von tiff´any » Mi 07.Sep.2005 17:55
Veröffentlicht: 2005 Sep 06 - 12:51
• Kommentatoren reagieren betroffen bis spöttisch auf die Katastrophe in den USA
Betroffen, aber auch kritisch reagiert die arabische Welt auf die Katastrophe durch den Hurrikan "Katrina" in den USA.
Die einen sehen Gott am Werke, der im "vermeintlich unbesiegbaren Amerika" ein "Machtwort" gesprochen habe. Andere setzen auf die internationale Hilfe für die Betroffenen und sehen dadurch die Chance, den Dialog zwischen islamischer Welt und dem Westen zu verbessern.
Die 500-Millionen-Dollar-Spende Kuwaits Amerika-freundlicher Regierung an die US-Katastrophenhilfe wird von der nationalen Presse kritisch kommentiert. So fragt Kuwaits landesweit vertriebene politische Tageszeitung "al-Watan": "Wer hat Katrina wohl geschickt?" und verweist nachfolgend auf zahlreiche Präzedenzfälle göttlicher Sanktionen in der heiligen Schrift.
Nicht ohne Ironie betont al-Watan abschließend, dass man dem kuwaitischen Machthaber Scheich Sibah al-Ahmad dennoch ausgesprochen dankbar für seine "Menschlichkeit und väterliche Fürsorge gegenüber den USA" sei, da sich dank der Spende nun hoffentlich das leidige Thema kuwaitischer Guantanamo-Häftlinge klären werde.
"Wahre Supermacht offenbart Allgewalt"
Die in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa publizierte Wochenzeitung "Yemen Times" titelt: "Die wahre Supermacht offenbart ihre Allgewalt." Gott habe in Amerika wohl ein Machtwort gesprochen, so wie er es bereits in vielen anderen Ländern der Welt getan habe, die sich für unbesiegbar hielten.
Die überregional publizierte ägyptische Tageszeitung "al-Ahram" beschwört die "Notwendigkeit des internationalen Zusammenhaltes zur Bewältigung von Naturkatastrophen"; den "gewaltigen Revolutionen der Natur, denen jeder Vergleich mit menschlicher Gewalt spottet", stünde selbst eine Supermacht hilflos gegenüber.
"Erst Armut im eigenen Land bekämpfen"
Al-Ahram betont jedoch auch, dass man über die bemitleidenswerten amerikanischen Opfer der Hurrikans, denen alle menschenmögliche Hilfe zukommen müsse, die zehntausenden Iraker nicht vergessen dürfe, die dem amerikanischen Angriffskrieg, der Belagerung ihres Landes und dessen völliger Zerstörung der Infrastruktur zum Opfer gefallen seien. Amerika habe nicht nur im Irak Tragödien ausgelöst, die "viel schlimmer als Naturkatastrophen" gewesen seien, so al-Ahram.
Die in Amman veröffentlichte jordanisch-palästinensische "Jordan Times" hofft darauf, dass "Katrina" den "amerikanischen Bürgern die Augen öffnen" könnte. Die dramatischen Versäumnisse bezüglich des Krisenmanagements hätten, so vermutet das Blatt, wohl auch eine rassistische Komponente offenbart. Jordan Times konstatiert: "Viele Amerikaner sagen nun, dass den Kriegen in fremden Ländern ein 'Krieg' gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit im eigenen Land vorausgehen müsse."
"Menschliche Bedürfnisse befriedigen" "Al-Sharq al-Awsat", eines der international einflussreichsten arabischsprachigen Presseorgane, verweist auf die Parallelität zweier Katastrophen, ausgelöst durch Hurrikan "Katrina" und die verlustreichen Massenpanik schiitischer Pilger auf einer Bagdader Brücke. Al-Sharq al-Awsat konstatiert: "Beide Katastrophen fanden nur kurz vor dem Weltgipfel der Vereinten Nationen statt, welcher Entwicklung als substantielles Instrument für 'good governance' und Demokratie propagiert."
Sowohl die momentane Situation in New Orleans als auch die im Irak mache auf drastische Weise klar, dass ohne die Gewährleistung einer Minimalbefriedigung menschlicher Bedürfnisse keine Grundlage für Reformen geschaffen werden könne. Al-Sharq al-Awsat stellt klar: "Werden die Grundbedürfnisse der Menschen nicht gestillt, nähert man sich den hären Zielen der 'Freiheit' und 'Demokratie' nicht etwa, sondern entfernt sich von ihnen."
Hilfe als Chance zum Dialog Die in Qatar herausgegebene Tageszeitung "al-Sharq" begrüßt die außerordentliche Hilfsbereitschaft der internationalen Staatengemeinschaft und betont das arabisch-islamische Engagement. Die humanitäre Hilfe seitens arabisch-islamischer Staaten würde ungeachtet früherer bilateraler Probleme mit den USA geleistet. Eine "neue Qualität internationaler humanitärer Kooperation" könne den Grundstein für einen zukünftig verbesserten Dialog zwischen islamischer Welt und Westen legen.
Gewohnt kämpferisch äußert sich das in Damaskus publizierte Presseorgan der syrischen Baath-Partei "al-Tashreen": Die Tragödie des 11. September, so das Blatt, habe den "Neokonservativen" zur Legitimation ihres "teuflischen Plans" gedient, gemäß dem diese andere Länder, im Namen des Kampfes gegen Terror, in unrechtmäßige Kriege verwickelt hätten. "Katrina" erteile der Bush-Administration eine Lektion, die besage, dass Amerika "wohl doch nicht im Stande ist, die Welt alleine anzuführen".
Quelle: heute.de