Ich halte ihn für überschätzt und kann mich leider nicht den lobenden Kommentaren anschließen...
Er hat mich nicht eingenommen. Klar, er ist gut. Er ist experimentell. Er hat starke Bilder, einen sehr interessanten Ansatz, ein tolles Thema, meiner Meinung nach sehr gute Schauspieler (auch wenn ich Juliette Lewis nicht mag, spielt sie ihre Rolle nicht schlecht, Woody Harrelson ist klasse und Robert Downey Jr. perfekt) - und er polarisiert. Aber trotzdem sind einige Stellen sogar sehr schwach.
Am schlimmsten ist mir die Medienkritik aufgestoßen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Tarantino das Buch schrieb - in dem das ganze weniger abgedreht war.
Nicht, dass ich mich daran stören würde - es geht mir nur um die mangelnde Eleganz in der Umsetzung. Als grandiose Medienkritik würde ich es niemals bezeichnen, dafür ist es zu überzogen. Eine großartige Mediensatire ist es auch nicht – dafür ist die Fokussierung zu sehr auf dem Killerpaar statt auf den Medien. Natürlich BEINHALTET es eine Satire, und natürlich IST es ein Kritik, aber dies weder durchgängig, noch anspruchsvoll. Diese wirkt mit (was für mich in Ordnung ist) - aber obwohl sie sich inhaltlich enorm zuspitzt, steigert sie sich nicht vom Anspruch.
Ich habe mehr von diesem „Kultfilm“ erwartet, wegen dem in Frankreich und Amerika anscheinend über zehn Nachahmungsfälle auftraten.
Worum es geht ist kurz zusammengefasst: Ein skrupelloses Paar mit Kindheitstrauma lebt ihr Hobby – das Töten – und entfernt sich somit von jeglichen Konventionen oder Dogmen. Durch das Ausschlachten der Medien, der Perversion der Zuschauer – und der Verlogenheit der Gesellschaft, gerade deshalb – werden die Mörder zu verehrbaren Helden hochstilisiert.
Das besondere ist sowohl das Thema als auch die cineastische Umsetzung des Films.
Zum Umgang mit ersterem, dem Thema: Die falsche Gesellschaft wird weder tiefgründig dargestellt, noch die Hochstilisierung der Mörder – im Gegenteil, das ganze beschränkt sich deutlich auf eine Satire, die ab der zweiten Filmhälfte mit dem Zaunpfahlwinken nicht mehr aufhören kann. Und Zaunpfahlwinken ist nichts Grandioses. Interessant ist viel mehr die Darstellung der Hauptpersonen, die trotz aller Gewalt nicht abschreckend oder Ekel erregend wirken. Pluspunkt des Films.
Die Umsetzung ist es eher, die hier großes Aufsehen erregen kann – genial allein ist die zweite Szene: Die Sitcom. Nachdem mich der Anfang enttäuschte, lies mich diese herrliche Parodie sofort aufhorchen. Geniale Transformation des gutbürgerlichen, unschuldigen Fernsehmediums voll Prüderie mit a) den schlimmsten gesellschaftlichen Problemen und b) dem Wunsch der Zuschauer nach etwas Frivolen. Toll. Ebenso das Ende, die wohl stärkste Szene des Films - und die kontinuierlichen Szenenwechsel, durch die sich NBK nie festlegt. Mal ist er Satire, mal Parodie, mal Kritik, mal Actionfilm, mal Experimentalfilm, und manchmal auch Liebesgeschichte, ob ironisch, skurril oder ernst. Dadurch schafft er es, den Zuschauer für seine Hauptdarsteller zu interessieren, die Grausamkeit ertragen zu lassen und sich durch die skrupellose Verherrlichung von dem Geschehen zu entfernen.
Allerdings gibt es auch Rückschläge, nicht jede Darstellung ist – nur, weil nicht normal – gleich toll. Der Film beinhaltet auch oberflächliche Experimente. Die Kameraperspektive aus Sicht der fliegenden Kugel: Schön, gibts selten. Na und? Es ist nicht toll, nur weil es entfremdet oder ungewohnt wirkt. Das einblenden der NS-Bilder während der Vergewaltigung ist nicht Kunst, auch keine abgedroschene, sondern lächerlich und oberflächlich. Diese Bilder sind, nur weil sie selten in dem Stil angewendet werden, nicht gleich Wahwahwahnsinn.
Und die Gefängnisrevolte, die wohl längste, durchgängige Szene des Films, ist mit die schlechteste. Die Brutalität ist überzogen und trotzdem langweilig, die Handlung der Charaktere und der Verlauf der Geschichte unlogisch und atmosphärlos (ähnelt schon fast herkömmlichen Filmen), die Tricks, anhand denen sich die Story fortbewegt, zu witz- und kreativlos. Dass der Film nicht „logisch“ sein will ist mir klar. Es geht um den Aufwand und die Konstruktion für diese überflüssigen Szenen.
Somit finde ich Natural Born Killers durchaus sehenswert, als cineastisches Werk sehr interessant, von seiner Struktur und seinem Stil her originell und kreativ, aber inhaltlich leider nicht tiefgehend genug – obwohl gerade dort potential vorhanden war. Er fesselt mich nicht, er berührt mich nicht. Will er auch nicht? Okay, emotional gesehen. Aber er will trotzdem etwas auslösen, und das tat er nicht. Für mich stellt er weder ein Meisterwerk dar, noch ist der Stil durchgängig „cool“.