvorschlag einfach nur das Wunschdenken auf, in einer anderen Zeit zu leben. Einiges hätte in der Theorie einfach nicht erfunden werden sollen, weil der Konsument nicht beurteilen kann, ob ihm das zu konsumierende Objekt "gut" für ihn oder die Gesellschaft ist - der Konsument entscheidet aber über deren Existenz. Ebenso wie man McDonalds nicht verbieten kann, aber die Welt bestimmt schöner und die Menschen gesünder wären, wenn es diese Industriekette nicht gäbe.
Manchmal wäre ich gerne geboren, als es noch keinen Fernseher und keinen Computer gab, so einfach ist das... Bissl back to natur.
Und sowas bringt natürlich auch nicht weiter

Aber... was soll man sonst machen? Der "wirkungsvollste" Schritt wäre, den absoluten Spießer raushängen zu lassen und alles abzulehnen, was einem aus ethischen/moralischen Gründen, oder allein schon von der gesellschaftlichen Tendenz, nicht gefällt. Das hätte jedoch weder Anfang noch Ende, außer man würde Buddhist werden. Ernsthaft. Denn irgendwo will man schon Leben, ohne sich um alles als oberkorrekter Gutmensch nen Kopf zu machen.
Kaliostro schrieb:aber teilweise repräsentieren ebendiese den Straßenslang, das Straßenleben dass manche heute große Ikonen durchmachen mussten.
Kaliostro, aber meinst du nicht, dass "der Straßenlang" und "das Straßenleben" vielleicht eine Kunst ist, die nicht unbedingt repräsentiert werden muss? bzw... ich kann auch das Pädophilenleben und den Pädophilenslang repräsentieren, und damit authentisch sein. Und?
Die Frage ist doch: Was erweitert deinen Horizont und sorgt für gesellschaftliche Weiterentwicklung, und was behindert ihn? Ich glaube nicht, dass das "Straßenleben" und dessen adäquates Denken groß den geistigen Horizont speißt. Ebenso sind Lieder aus dem dritten Reich keine gute geistige Nahrung, trotzdem sind sie authentisch.
Ich will jetzt keinesfalls über Musikrichtungen streiten - mir gehts nur um die Intention oder den Inhalt bestimmter MusikGRUPPEN. Und wer sich "Aggro"-Berlin nennt... ehrlich, da umweht einen doch schon das große Doof, von überall. Obligatorisch muss daraus auch moralisches Doof folgen.
ThePrisoner schrieb:Mal alle Vorurteile bei Seite gelegt: Ich habe nur negative Erfahrungen mit Sido-/Aggroberlinanhaengern gemacht! Der Großteil kann sich gar nicht bis kaum artikulieren,
Nicht ohne Grund...
Caulfield schrieb:Nach Ansicht der freudianischen Psychoanalyse (bitte spart euch "Freud is doof"- und "Freud ist überholt"-Postings...das nervt Wink ) würde sogar Computerspielen die Aggression verringern, da es Katharsis-artige Efekte zu Folge hat -> Abbau der Aggression IM Spiel => keine Gewalt außerhalb des Spiels
Tja, nach deren Ansicht. Hab schon so lang rumgestritten und kanns nicht mehr hören... und Spiele, bei denen anderen Menschen Augen rausgeschnitten werden machen Sanftmütig. Nee du :mrgreen:
Natürlich gibt es eine gewisse Katharsis, und wenn ich stinksauer bin, KANN ich meine Wut - egal wo - entladen. Aber darum geht es überhaupt nicht.
Ich verwende doch meine geistige Energie auf die Tätigkeiten, die ich tue. Ich beschäftige mich mit dem, woran ich denke. Ich lenke meine Gedanken, meine Konzentration, meine geistige Energie in eine prägnante Richtung. Ganz einfach und empirisch nachweisbar. Wenn ich mich mit dem Meditieren beschäftige, bin ich ein sanftmütigerer Mensch, als wenn ich beim Militär das Nachladen von Waffen und Erschießen von Menschen übe. WENN ich Bock darauf habe, jemanden zu erschießen - dann mag das Schießtraining vielleicht zur Katharsis führen, weil ich dortbei meine Wut entlade. Wenn ich mich jedoch nie mit dem Erschießen beschäftigt habe, bekommen ich auch nicht den Wunsch danach. Man muss doch unterscheiden zwischen einer temporären Katharsis und der chronischen Gedankenausrichtung, bzw. dem infiltrieren eines Denkensmusters. Wenn ich in meinem Leben ständig mit Gewalt konfrontiert bin, werde ich auch gewalttätiger. Wenn ich stets mit sanftmütigen Menschen zusammen bin, werde ich sanftmütig. Der Mensch hat keinen genuinen Aggressionsfaktor. Er muss sich nicht zyklisch entladen, muss nicht einmal im Monat explodieren oder jeden dritten Tag in einer bestimmten Lautstärke schimpfen. Ist alles nicht. Er lernt nur in gewissen Dekensmustern zu denken. Und um das Denkensmuster geht es doch, wenn man von gesellschaftlicher Krudität spricht.
Zitat:Für die "Abstumpfung" gibt es auch keine wirklichen Studienergebnisse...
Dabei kommt es darauf an, was man als Abstumpfen bezeichnet. Abstumpfen der Kreativität, der Moral und der Werte kann man sehr wohl verzeichnen. Braucht nur auf manche Schulen und Verhaltenssitten schauen